Wachsende Herausforderung - zunehmendes Übernahmeinteresse

DIHK-Report Unternehmensnachfolge 2016

Dr. Marc Evers, Leiter Referat Mittelstand, Existenzgründung und Unternehmensnachfolge, Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V.

Quelle: DIHK

Mit dem Report zur Unternehmensnachfolge gibt der DIHK jährlich eine Einschätzung zur Nachfolgesituation im deutschen Mittelstand. Demnach stieg sowohl die Zahl der Alt-Unternehmer, die ihr Unternehmen abgeben möchten, als auch der Übernahmeinteressenten. Während die einen zu spät loslassen mit zu hohen Kaufpreisvorstellungen, unterschätzen potenzielle Neu-Unternehmer die Anforderungen. Die Finanzierung bleibt Dreh- und Angelpunkt. Der nächste Report wird Dezember 2017 vorgelegt. (Red.)

Die Industrie- und Handelskammern (IHKs) haben 6 483 Senior-Unternehmer beraten, 9 Prozent mehr als im Jahr zuvor und sogar 60 Prozent mehr als vor fünf Jahren. Ein Treiber ist die demografische Entwicklung. Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmer erreichen das Ruhestandsalter. Zudem geht die zunehmend selbstbewusste Generation Y oft eigene Wege - ein Familienautomatismus zur Übernahme des Unternehmens durch Tochter oder Sohn ist immer seltener anzutreffen. In der

Folge begeben sich immer mehr Unternehmer auch außerhalb der Familie auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger.

Zugleich ist die Zahl der Übernahmeinteressenten gestiegen - mit fast 20 Prozent sogar noch stärker als die Zahl der Senior-Unternehmer. 5 013 Personen, die sich eine Betriebsnachfolge vorstellen können, waren bei ihrer IHK vorstellig. Damit hat sich bundesweit der seit drei Jahren bestehende Unterhang an potenziellen Nachfolgern etwas verringert. (siehe Abbildung 1, Seite 216). Der Frauenanteil unter den Nachfolgeinteressenten stieg von 15 auf 22 Prozent.

Nach Regionen verzeichnen die IHKs insbesondere im Osten mehr Alt-Inhaber auf Nachfolgersuche, dies waren 23 Prozent mehr als im Vorjahr. Viele derjenigen, die während der Wendezeit in den Neuen Bundesländern ein Unternehmen gegründet haben, wollen nun aus Altersgründen aussteigen (Abbildung 2, Seite 217).

Rund 44 Prozent der Alt-Inhaber fordern einen gemessen am Marktumfeld zu hohen Kaufpreis. Unternehmer kalkulieren oftmals die Mühen für ihr Lebenswerk in den Kaufpreis ein, während Übernehmer eher nüchtern auf das Marktpotenzial der Unternehmen blicken. Oftmals beobachten IHKs einen Investitionsstau bei Unternehmen auf Nachfolgersuche, was sich gerade im Zeitalter der Digitalisierung und immer schnellerer Innovationszyklen wertmindernd auf das Unternehmen auswirken kann.

Knackpunkt Kaufpreis

Zudem ist die Unternehmensnachfolge nicht nur emotional aufgeladen, sondern auch eine steuerlich und rechtlich komplizierte Materie. Vor der Reform der Erbschaftsteuer sahen gut ein Fünftel der Übergeber in der Erbschaftsteuer eine Belastung. Unter den potenziellen Übernehmern waren es 17 Prozent. Viele Unternehmer schieben die anstehende Aufgabe einer Übergabe eher auf die lange Bank. Auf eine Nachfolge sind 43 Prozent nach IHK-Erfahrungen nicht rechtzeitig vorbereitet. Ein Drittel der Unternehmer wartet mit dem Verkauf in der Hoffnung, die Altersvorsorge aufstocken zu können - und setzt sich so zusätzlich unter zeitlichen Druck. Bereits drei bis zehn Jahre vor einer geplanten Übergabe sollte der Alt-Inhaber sein Unternehmen auf den Chefwechsel vorbereiten, empfiehlt der DIHK (Abbildung 3, Seite 217).

