Reform des Insolvenzanfechtungsrechts und Auswirkungen auf Factoring und Leasing

Rechtssicherheit erhöht mit positiven Folgen

Dr. Stefan Krüger

Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag eine Überarbeitung der Insolvenzanfechtung vereinbart. Nach langwierigem Gesetzgebungsverfahren und begleitet von kontroversen Diskussionen hat der Bundesrat dem Gesetzentwurf zur "Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz" am 10. März 2017 zugestimmt. Die sich ergebenden Änderungen und ihre Auswirkungen auf Factoring und Leasing legt dieser Beitrag dar. Diese sind im Ergebnis positiv zu beurteilen.

Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag vorgesehen: "Zudem werden wir das Insolvenzanfechtungsrecht im Interesse der Planungssicherheit des Geschäftsverkehrs sowie des Vertrauens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ausgezahlte Löhne auf den Prüfstand stellen."1) Nach einem Eklat um das der Öffentlichkeit bekannt gewordene Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vom 10. September 20142) folgten am 16. März 2015 der Referentenentwurf 3) und am 29. September 2015 der Regierungsentwurf.4)

Nach der Stellungnahme des Bundesrates vom 27. November 2015 wurde am 16. Februar 2016 der Regierungsentwurf vorgelegt.5) Diesen Prozess haben teils sehr kontroverse Diskussionen innerhalb der juristischen Literatur und der Politik begleitet. Mittlerweile wurde ein gesetzgeberischer Kompromiss gefunden: Am 15. Februar 2017 hat der Bundestag den "Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz" beschlossen.6) Der Bundesrat hat diesem Entwurf am 10. März 2017 zugestimmt. Die damit verbundenen Änderungen wirken sich für Factoring- und Leasing-Unternehmen positiv aus (siehe Tabelle, Seite 132).

Anfechtung und Zahlungsunfähigkeit

Zukünftig lautet § 133 Absatz 2 Insolvenzordnung (InsO) wie folgt: "Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre."

Diese Regelung hat zur Konsequenz, dass die Anfechtungsfrist für Gläubiger im Hinblick auf Sicherungen oder Befriedigungen von zehn Jahren auf vier Jahre verkürzt ist. Dies stellt eine Erleichterung für Gläubiger dar und betrifft auch Factoring- und Leasing-Unternehmen.

In § 133 Absatz 3 Satz 1 InsO ist festgeschrieben: "Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene."

Regelung zur Ratenzahlung

Mithin wird die Vermutungsregelung in § 133 Absatz 1 Satz 2 InsO (Anknüpfung bereits an drohende Zahlungsunfähigkeit) im Hinblick auf Sicherungen und Befriedigungen dahingehend reduziert, dass zukünftig allein an die eingetretene Zahlungsunfähigkeit angeknüpft wird. Diese Einschränkung - auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH)7) - bedeutet für Factoring- und Leasing-Unternehmen eine Verbesserung bei Vorsatzanfechtungen.

Nach § 133 Absatz 3 Satz 2 InsO gilt Folgendes: "Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte."

Aussagenvielfalt in BGH-Urteilen

Diese Regelung ist aus Sicht der Factoring- und Leasing-Praxis zu begrüßen. Der Gesetzgeber stellt bei Zahlungsvereinbarungen eine Vermutungsregelung zugunsten des Gläubigers auf, die vom Insolvenzverwalter widerlegt werden muss. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des BGH zu Ratenzahlungsvereinbarungen zu sehen, die in der Praxis zu einem Ausufern von Vorsatzanfechtungen und erheblicher Rechtsunsicherheit geführt hat.

Auslöser dieser Entwicklung in der Rechtsprechung waren zahlreiche, teils widersprüchliche BGH-Urteile, angefangen mit dem Urteil des BGH vom 6. Dezember 2012, in dem dieser wie folgt tenorierte: "Der Gläubiger hat zu beweisen, dass die bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch eine mit ihm getroffene Ratenzahlungsvereinbarung nachträglich entfallen ist. Die Kenntnis des Gläubigers von einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit entfällt nicht durch den Abschluss einer von dem Schuldner vereinbarungsgemäß bedienten Ratenzahlungsvereinbarung, wenn bei dem gewerblich tätigen Schuldner mit weiteren Gläubigern zu rechnen ist, die keinen vergleichbaren Druck zur Eintreibung ihrer Forderungen ausüben." 8)

