Risikomanagement

Green Due Diligence - Nachhaltigkeit im Fokus

Daniela Merkenich, Projektleiterin Nachhaltiges Bauen, ifes GmbH, Köln

Auch bei der Bewertung von Bestandsimmobilien rückt der Aspekt der Nachhaltigkeit immer stärker in den Fokus. Diverse Faktoren zeichnen für diesen Trend verantwortlich: Neben geringeren Betriebskosten und Marketingvorteilen sind gerade auch der Gesetzgeber und die Immobilienfinanzierer wichtige Treiber. Eine Green-Due-Diligence-Prüfung bietet an dieser Stelle die Möglichkeit, das Nachhaltigkeitspotenzial eines Gebäudes detailliert zu analysieren. Die Autorin erklärt im folgenden Beitrag, worauf es dabei zu achten gilt. Wer beispielsweise eine Zertifizierung anstrebt, sollte sich ihr zufolge möglichst früh auf die dafür relevanten Kriterien fokussieren und den Nachbesserungsbedarf entsprechend eruieren. Darüber hinaus sei das Hinzuziehen eines erfahrenen Experten grundsätzlich zu empfehlen. Red.

Eine als Due Diligence bezeichnete Ankaufsprüfung ist heutzutage bei Immobilientransaktionen Standard. Je nach Interesse beziehungsweise Bedarf des Auftraggebers werden verschiedene Aspekte aus den drei Teilbereichen Technik, Recht oder Steuerrecht betrachtet. In den vergangenen Jahren hat sich zudem ein vierter Themenkomplex herausgebildet: die sogenannte Green Due Diligence. Dabei wird ein Gebäude ganzheitlich im Sinne der Nachhaltigkeit bewertet. Da sich das nachhaltige Bauen und Planen im Neubau zunehmend etabliert, gewinnt das Thema auch für Bestandsimmobilien an Bedeutung. Immer mehr Gebäude werden in allen Phasen ihres Lebenszyklus nach Kriterien der Nachhaltigkeit geprüft.

Insbesondere die steigende Kunden- und Marktnachfrage gilt dem "Smart Market Report" von McGraw-Hill Construction zufolge als Grund für diese Entwicklung. Demnach hat sich zwischen 2012 und 2015 die Zahl der entsprechenden Gebäude unter den Gewerbeimmobilien fast verdoppelt, und zwar auf einen Anteil von mehr als 60 Prozent nachhaltigen Planens und Bauens an allen neu errichteten Immobilien in diesem Segment. Auf Platz zwei und drei der Gründe für eine Nachhaltigkeitsbewertung werden für den Neubaubereich Marketingvorteile und geringere Betriebskosten genannt.

Erfahrene Experten hinzuziehen

Letztere sind für Bestandsimmobilien ebenfalls ein wichtiger Faktor, nicht nur bei einer Transaktion, sondern auch bei der Bewertung eines bestehenden Portfolios. Anhand einer Green Due Diligence kann eine entsprechende Einschätzung erfolgen, die dann eine fundierte Entscheidungsgrundlage für Investoren, Bauherren, Käufer oder Verkäufer bildet. Wird zum Beispiel im Anschluss eine Nachhaltigkeitszertifizierung angestrebt, gibt eine Green Due Diligence Auskunft darüber, welcher Nachbesserungsbedarf besteht, wie aufwendig das Erfüllen der Kriterien eines bestimmten Zertifikats wäre und mit welchen Kosten zu rechnen ist.

Wie bei einer Technical Due Diligence sollten für eine Green Due Diligence erfahrene Experten beauftragt werden. Eine spezielle Aus- oder Fortbildung für Prüfer gibt es nicht, weshalb Erfahrungswissen in diesem Bereich besonders wichtig ist. Dabei müssen die Durchführenden sich nicht nur mit technischen Aspekten, sondern auch mit weichen Faktoren wie Nutzeranforderungen und Wohlbefinden auskennen. Grundsätzlich gibt es jedoch keinen festgelegten Kriterienkatalog. Stattdessen werden immer kunden- und gebäudespezifische Merkmale betrachtet, die unmittelbar von der Intention des Auftraggebers abhängen. Deshalb müssen nicht bei jedem Projekt alle Aspekte in die Green Due Diligence einbezogen werden. Die jeweils geprüften Faktoren beziehen sich stets auf das konkrete Ziel, ob das eine bestimmte Zertifizierung, eine Kostensenkung im Betrieb oder portfoliospezifische Nachhaltigkeitskriterien sind.

