Bilfinger & Berger hat ausgebaut

Drei traditionsreiche Baugesellschaften bilden die historischen Wurzeln der Bilfinger SE: die Grün & Bilfinger AG, die Julius Berger Tiefbau AG und die Berlinische Boden-Gesellschaft. Im Jahr 1880 realisierte der Baumeister August Bernatz im damals deutschen Lothringen sein erstes größeres Projekt. 1883 ließ er sich in Mannheim nieder, aus seinem Unternehmen ging die Grün & Bilfinger AG hervor. Die Julius Berger Tiefbau AG und die Berlinische Boden-Gesellschaft wurden jeweils im Jahr 1890 gegründet.

Das ist Geschichte. Denn spätestens seit Ende 2014 hat der 135 Jahre alte Mannheimer Konzern im wahrsten Sinne des Wortes ausgebaut. Wesentliche Teile des Tiefbaugeschäfts, das mit rund 1900 Mitarbeitern und Niederlassungen in ganz Europa rund 600 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet, wird für 230 Millionen Euro an den Schweizer Branchenführer Implenia verkauft. Damit zählt von den drei Gründungsstandbeinen lediglich noch der Hochbau als Teil der Immobiliensparte zum Geschäftsmodell. Der jetzt vollzogene Verkauf des Ingenieurbaugeschäfts in Deutschland und Europa wurde schon im Mai angekündigt und bedarf noch der Zustimmung deutscher und ausländischer Kartellbehörden. Mit einem Abschluss wird im Frühjahr 2015 gerechnet.

Der Schritt ist trotz aller Nostalgie ("Der Abschied vom langjährigen Traditionsgeschäft ist uns nicht leichtgefallen.") nur konsequent, wenn man die bereits Anfang dieses Jahrtausends eingeleitete strategische Neuausrichtung im Blick hat. Seit 2001 wurden die Aktivitäten im Baubereich zielgerichtet und stetig reduziert.

Gleichzeitig wurde eine Reihe leistungsfähiger Unternehmen in den Bereichen Industrie-, Kraftwerksund Immobilienservice erworben. Bilfinger will sich nun noch stärker auf Dienstleistungen rund ums Bauen, etwa das Gebäudemanagement und die Modernisierung und Wartung von ganzen Industrieanlagen und Kraftwerken, ausrichten. Schon vor dem Verkauf der Tiefbausparte machte das Baugeschäft nur noch 15 Prozent der Gesamtleistung des Konzerns aus.

Analysten begrüßen die Neuausrichtung. Das Düsseldorfer Bankhaus Lampe hat die Bilfinger-Papiere von "Halten" auf "Kaufen" hochgestuft, das Kursziel aber von 56 auf 53 Euro gesenkt. Der Verkauf der Bausparte in die Schweiz sei die erste gute Nachricht seit dem Fiasko der vier Gewinnwarnungen im Jahr 2014, heißt es zur Begründung von den Analysten.

Aus dem Verkauf dürfte Bilfinger im ersten Quartal zwischen 55 und 60 Millionen Euro Cash erhalten, da der Nettoverkaufserlös noch mit internen Darlehen verrechnet worden ist.

Für den Mannheimer Konzern klingt das nach einem Schlussstrich unter ein wahrlich verkorkstes Jahr 2014, das im Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Roland Koch gipfelte. Red.

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