Darin heißt es weiter: "Begleicht der Schuldner die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Gläubigers, greift das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung ein, wenn zum Zeitpunkt der Leistung Anlass bestand, an der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu zweifeln." 9)

Wohl auch im Hinblick auf die Aktivitäten des Gesetzgebers beschloss der BGH am 16. April 2015 wie folgt: "Die Bitte des Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung ist, wenn sie sich im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs hält, als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners."10)

Der BGH verwies darauf, dass die Bitte um eine Ratenzahlungsvereinbarung auf den verschiedensten Gründen beruhen könne, die nichts mit einer Zahlungseinstellung zu tun haben. Derartige Gründe können etwa in der Erzielung von Zinsvorteilen oder der Vermeidung von Kosten und Mühen im Zusammenhang mit der Aufnahme eines ohne weiteres erlangbaren Darlehens liegen. Eine verspätete Ratenzahlung könne bei Auslösen einer "Verfallsklausel" unerheblich sein, auch wenn sie im Einzelfall Indiz für eine Zahlungseinstellung sein könne. Vorliegend wurde jedoch die Gesamtwürdigung des zuvor befassten Gerichts akzeptiert.

In die gleiche Richtung schien ein Urteil des BGH vom 30. April 2015 zu gehen: "Zahlt der Schuldner auf eine relativ geringfügige Forderung erst aufgrund mehrerer Mahnungen nach über einem Jahr zwei Raten und tilgt die Forderung nicht vollständig, kann das Tatgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass der Schuldner allein hieraus nicht auf eine Zahlungseinstellung des Schuldners schließen musste." 11)

Allerdings folgte am 24. September 2015 ein weiterer BGH-Beschluss, der wiederum eine andere Tendenz aufwies. Darin heißt es: "Die Bitte des Schuldners um Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung entspricht nicht den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs, wenn sie nach mehrmaligen fruchtlosen Mahnungen und nicht eingehaltenen Zahlungszusagen gegenüber einem von dem Gläubiger mit dem Forderungseinzug betrauten Inkassounternehmen geäußert wird."12)

Mit Urteil vom 25. Februar 2016 hat der BGH dann wie folgt entschieden: "Schweigt der Schuldner einer erheblichen Forderung während eines monatelangen Zeitraums auf Rechnungen und Mahnungen und bietet er nach Einschaltung eines Inkassounternehmens und Erwirken eines Mahnbescheides in dem auf seinen Widerspruch eingeleiteten Verfahren die ratenweise Zahlung der Gesamtforderung einschließlich der Zinsen und der Kosten an, hat der Gläubiger die Zahlungseinstellung des Schuldners, dessen Zahlungsverzug nicht mit einer fortdauernden Anspruchsprüfung erklärt werden kann, erkannt."13)

Dem folgte ein weiteres BGH-Urteil vom 24. März 2016 mit folgendem Wortlaut: "Hatte der Schuldner seine Zahlungen eingestellt, muss der Antragsgegner darlegen und beweisen, dass der Schuldner die Zahlungen im Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlung allgemein wieder aufgenommen hatte. Allein die Tatsache, dass über die Verbindlichkeiten des Schuldners gegenüber dem Anfechtungsgegner eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde und der Schuldner die vereinbarten Raten zahlte, genügt hierfür in der Regel selbst dann nicht, wenn die Zahlungseinstellung maßgeblich aus der Nichtbedienung dieser Verbindlichkeit abgeleitet worden ist."14)

Mit einem weiteren Urteil vom 9. Juni 2016 stellte der BGH fest: "Indizien für eine Zahlungseinstellung sind gegeben, wenn der Schuldner selbst erteilte Zahlungszusagen nicht einhält oder verspätete Zahlungen nur unter dem Druck einer angedrohten Liefersperre vornimmt."15)

Sodann entnahm man einem BGH-Urteil vom 16. Juni 2016: "Kündigt der Schuldner dem Gläubiger einer in den Vormonaten deutlich angewachsenen fälligen Forderung an, im Falle des Zuflusses neuer Mittel die Verbindlichkeit nur durch eine Einmalzahlung und zwanzig folgende Monatsraten begleichen zu können, offenbart er dem Gläubiger seine Zahlungsunfähigkeit."16)