Prüfung abhängig von der Zielsetzung

So werden beispielsweise die Betriebskosten geprüft, der Energieverbrauch aufgeschlüsselt und Einsparpotenziale ermittelt, wenn das Ziel eine Senkung des Energiebedarfs in der Betriebsphase ist. Der Wasserverbrauch kann ebenfalls eine Rolle spielen, sowohl zur Kostensenkung als auch, um das Nachhaltigkeitsprofil einer Immobilie zu ermitteln. Die Qualität und Quantität des Tageslichteinfalls, der akustische Komfort sowie die Luftqualität und thermischer Komfort im Inneren können entscheidende Aspekte für zukünftige Mieter in Bezug auf deren Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit sowie auf laufende Betriebskosten sein.

Dazu gehört nicht nur die Frage, wie stark sich das Gebäude im Sommer aufheizt beziehungsweise im Winter abkühlt und wie gut es heiz- und klimatisierbar ist, sondern auch Möglichkeiten zur Steuerung des Luftaustauschs und mögliche Zugerscheinungen. Viele Unternehmen haben zudem ein hohes Interesse an einer guten Verkehrsanbindung für ihre Mitarbeiter und Kunden sowie an einer barrierefreien Erreichbarkeit des Gebäudes. Immer mehr Privatunternehmen verpflichten sich außerdem im Rahmen ihrer Corporate Identity zu nachhaltigen Immobilien, ob in der Nutzung oder als Bestandteil ihres Anlageportfolios, und wollen deshalb vor der Unterschrift des Kauf- oder Mietvertrags bestätigt haben, dass das Gebäude den dafür notwendigen Kriterien entspricht.

All diese Ansätze können in eine Green Due Diligence in unterschiedlichem Maß einfließen. Dementsprechend sind verschiedene Green-Due-Diligence-Prüfungen mit unterschiedlichen Ansätzen nicht untereinander vergleichbar. Allerdings kann ein Auftraggeber mehrere Gebäude oder sein komplettes Bestandsportfolio anhand der gleichen, zuvor mit den Experten festgelegten Kriterien prüfen lassen und somit eine Bewertung mit vergleichbaren Benchmarks erhalten.

Vorab-Check für Zertifizierung

Wenn eine Nachhaltigkeitsauszeichnung angestrebt wird, ist der Fokus allerdings klar: Dann geht es darum, die entsprechenden Kriterien zu prüfen und den Nachbesserungsbedarf zu eruieren. Insofern kann eine Green Due Diligence als Vorab-Check für eines der weltweit rund 20 gebräuchlichen Zertifizierungssysteme genutzt werden. Beim ganzheitlichen DGNB-System der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.) wird in insgesamt sechs Themenfeldern der gesamte Lebenszyklus des Gebäudes betrachtet: Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Technik, Prozesse sowie Standort.

Das BREEAM-Zertifikat (Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology) der britischen BRE Group hingegen gliedert sich in insgesamt zehn Kategorien: Management, Gesundheit und Wohlbefinden, Energie, Transport, Wasser, Mineralien, Müll, Flächennutzung und Ökologie, Umweltverschmutzung sowie Innovation. Das international weit verbreitete LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) aus den USA untersucht die acht Bereiche Standort und Transport, nachhaltige Baustelle, Wassereffizienz, Energie und Erdatmosphäre, Material und Ressourcen, Innenraum-Qualitäten, Innovation sowie regionale Prioritäten.

Systeme mit unterschiedlichen Definitionen

Idealerweise wird bereits im Rahmen der Green-Due-Diligence-Prüfung die Entscheidung getroffen, welche Auszeichnung angestrebt werden soll. So kann der Prüfer die Kriterien der jeweiligen Zertifizierungsorganisation mit dem Ist-Zustand abgleichen und den genauen Handlungsbedarf ermitteln. Denn nicht jedes System geht von derselben Definition von "Nachhaltigkeit" aus. Zudem werden unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt, und selbst in Punkten, in denen verschiedene Zertifikate denselben Aspekt bewerten, kann sich die Gewichtung in der Endbewertung unterscheiden. Die Nutzungsart und das Gebäudealter wirken sich ebenfalls darauf aus, welche Kriterien zur Bewertung herangezogen werden.