Nicht optimal vorbereitet waren 72 Prozent der Unternehmer, denen für eine reibungslose Übergabe schlichtweg die notwendigen Dokumente fehlten. Bei 37 Prozent steht die starke emotionale Bindung der nüchternen Betrachtung des Unternehmenspotenzials, des Investitionsbedarfs, der am Markt erzielbaren Preise für Produkte und Dienstleistungen, sprich der Unternehmenswert, entgegen. Als Folge ist der Anteil derjenigen Alt-Inhaber, die keinen passenden Nachfolger finden, wieder etwas gestiegen - von 43 auf 45 Prozent.

Hürde der Finanzierung

Auf Seite der Übernahmeinteressenten unterschätzen 40 Prozent die Anforderungen an die Übernahme eines bestehenden Betriebes. Die Finanzierung der Übernahme bleibt dabei Dreh- und Angelpunkt. 43 Prozent berichten von Finanzierungsschwierigkeiten, trotz des günstigen Umfeldes mit niedrigen Zinsen und guten Konditionen für Fremdkapital. Die zu stemmenden Volumina stellen für die Übernahmeinteressenten oftmals eine große Herausforderung und ein hohes Risiko dar. Hinzu kommt, dass viele Übernahmeinteressenten sich in einem Alter befinden, in dem sie gerade große private Investitionen getätigt haben wie zum Beispiel den Bau oder Kauf eines Hauses.

In der Industrie, Heimatbranche vieler mittelständischer "Hidden Champions", kommen im Schnitt fünf Alt-Inhaber auf einen Übernahmeinteressenten. Im Handel, in der Gastronomie und im Verkehr zählen die IHKs doppelt so viele Senior-Unternehmer wie potenzielle Übernehmer. Im Kreditgewerbe stellt sich die Alt-Inhaber/Nachfolger-Relation zwar auf den ersten Blick günstig da. Doch auch für diese Branche berichten die IHKs von Problemen bei der Nachfolgersuche. Die zunehmende Regulierungsdichte senkt die Ertragserwartungen dieser Branche und erschwert damit die Fortführung bestehender Geschäftsmodelle. Zudem sind die Geschäftsmodelle auch vieler kleiner oder mittelgroßer Finanzunternehmen häufig vertrauensbasiert, personenbezogen und damit eng mit dem Alt-Inhaber verknüpft.

Basierend auf der Praxiserfahrung der IHKs von jährlich mehr als 21 000 Gesprächen und Kontakten mit Senior-Unternehmern und Nachfolgeinteressenten sieht der DIHK diverse Ansatzpunkte, die insbesondere Unternehmensnachfolgen erleichtern könnten.

DIHK-Empfehlungen an die Politik

Mit der Einigung bei der Erbschaftsteuer wird die Übergabe an die nächste Generation für viele Unternehmen teurer. Vor der Reform sahen gut ein Fünftel der Übergeber in der Erbschaftsteuer eine Belastung. Es steht zu hoffen, dass dieser Anteil nach der Reform nicht steigt. Mit der Reform haben Familienunternehmen jetzt Rechtsicherheit - nicht zuletzt bei Investitionen, Einstellungen und bei der Unternehmensnachfolge. Auch ist das vorgesehene Verfahren zur Unternehmensbewertung jetzt realistischer als zuvor diskutiert. Die steuerliche Entlastung des Mittelstands und der Familienunternehmen bleibt allerdings auf der Tagesordnung.

Das günstige Finanzierungsumfeld erleichtert es Nachfolgern derzeit, den Kaufpreis zu finanzieren. Doch mit den steigenden regulatorischen Anforderungen an die Eigenkapital- und Liquiditätsausstattung (Basel III) ist es in den vergangenen Jahren für Kreditinstitute schwerer geworden, Darlehen zu gewähren. Bei der Bankenmarktregulierung sollte daher die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben, derzeit unter dem Stichwort "Proportionalität" diskutiert. Das sichert die besondere Fähigkeit von kleineren Instituten bei der Kreditwürdigkeitsprüfung und somit die Finanzierung des Mittelstands. Dazu zählen Erleichterungen bei der Sanierungs- und Abwicklungsplanung sowie Vergütungsregeln für kleinere Institute. Ein Ärgernis für sie sind dagegen die drohenden kostspieligen Dopplungen sowie Widersprüche bei den Melde- und Informationspflichten oder detaillierte Vorgaben zur Zusammensetzung von Aufsichts- beziehungsweise Verwaltungsräten.