In einem weiteren BGH-Urteil vom 14. Juli 2016 las man wiederum: "Erklärt der Schuldner seinem Gläubiger, eine fällige Zahlung nicht in einem Zug erbringen und nur Ratenzahlungen leisten zu können, muss dieser allein aus diesem Umstand nicht zwingend darauf schließen, dass der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat."17)

Konsequenzen und Ausblick

Diese Rechtsprechung hat zu einer praktisch kaum noch handhabbaren Rechtsunsicherheit für Gläubiger und gleichermaßen für Insolvenzverwalter geführt. Letztere fühlten sich teils - auch aus Haftungsgründen - gemüßigt, bei jeder Ratenzahlungsvereinbarung anzufechten. Wo nun im Einzelfall die Grenze lag, war selbst für Gerichte äußerst schwierig zu beurteilen. Unter Verwaltern und Gläubigervertretern fielen mitunter Ausdrücke wie "Tontaubenschießen" oder "Münzewerfen", was gerade bei existenzbedrohenden Anfechtungen kaum vermittelbar ist. Bei Gericht wurde häufig der "50-50-Joker" vorgeschlagen, so der mehrfach gefallene O-Ton bei unterschiedlichen Gerichten.

Dieser unheilvollen Entwicklung ist nunmehr durch die gesetzgeberische Vermutungsregelung, die vom Insolvenzverwalter widerlegt und auch bewiesen werden muss, Einhalt geboten. Damit steht auch fest, dass den Insolvenzverwalter die Darlegungs- und Beweislast treffen.

Sowohl für Factoring- als auch Leasing-Unternehmen stellt dies eine Verbesserung dar und dürfte zur Erleichterung von Sanierungen der entsprechenden Schuldner führen. Beim Factoring kann dies Zahlungsvereinbarungen mit Debitoren wie auch Kunden betreffen, beim Leasing das Verhältnis zum Leasing-Nehmer.

Privilegierung von Bargeschäften

Neu eingeführt wird eine sogenannte "Unlauterbarkeit" mit § 142 Absatz 1 InsO: "Eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, ist nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Absatz 1 bis 3 gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte."

Hinzu kommt, dass der Schuldner bei Bargeschäften unlauter handeln und der Leistungsempfänger dies erkennen muss. Damit stellt sich nunmehr die Frage, was unter "unlauter" zu verstehen ist. In der Begründung des Regierungsentwurfs vom 29. September 2015 heißt es dazu: "Ein unlauteres Verhalten des Schuldners setzt mehr voraus als die Vornahme der Rechtshandlung in dem Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Unter den Bedingungen eines Bargeschäfts, bei dem der Abfluss des Leistungsgegenstandes aus dem schuldnerischen Vermögen zeitnah durch den Zufluss der Gegenleistung kompensiert wird, müssen hinreichend gewichtige Umstände hinzutreten, um in dem vollzogenen Austausch einen besonderen Unwert zu erkennen. Ein solcher ist für die Annahme eines unlauteren Handelns erforderlich."18)

Weiter heißt es im Regierungsentwurf: "Ein unlauteres Handeln liegt bei gezielter Benachteiligung von Gläubigern vor, wie sie etwa gegeben ist, wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankommt, durch die Befriedigung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen. Unlauter handelt ein Schuldner bei Kenntnis der eigenen Zahlungsunfähigkeit auch, wenn er Vermögen für Leistungen verschleudert, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen können, wie dies etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter der Fall ist.

Auch das Abstoßen von Betriebsvermögen, das zur Aufrechterhaltung des Betriebes unverzichtbar ist, kann unlauter sein, wenn der Schuldner den vereinnahmten Gegenwert seinen Gläubigern entziehen will. Solange der Schuldner allerdings Geschäfte führt, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind, fehlt es demgegenüber auch dann an der Unlauterkeit, wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsführung verlustträchtig ist."19)