Das ist ein weiterer Grund, warum gerade bei der Green Due Diligence die Erfahrung des Prüfers ausschlaggebend ist. Er sollte die unterschiedlichen Kriterien kennen und den Auftraggeber sachkundig beraten können, welches Zertifikat seinen Interessen am besten entspricht. Die Intention einer Due Diligence muss in jedem Einzelfall klargestellt und die zu untersuchenden Kriterien festgelegt werden. Dabei kann jeder Bereich der gesamten Prüfung einzeln stehen, aber sie greifen auch ineinander, sodass Experten aus unterschiedlichen Bereichen vom spezifischen Know-how ihrer Kollegen profitieren können. Beispielsweise stellen die Informationen der technischen Analyse eine Basis für die Nachhaltigkeitsbewertung dar.

Enge Verzahnung mit technischem Bereich ratsam

Andere Ergebnisse werden als Grundlage für nahezu alle Due-Diligence-Bereiche benötigt. Selten stehen für Bestandsgebäude aktuelle Pläne zur Verfügung. Die vorhandenen Baupläne wurden oftmals nur für die Baugenehmigung erstellt, anschließend jedoch nicht eins zu eins umgesetzt und nachträgliche Um- und Anbauten, Sanierungsmaßnahmen oder andere bauliche Veränderungen, die über Jahre hinweg stattgefunden haben, wurden in den Plänen nicht entsprechend dokumentiert. Ein erster Schritt ist in diesen Fällen immer die Begehung des Gebäudes und dessen Bestandsaufnahme, um den tatsächlichen Zustand des Gebäudes abzubilden. Diese Unterlagen wiederum stehen sowohl für die Green als auch für die technische Due Diligence zur Verfügung und können auch Teil der rechtlichen Einschätzung werden.

Der technische Bereich ist allerdings derjenige, der mit der Green Due Diligence am engsten verzahnt ist. Arbeiten diese beiden Bereiche zusammen, entstehen selbstverständlich Synergien. Deshalb ist es häufig ratsam, Technical und Green Due Diligence aus einer Hand zu bekommen. Bei einem gut eingespielten, erfahrenen Team kann die Green Due Diligence im Idealfall im Rahmen einer Technical Due Diligence von zwei Arbeitstagen pro Gebäude erstellt werden und stellt demnach einen überschaubaren Kostenaufwand für den Auftraggeber dar.

Ein Blick in die Blackbox

Bei der Green Due Diligence geht es zusammenfassend darum, das Gebäude und dessen Potenziale in Bezug auf seine Nachhaltigkeit zu analysieren. Dafür gibt es ideelle, aber vor allem handfeste wirtschaftliche Gründe, von denen einige bereits genannt wurden: Neben Aspekten von Käufer- und Mietermarketing sind das die möglichen Ersparnisse bei den Betriebskosten durch effizientere Ressourcennutzung und Bewirtschaftung des Gebäudes. Eine Wertsteigerung durch Nachhaltigkeitszertifikate kann bislang zwar nicht definitiv belegt oder gar beziffert werden, erweitert aber den Kreis potenzieller Käufer, weil immer mehr Unternehmen entsprechende Selbstverpflichtungen eingehen und die Marktnachfrage entsprechend steigern.

Und schließlich ist geprüfte Nachhaltigkeit eine Investition in die Zukunft: Gesetzgebung und Nachfrage werden sich voraussichtlich weiter in Richtung höherer Anforderungen an die Nachhaltigkeit von Immobilien entwickeln. Angesichts dessen werden auch Banken vermehrt eine Green Due Diligence nachfragen, bevor sie Finanzierungszusagen machen, und dadurch die Etablierung eines Standards weiter vorantreiben. Letzten Endes bietet die Green Due Diligence das, was jede Due Diligence bieten sollte: einen Blick in die Blackbox Immobilie, um aktuelle und zukünftige Risiken rechtzeitig zu ermitteln.

Die Autorin Daniela Merkenich, Projektleiterin Nachhaltiges Bauen, ifes GmbH, Köln
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