Bei der Finanzierung der Nachfolge mit Beteiligungskapital sehen die IHKs Verbesserungen. Auch darin spiegelt sich das derzeitige Finanzierungsumfeld wieder: Das niedrige Zinsniveau lässt Investitionen in festverzinsliche Anlagen derzeit wenig attraktiv erscheinen. Daher suchen Investoren verstärkt nach attraktiven Unternehmensinvestments. Doch für die Zeit wieder steigender Zinsen sollte die Politik Vorkehrungen treffen. Zuletzt hat die Politik gemeinsam mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau das Angebot an staatlichem Beteiligungskapital ausgeweitet. Nun sollte die Politik steuerliche Hürden für private Investoren senken, um der Beteiligungskapitalfinanzierung in Deutschland mehr Schub zu verleihen.

Das Gesetz zur Neuregelung der Mantelkauf-Regelung mit der Erleichterung von Verlustvorträgen im neuen § 8d KStG ist dazu ein wichtiger Schritt. Er sollte allerdings praxistauglich nachjustiert werden. So muss der Geschäftsbetrieb der Kapitalgesellschaft in den vorangegangenen drei Jahren unverändert fortgeführt werden. Weiterhin darf die Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb nicht einstellen, ruhend stellen oder einen zusätzlichen Geschäftsbetrieb aufnehmen. Doch gerade Unternehmensnachfolgen offenbaren oft die Notwendigkeit, betriebswirtschaftlich umzusteuern, Geschäftsmodelle zu ändern oder neu zu entwickeln.

Geringes Gründungsinteresse

Dass die Politik in Deutschland Unternehmertum und Gründungsvorhaben stärker fördern sollte, belegt zudem der DIHK-Gründerreport 2017. Demnach lässt das Gründungsinteresse in Deutschland weiter nach. Erstmals lag die Zahl der IHK-Gespräche mit Gründerinnen und Gründern im Jahr 2016 unter 200 000. Gegenüber dem Vorjahr verzeichnen die IHKs ein Minus von rund 7 Prozent auf 191 940. Dies ist der sechste Rückgang in Folge, immerhin hat sich die Talfahrt ein wenig abgebremst.

Der internationale Vergleich weist auf ein seit Jahren vergleichsweise geringes Gründungsinteresse in Deutschland hin. Hierzulande kommen 4,4 Gründer auf 1 000 Erwerbsfähige. In Großbritannien liegt dieser Wert mit 8,3 fast doppelt so hoch, in Israel sind es sogar 11,6 Gründer.1)

Neben einem Bürokratieabbau fordert der DIHK den Ausbau der digitalen Infrastruktur mit einer flächendeckenden Glasfaser- und modernen Mobilfunk-Infrastruktur. Zudem sollten die Finanzierungsbedingungen verbessert werden, um Unternehmertum in Deutschland stärker zu fördern.

1) Vgl. dazu ausführlich: Deutscher Industrie- und Handelskammertag e. V. (Mai 2017): "Talfahrt mit Lichtblicken - DIHK-Gründerreport 2017", abrufbar unter www.dihk.de/themenfelder/gruendung-foerderung/unternehmensgruendung

DER AUTOR: Dr. Marc Evers, Berlin, leitet das Referat Mittelstand, Existenzgründung und Unternehmensnachfolge beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag e. V. (DIHK). Seit April 2014 ist er Vorsitzender des Fachbeirats Gründung des RKW-Kompetenzzentrums und Mitglied in mehreren Beiräten. Zudem engagiert sich Evers im Lenkungskreis der Unternehmensbörse Nexxt-Change. E-Mail: Evers.Marc[at]dihk[dot]de

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