Im Ergebnis ist also die positive Erkenntnis und Kenntnis des Anfechtungsgegners von einem "besonderen Unwert" erforderlich. Mithin sind demnach ganz erhebliche Hürden zu überwinden, die auf einen "Unrechtscharakter" im Handeln des Anfechtungsgegners - und nicht des Schuldners - und dessen Kenntnis abzielen müssen. Einzelfallbeispiele findet man in der Gesetzesbegründung. Es muss sich also um absolute Ausnahmefälle handeln.20)

Weiterer Auslegungsbedarf

Dabei ist bemerkenswert, dass der Gesetzgeber das BGH-Urteil vom 12. Februar 2015 21) im Rahmen der Begründung des Regierungsentwurfs vom 29. September 2015 ausdrücklich als durch die Gesetzesfassung überholt bezeichnet.22) Im sogenannten "Mühlen-Fall" sollte das Bargeschäftsprivileg nicht mehr gelten, wenn der Schuldner erkennt, dass die Fortführung des Unternehmens unrentabel ist, so dass sie für die Gläubiger auch auf längere Sicht ohne Nutzen ist. Dem Gläubiger wird also anfechtungsrechtlich nicht mehr das Sanierungsrisiko des Schuldners aufgebürdet. 23)

Unter dem Strich wird dies einen entsprechenden Auslegungsbedarf zur Folge haben.24) Gleichwohl wird dabei nicht bei null angefangen. Denn mit dem Merkmal der Unlauterbarkeit dürfte eine Wiederbelebung der Rechtsprechung des BGH zu § 31 Konkursordnung erfolgen, auch wenn es sich vorliegend nicht exakt um die gleiche Konstellation handelt.25) Dort bejahte der BGH eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners bei kongruenten Deckungsgeschäften nur dann, wenn ein unlauteres Zusammenwirken zwischen Schuldner und Gläubiger vorlag.26) Die Pikanterie liegt nun wiederum darin, dass der BGH eben dieses Merkmal im Jahre 2003 auf gegeben hat.27) Wohin die Rechtsprechung zur "Unlauterbarkeit" sich entwickelt, wird daher spannend.

Klar ist auch: Der Verwalter trägt die Darlegungs- und Beweislast für das unlautere Handeln des Anfechtungsgegners. Denn es handelt sich um einen Umstand, aus dem er für sich günstige Rechtsfolgen herleiten möchte. Er wird die Kenntnis des unlauteren Handelns des Anfechtungsgegners beweisen müssen.28)

Im Ergebnis dürfte es darauf hinauslaufen, dass die Anfechtung bei Bargeschäften in Zukunft nahezu ausgeschlossen und nur noch in absoluten Ausnahmefällen möglich ist.29) Gleiches gilt für den bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch.30)

Dies stellt sowohl für Factoringals auch Leasing-Gesellschaften eine Verbesserung dar. Beim Factoring betrifft dies vor allem den laufenden Forderungserwerb beim Factoring gegen vertragsgemäße Gutschrift des jeweiligen Forderungskaufpreises ("Forderung gegen Auszahlung").31) Bei Leasing umfasst dies namentlich die vertragsgemäße (monatliche) Zahlung der Leasing-Raten durch den Leasing-Nehmer bei Fälligkeit und gleichzeitiger Überlassung des Leasing-Gutes durch den Leasing-Geber.32)

Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs

Zukünftig schreibt § 142 Absatz 2 Satz 1 InsO Folgendes fest: "Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt ..."

Diese gesetzliche Klarstellung ist zu begrüßen. Sie entspricht der Rechtsprechung des BGH. Insoweit gibt es keine Änderungen gegenüber dem Status quo.

Zinsen erst ab Verzugseintritt

In § 143 Absatz 1 Satz 2 InsO wird zukünftig die Regelung zur Verzinsung festgehalten: "Eine Geldschuld ist nur zu verzinsen, wenn die Voraussetzungen des Schuldnerverzugs oder des § 291 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vorliegen; ein darüber hinausgehender Anspruch auf Herausgabe von Nutzungen eines erlangten Geldbetrages ist ausgeschlossen."

Diese Regelung ist erfreulich. Zinsen sind zukünftig erst bei Vorliegen der (allgemeinen) Verzugsvoraussetzungen zu zahlen. Dies stellt eine Änderung gegenüber dem Status quo dar, wonach ein Zinsanspruch ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens besteht.33) Die teils systematische Geltendmachung von Anfechtungsansprüchen durch Insolvenzverwalter kurz vor Verjährungsende, um möglichst hohe Zinsen "mitzunehmen", wird also zukünftig nicht mehr privilegiert. Insolvenzverwalter müssen genau so wie jeder andere den Gläubiger in Verzug setzen.

