Markt- und Objektbewertung

Immobilienbewertung in Zeiten des technologischen Wandels

Viktor Weber, Gründer und Direktor, Future Real Estate Institut, Regensburg

Quelle: privat

Die normierten Ermittlungsverfahren zum Zwecke der Marktbewertung sind stetigen Änderungen unterworfen. Jedoch weicht häufig die individuelle Investment-Bewertung durch nationale sowie internationale Marktakteure von der gesetzlich normierten Bewertung ab. Aber gleich, welche Faktoren man auch heranzieht - die Fehlerhaftigkeit der Ergebnisse nimmt nach Ansicht der Autoren aufgrund der zunehmenden Komplexität am Markt zu. Dazu komme auf dem deutschen Markt noch die Intransparenz der Immobilienbranche. Das Potenzial für Verbesserungen sei sehr hoch. Das Future Real Estate Institute hat daher ein eigenes Modell entwickelt, welches die digitale Transformation als einen kontinuierlichen Lernprozess betrachtet. Nicht Insellösungen seien die Zukunft, sondern eher ein holistischer Ansatz. Red.

In der beratenden Zusammenarbeit mit diversen Immobilienkonzernen wurde in der Vergangenheit immer wieder die Frage gestellt, wie sich zum Beispiel künstliche Intelligenz oder die Blockchain-Technologie auf das Teilgebiet der Immobilienbewertung auswirken könnten.

Dieser Artikel wird der Thematik in sachlogischen Schritten auf den Grund gehen. Dabei werden staatliche Wertermittlungsvorschriften, sowie unternehmensindividuelle Bewertungsmodelle und Wertänderungsprognosen adressiert. Die geläufigen internationalen Bewertungsmodelle (prominentester Vertreter das Discounted-Cashflow-Model), aber auch die deutschen normierten Wertermittlungsverfahren zum Zwecke der Marktbewertung (Dreiklang aus Ertrags-, Sach- und Vergleichswertverfahren), haben sich nicht mit der Zeit weiterentwickelt. Beispielhaft sind hierfür die langsamen Novellierungen der 1961 in Kraft getretenen Wertermittlungsverordnung, welche in die nun gleichsam wenig digitale Immobilienwertermittlungsverordnung gemündet hat.

Mit Excel nur unzureichend gewappnet

Die individuelle Investmentbewertung durch nationale sowie internationale Marktakteure weicht natürlich von der gesetzlich normierten Bewertung im Sinne des BewG ab. Jedoch sind die hierbei verwandten Tools wie beispielsweise Excel nur unzureichend für moderne Massendatenanalysen gewappnet, obgleich aktuell an Erweiterungen und Lösungen gearbeitet wird. De facto werden also relativ homogene Kennzahlen, in teilweise nur marginal divergierenden Modellen, gerechnet, welche allesamt nur einen Teilausschnitt der Marktdynamik abbilden können und oftmals eine Scheingenauigkeit in der Immobilienbewertung suggerieren.

Aufgrund der starken Intransparenz im deutschen Immobilienmarkt, gerade im Hinblick auf Transaktionsdaten, ist es darüber hinaus schwierig, entsprechend detaillierte (granulare) Datensätze zu generieren und zu verarbeiten. So kommt es in der Realität häufig vor, dass relevante Modellparameter, wie zum Beispiel Mietausfallwagnis oder Wertsteigerungspotenziale auf subjektiven Erfahrungswerten und keinen quantitativ begründbaren Vorhersagen beruhen. Der angloamerikanische Raum ist uns hier weit voraus (beispielsweise IPD Marktdaten), weshalb maschinelles Lernen und Big Data Analytics dort erste Auswirkungen auf die Bewertung haben. Auch in Deutschland gibt es Immobilienindices, deren Datenbasis aber immer noch als unzulänglich bezeichnet werden muss (Größe der Stichprobe, Aktualität und Erhebungsmethoden).

