Leistbarkeit von Wohneigentum: Resignation macht sich breit

Philipp Hafner, Quelle: Verlag Helmut Richardi

"Warten auf Godot" ist zu einem Synonym für langes und aussichtsloses Warten geworden. Die Inspiration für das Theaterstück soll Samuel Beckett angeblich bei einer Tourde-France-Etappe gekommen sein: Als alle Rennfahrer vorbei waren, habe er gehen wollen, aber gesehen, dass einige Zuschauer noch blieben - vergeblich versteht sich. Wäre der Literaturnobelpreisträger heute noch unter uns, so würde ihn vermutlich das Schicksal von Mietern mit langgehegtem Wohneigentumswunsch zu diesem Klassiker des absurden Theaters inspirieren: Seit Jahren, teils Jahrzehnten, warten viele von denen nämlich auf einen halbwegs günstigen Moment, um den Sprung in die eigenen vier Wände zu wagen. Doch die Preise steigen einfach gnadenlos immer weiter an, daran können scheinbar weder Corona, horrende Baukosten noch die jüngst steigenden Zinsen etwas ändern.

Laut aktuellen Zahlen von Interhyp hat die Preissteigerungsdynamik nach zwei Jahren mit einem Plus von jeweils über 10 Prozent im zweiten Quartal 2022 sogar noch einmal an Fahrt aufgenommen. Und so liegen die durchschnittlichen Kosten für den Bau oder Kauf einer Immobilie inklusive Nebenkosten inzwischen bei unglaublichen 540 000 Euro - ein Anstieg von 14 Prozent binnen Jahresfrist. Entsprechend resigniert muten viele der im Rahmen einer neuen, repräsentativen Interhyp-Studie zur Leistbarkeit von Wohneigentum gesammelten Statements von Wohneigentumsinteressierten an: Der Markt wird wahlweise als "entgleist", "überhitzt", "aus den Fugen geraten" oder "nur noch etwas für Millionäre" umschrieben. Im anschließenden quantitativen Teil wird dieser Eindruck weitgehend bestätigt: Für 65 Prozent der Befragten wirken die Immobilienpreise inzwischen abschreckend, 44 Prozent bezeichnen die Preise als abgekoppelt vom wahren Wert der Substanz und 77 Prozent glauben, dass es in Deutschland eine Immobilienblase gibt. Die Zinspolitik der EZB ist dabei in Augen von 58 Prozent der Hauptpreistreiber.

Klingt also ganz so, als würde in Deutschland gerade die nächste, allerdings noch größere "Generation Miete" heranwachsen. Dennoch warnt Interhyp-Chef Jörg Utecht vor voreiliger Schwarzmalerei: "So abschreckend der Markt momentan auch wirkt - jede Baufinanzierung ist hochgradig individuell." Tatsächlich legen die Umfrageergebnisse den Schluss nahe, dass viele Kaufinteressenten ihre Einschätzung darüber, was sie sich wohneigentumstechnisch leisten können und was nicht, eher auf Vermutungen denn auf detaillierten Kalkulationen stützen. So wissen knapp zwei Drittel der Befragten nicht, wie hoch die Finanzierungskosten für sie wären, nur vier von zehn Befragten haben die Kreditkosten tatsächlich berechnet. Vor diesem Hintergrund rät Utecht Interessenten, sich nicht entmutigen zu lassen und ihre Immobilienwünsche einmal präzise durchzurechnen.

Verbesserungspotenzial scheint darüber hinaus bei den Faktoren Disziplin und Ausdauer zu bestehen. Denn naturgemäß impliziert die Erfüllung des Wohneigentumswunsches für die allermeisten eben immer auch, sich an anderer Stelle zu beschränken, etwa bei Urlauben oder Restaurantbesuchen. Die von Interhyp Befragten wollen diese Opfer aber leider nur bedingt bringen. So sind 46 Prozent nicht bereit, für den Immobilienkauf die Lebensqualität einzuschränken. 51 Prozent wollen zudem "nicht zu lange" einen Kredit abstottern. Wie heißt es schon so schön beim römischen Philosophen Lukrez: "Von nichts kommt nichts." ph

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