Zwangsvollstreckung unverändert

Der Erwähnung bedarf, dass es keine gesetzliche Neuregelung des § 131 InsO (inkongruente Deckung) zur Behandlung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gibt. Entfallen ist eine zunächst noch im Regierungsentwurf vom 16. Februar 2016 vorgesehene Regelung mit folgendem Wortlaut: "Eine Rechtshandlung wird nicht allein dadurch zu einer solchen nach Satz 1, dass die Sicherung oder Befriedigung durch Zwangsvollstreckung erwirkt oder zu deren Abwendung bewirkt worden ist."

Damit wird die Zwangsvollstreckung weiterhin als inkongruentes Deckungsgeschäft eingeordnet.34) Dies gilt auch bei Zahlung zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen35) und die Drohung mit einem Insolvenzantrag.36)

Dies stellt offensichtlich den Kompromiss für das gesamte Gesetzgebungsverfahren dar. Hintergrund dürfte die berechtigte Kritik daran sein, dass sich insbesondere Sozialversicherungsträger und Finanzämter selbst sehr kurzfristig Vollstreckungstitel zu verschaffen pflegen. Somit können diese Gläubiger im Rahmen einer Einzelvollstreckung schneller als die sonstigen Gläubiger agieren. In der Folge kann dadurch die potenzielle Insolvenzmasse zulasten der übrigen Gläubiger erheblich geschmälert werden. Gleichwohl ist dies im Hinblick auf "normale" Gläubiger, die sich teils über Jahre hinweg mit allen damit einhergehenden Kosten einen Titel verschaffen, insgesamt unbillig und auch praktisch nicht zu vermitteln.37)

Ergänzend sei darauf verwiesen, dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen grundsätzlich nicht der Vorsatzanfechtung unterliegen.38) Allerdings wird dieser Grundsatz von der Rechtsprechung durch diverse Ausnahmen ausgehöhlt, wenn Rechtshandlungen des Schuldners oder gegebenenfalls diesen gleichstehende Unterlassungen zum Erfolg der Vollstreckungsmaßnahmen beigetragen haben,39) bei gezieltem Auffüllen der Kasse in Erwartung des Vollstreckungsversuchs40) und Werthaltigmachen eines Pfandrechts.41) Dies führt in der Praxis mitunter zu der Marschroute "Vollstreckt gnadenlos!" 42) als Reaktion auf die Rechtsprechung des BGH. Ob diese unsinnige Konsequenz, die viele Sanierungen verhindert hat und weiterhin verhindern wird, "im Sinne des Erfinders" ist, sei mit einem Fragezeichen versehen. Fakt ist: Der Gesetzgeber hat nichts geändert, was äußerst bedauerlich ist.

Inkrafttreten und Würdigung

Zum Inkrafttreten besagt Artikel 103 Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung (EGInsO) in der nunmehr verabschiedeten Gesetzesfassung Folgendes:

"(1) Auf Insolvenzverfahren, die vor dem ... [einzusetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 4 dieses Gesetzes] eröffnet worden sind, sind vorbehaltlich des Absatzes 2 die bis dahin geltenden Vorschriften weiter anzuwenden.

(2) Im Rahmen einer Insolvenzanfechtung entstandene Ansprüche auf Zinsen oder die Herausgabe von Nutzungen unterliegen vor dem ... [einzusetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 4 dieses Gesetzes] den bis dahin geltenden Vorschriften. Für die Zeit ab dem ... [einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 4 dieses Gesetzes] ist auf diese Ansprüche § 143 Absatz 1 Satz 3 der Insolvenzordnung in der ab dem ...[einsetzen: Datum des Inkrafttretens nach Artikel 4 dieses Gesetzes] geltenden Fassung anzuwenden."