BIM von Unternehmen zu lange vernachlässigt

Das Thema Building Information Modelling ist nicht neu, sondern wurde viel zu lange einfach nicht umgesetzt und sinnhaft von Unternehmen aufgegriffen. Die eigentliche Innovationskraft liegt in der Anwendung und Datenweiterverarbeitung. So wäre es zwingend erforderlich, dass sämtliche Daten entlang der Planung, Projektierung, dem Betrieb sowie Rückbau einer Immobilie, bestenfalls in Echtzeit, auch in BIM aggregiert werden würden. In Zukunft könnte so die persönliche Begehung eines Objekts innerhalb eines Transaktionsprozesses digital erfolgen, wobei die virtuelle Besichtigung mit relevanten Daten und Kennzahlen angereichert werden sollte.

Für eine Bewertung relevanter Informationen könnten so in einer virtuellen Realität, die auf dem eigenen BIM-Modell aufsetzt, visualisiert werden und den Entscheidungsprozess (im gewerblichen Transaktionsprozess) beschleunigen.

Grundsätzlich gilt, dass sich sämtliche Technologien in ihrer Entwicklung begünstigen, diese jedoch unterschiedlich auf die Immobilienbewertung wirken. Blockchains können vertrauliche Daten mit größerer Sicherheit abspeichern, haben aber keinen direkten Einfluss, solange sie nicht dazu genutzt werden, gespeicherte Informationen verfügbar zu machen. Auch existieren drastische Unterschiede hinsichtlich deren Modellierung, sei diese nun offen oder geschlossen, sprich durch eine Entität kontrolliert. Deshalb wird das Thema "Blockchain" aus dem Kontext der Immobilienbewertung ausgeklammert.

Blockchain wird ausgeklammert

Wesentlich relevanter ist der Brückenschlag zur Vernetzung der gebauten Umwelt. Damit ist insbesondere die zunehmende Implementierung von Sensorik in Immobilien und Infrastruktur, welche Bilddaten, Wetterdaten, Bewegungsmuster und etliches mehr aufzeichnen sowie austauschen können, gemeint. Jene Daten können teilweise in Echtzeit erhoben und verarbeitet werden, weshalb dies relevante Momentaufnahmen einer Immobilie, beziehungsweise ihres Umfelds ermöglicht, und sich jene für die Bewertung eigenen würden.

Big Data Analytics und das gesamte Feld der massendatenverarbeitenden künstlichen Intelligenz, gerade das maschinelle Lernen, sind auf extensive und detaillierte Datensätze angewiesen, weshalb die Sensorik erst die Anwendung dieser Technologien auf die Offlinewelt möglich macht. Fortschritte im Bereich der Bio- und Nano-Sensorik werden das Datenspektrum noch weiter ausdehnen und in Zukunft noch bessere Erkenntnisse ermöglichen.

Auch wenn in Realität die meisten Unternehmen noch nicht einmal ihre eigenen Datensilos aufgebrochen und die darin versteckten Schätze geborgen haben, ist es aus unserer Sicht relevant aufzuzeigen, wohin die Reise gehen sollte.

Die Allgemeinheit erzeugt jeden Tag zunehmend große Datenmengen, welche größtenteils unstrukturiert, in Form von Text-, Video-, Bild- und Audiodateien, im Netz landen. Viele dieser Daten sind nicht öffentlich zugänglich, zumindest, wenn man nicht an illegale Datenbeschaffungsmethoden denkt. Nichtsdestotrotz werden aber mehr als ausreichende Daten öffentlich publiziert, sodass man mit diesen theoretisch arbeiten könnte.

Unternehmen könnten beginnen, Trends anhand von Publikationen zu erkennen. Man könnte das Sentiment, also die Meinung seiner Zielgruppe bezüglich verschiedener Sachverhalte verstehen lernen: Welche Handelsmarken haben an Standort X eine Chance? Wie wird Projekt Y in Stadt A wahrgenommen und was könnte getan werden, um die Erfolgsaussichten zu maximieren? Welcher Food-Trend entsteht gerade in Berlin, der das Food-Konzept im neuprojektierten Shoppingcenter beeinflussen könnte?

Taxifahrten als innovativer Parameter

Auch könnte man wirtschaftsbezogene Massendaten aus Social Media, Finanzportalen und akademischen Datenbanken aggregieren und sich so eigene, quantifiziert begründete Szenarien zur Marktentwicklung konstruieren. Man könnte auch auf die verwegene Idee kommen, Zusammenhänge zwischen Immobilienwert/-entwicklung und unabhängigen Parametern zu finden, die die Konkurrenz vielleicht noch nicht hat, um auf diese Weise ein besseres Marktverständnis als andere zu entwickeln. Wer hätte gedacht, dass man anhand von Taxidaten, also Bewegungs- und Frequenzmuster von Taxifahrten, die Attraktivität einer Einzellage klassifizieren kann?

Je intelligenter die Modelle, desto besser die Verhandlungsposition und die Zukunftsprognosen. Grundsätzlich ist jede Führungskraft dazu angehalten, darüber nachzudenken, wie in Zukunft der eigene Geschäftsbetrieb nicht nur effizienter gestaltet, sondern neu gedacht werden kann. Sämtliche Technologien sind nicht nur dazu da, antiquierte Geschäftsprozesse kosteneffizienter, schneller und genauer zu machen, sondern bieten vornehmlich die Möglichkeit neue Geschäftskonzepte zu entwickeln. Bevor dies aber realistisch ist, sollte beachtet werden, dass die hier adressierten Technologien allesamt extrem komplex sind.

Auch wenn es bereits intelligente Softwarelösungen gibt, die sogar soweit gehen, dass man unstrukturierte Daten an einen Anbieter schickt, der diese automatisiert reinigt, untersucht und brauchbaren Output liefert, sollte man zumindest die Schritte zum Output nachvollziehen können. Der Schlüssel zum Erfolg ist also Bildung beziehungsweise der übergeordnete Begriff der digitalen Kompetenz.

Holistischer Ansatz am sinnvollsten

Da die digitale Transformation vielen Unternehmen Probleme bereitet, hat das Future Real Estate Institute ein eigenes Modell entwickelt, das die digitale Transformation als einen kontinuierlichen Lernprozess betrachtet. So setzt das "Reference Model for Continuous Digital Transformation" etliche Rahmenbedingungen voraus, sodass IT-Infrastruktur, Management, Unternehmenskultur sowie Arbeitskonzepte ebenfalls an die digitale Zukunft angepasst werden können. Erst wenn also die Minimalanforderungen an jene Rahmenbedingungen sowie an die digitale Kompetenz im Unternehmen erfüllt sind, kann man sich erfolgreich transformieren. Dabei sollte man auch nicht auf Insellösungen setzten, sondern vor allem einen holistischen Ansatz verfolgen.

Internationale und nationale Bewertungsverfahren werden in Zukunft vermutlich nicht allzu schnell um einen zukunftsgewandten Wertprädiktor (Innovationskraft, Digitales, Zukunftsfähigkeit) erweitert werden, was aber auch nicht weiter schlimm ist. Das Augenmerk sollte auf den Modellen der Unternehmen liegen, die Immobilien kaufen und verkaufen. Jene sollten sich überlegen, welche Daten sie bereits heute theoretisch zur Verfügung hätten und ob die genutzten Modelle inklusive der Software noch funktional sind. Es lohnt sich, tradierte Muster der Markt- und Investmentbewertung von Immobilien zu überdenken: Machen unsere Inputdaten noch Sinn (Biased Input, Biased Output)? Gibt es Bedarf, das Kalkulationsmodell anzupassen? Müssen wir all unsere Bewertungen mit einfachen Excel-Spreadsheets oder in geschlossenen Software-Ökosystemen mit beschränkter Funktionalität durchführen? Führen wir eine adäquate Risikobewertung durch?

Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass hier bei fast allen Unternehmen Verbesserungspotenzial besteht. Um den Engpass in Deutschland hinsichtlich Transaktionssowie Objektdaten zu lösen, sollte man sich überlegen einen Datenverband zu gründen oder zu unterstützen, der diese Daten anonymisiert und öffentlich verfügbar macht. Die gesamte Branche würde davon profitieren.

Die Autoren Viktor Weber, Gründer und Direktor, Future Real Estate Institut, Regensburg
Veronika Gruber, WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, München

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