Artikel 4 dieses Gesetzes lautet: "Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft." Dies hat zur Konsequenz, dass Abgrenzungszeitpunkt für die Anwendbarkeit der neuen Regelungen die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt ist. Für die bis dahin eröffneten Verfahren gelten daher grundsätzlich die alten Regelungen, im Übrigen die neuen Regelungen. Anders ist dies bei Zinsen und Nutzungen: Dabei gibt es eine Abgrenzung per Stichtag des Entstehens des Insolvenzanfechtungsanspruchs.

Zusammenfassend ist die Reform des Insolvenzanfechtungsrechtes für Factoring- und Leasing-Unternehmen als positiv zu bewerten. Gleichwohl bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung mit dem Gesetz verfährt. Sie hat dabei selbstverständlich den Gesetzgeber und dessen Intentionen zu respektieren und dies auch umzusetzen.

1) In: "Deutschlands Zukunft gestalten" Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 18. Legislaturperiode, Überschrift "Rechtsrahmen", S. 25, Abs. 3 S. 2.

2) Vgl. Bork, ZIP 2014, 1905.

3) Abrufbar unter: www.bmjv.de

4) Ebenda.

5) BT-Drs. 18/7054.

6) BT-Drs. 18/11199.

7) Vgl. BGH, NZI 2009, 847; BGH, NZI 2009, 768; BGH, NZI 2012, 416.

8) BGH, NZI 2013, 140.

9) Ebenda.

10) BGH, BeckRS 2015, 07653.

11) BGH, BeckRS 2015, 11755.

12) BGH, BeckRS 2015, 17309.

13) BGH, NJW 2016, 1168.

14) BGH, NZI 2016, 254.

15) BGH, NJW-RR 2016, 939.

16) BGH, ZIP 2016, 1388.

17) BGH, NZI 2016, 837.

18) Regierungsentwurf vom 29.9.2015, dort auf S. 18 f. zu Nummer 3 4 (§ 142 InsO-E)

19) ebenda

20) Vgl. Hacker, NZI 2017, 148/150.

21) BGH, NZI 2015, 320.

22) Vgl. Regierungsentwurf vom 29.9.2015, dort in der Begründung zu Nummer 3 4 (§ 142 InsO-E) in Absatz 3.

23) Vgl. Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1, 1/9.

24) Vgl. Flaig, GWR 2016, 71/73; Ganter, WM 2015, 2117/2120; Thole, ZIP 2017, 401/407; Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1, 1/9.

25) Vgl. Hacker, NZI 2015, 873/876; Wimmer, jurisPR-InsR 1/2016 Anm. 1, 1/11.

26) Vgl. etwa BGH, NJW 1991, 2144; BGH, NJW 1993, 1640.

27) Vgl. BGH, NZI 2003, 597.

28) Vgl. nur Flaig, GWR 2016, 71/73.

29) Vgl. Ahrens ZRP 2016, 5/9; Flaig, GWR 2016, 71/13; Hacker, NZI 2015, 873/876; ders. NZI 2017, 148/150; Schmidt, ZInsO 2015, 2473/ 2476.

30) Vgl. Huber, ZInsO 2015, 2297/2300, der dies als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers bezeichnet.

31) Vgl. nur Achsnick/Krüger, Factoring in Krise und Insolvenz, 2. Auflage, 2011, Rz. 431.

32) Vgl. nur Krüger/Ehl, Leasing in Krise und Insolvenz, 2014, Rz. 323, 605 ff.

33) BGH, NZI 2007, 230.

34) Vgl. nur BGH, NZI 2006, 397.

35) Vgl. nur BAG, NZI 2014, 559.

36) Vgl. nur BAG, NZI 2013, 492 sowie NZI 2004, 201.

37) Vgl. Niesert, NZI 2014, 593.

38) Vgl. nur BGH, NZI 2014, 218.

39) BGH, NZI 2014, 218.

40) BGH, NZI 2011, 249.

41) BGH, NJW-RR 2014, 23.

42) Vgl. Jensen, NZI 2011, 798.

DER AUTOR: Dr. Stefan Krüger, Düsseldorf,ist Rechtsanwalt und Partner bei der Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind das Finanzierungs- und Insolvenzrecht. In finanzierungsrechtlichen Fragen berät er vor allem Factoring- und Leasing-Gesellschaften sowie Kreditversicherer.E-Mail: krueger[at]mkrg[dot]com
Dr. Stefan Krüger , Rechtsanwalt und Partner , Mütze Korsch Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf

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