EXPO REAL-SPECIAL

PRO UND KONTRA: IST DER EINSATZ KOMMUNALER VORKAUFSRECHTE BEI GEWERBEFLÄCHEN SINNVOLL?

Bernhard Daldrup, Foto: Elias Domsch

In Zeiten angespannter Wohnungsmärkte ist das gemeindliche Vorkaufsrecht wieder verstärkt in den Fokus der deutschen Kommunalpolitiker geraten. In den meisten Fällen handelt es dabei um den (Rück)-Erwerb von Wohnobjekten, doch mitunter befinden sich auch Gewerbeimmobilien im "Beuteschema" der Städte und Gemeinden. Wie so oft nimmt Berlin in diesem Zusammenhang eine Vorreiter rolle ein. In den vergangenen Jahren erwarb die Hauptstadt mehrere Gewerbeimmobilien mittels des gemeindlichen Vorkaufsrechts, Leidtragende war unter anderem die Hypoport AG. Ist ein solches Vorgehen im Sinne einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik oder handelt es sich dabei um staatliche Hybris? Die Immobilien & Finanzierung-Redaktion hat dazu in Person des Bundestagsabgeordneten Bernhard Daldrup und GIEAG-Vorstand Philipp Pferschy Vertreter beider Seiten eingeladen, ihren jeweiligen Standpunkt zu erörtern. Red.

Pro

Voraussetzung für aktive Stadtentwicklungspolitik

Die Politik handelt. Mit Milliardenprogrammen wirken Bund und Länder den Auswirkungen der Corona-Epidemie entgegen, damit aktuell geholfen und Folgeschäden vermieden werden. Es ist an der Zeit, auch in der Stadtentwicklungspolitik neue Wege zu gehen und Instrumentarien zu entwickeln, um die Entwicklung zu nachhaltigen und lebenswerten Siedlungsstrukturen zu forcieren.

Astronomische Preise gefährden sozialen Zusammenhalt

Die Komplexität der Veränderungen erstreckt sich auch auf unsere technischen und sozialen Systeme, auf die Ver- und Entsorgung sowie auch auf unsere Siedlungsstrukturen.

Insbesondere das Bevölkerungswachstum in den begehrten Ballungszentren führt zu Knappheit des Bodens sowie gleichzeitig zu astronomisch steigenden Preisen und Mieten mit risikoreichen sozialen Verwerfungen.

Die Folge: Wir müssen uns endlich davon verabschieden, Boden als ein Wirtschaftsgut wie jedes andere zu sehen. Denn Boden ist kein Handelsgut, sondern wie Luft, Wasser und Energie ein Element, das als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge einer besonderen sozialen Verpflichtung untersteht. Zukunftsorientierte Stadtentwicklung muss daher auf die Bodenpolitik achten. Ein wichtiges Instrument hierfür ist das Vorkaufsrecht für Kommunen auch für Gewerbeflächen. Boden ist ein knappes Gut. Er wurde vor allem in wachsenden Stadtregionen gerade nach der Finanzkrise mehr und mehr zu einer lukrativen und spekulativen Anlage für internationale Finanzinvestoren.

Was hatten wir in den vergangenen Jahren zu verzeichnen? Insbesondere in den Großstädten sind in den letzten Jahren im Innenbereich Grundstücke zu Höchstpreisen vergeben worden, die sich oftmals nur große Handelsketten leisten konnten. Die Entstehung von anonymen großen Shoppingcentern war die Folge. Nachhaltige und lebenswerte Siedlungsstrukturen sind dabei jedoch auf der Strecke geblieben.

Die Stadt München geht mit gutem Beispiel voran

Die Folgen der Corona-Epidemie sind noch nicht abschätzbar. Viele kleinere Geschäfte und Betriebe, die in den Mischgebieten in unseren Städten das Bild prägten, werden aber trotz staatlicher Hilfen aufgeben müssen. Hier muss die öffentliche Hand aktiv eingreifen. Grund und Boden sollten so wenig wie möglich in private Hände. Ein Vorkaufsrecht für Kommunen eröffnet die Chance ein aktives, städtebauliches Entwicklungskonzept zu betreiben.

Kleine Gewerbebetriebe, Cafés und Restaurants, gemeinnützige Vereine, soziale Einrichtungen sowie Sport- und Freizeitstätten können in Wohngebieten wieder angesiedelt werden. Besitzt eine Kommune erst einmal eine Reihe von Grundstücken kann sie ein aktives städtebauliches Entwicklungskonzept betreiben und marktwirtschaftlichen Fehlentwicklungen aktiv entgegentreten.

Die SPD geführte Stadt München geht hier mit gutem Beispiel voran: Sie will wieder mehr Einfluss und Macht über den Grundstücksmarkt erlangen. In Zukunft soll die bayerische Landeshauptstadt ihre Gewerbeflächen nicht mehr verkaufen, sondern nur noch in Erbbaurecht vergeben.

Notfalls mit einer preislimitierten Ausgestaltung

Fest steht: Die öffentliche Hand muss gerade in Krisenzeiten ein stabiler und verlässliche Partner sein. Neben milliardenschweren Hilfsprogrammen muss sie in diesem Zusammenhang auch in der Lage sein, eine aktive und nachhaltige Siedlungspolitik zu betreiben.

Dazu gehört der Besitz von möglichst viel Grund und Boden. Ein Vorkaufsrecht - notfalls mit einer preislimitierten Ausgestaltung - ist daher das Instrument der Stunde.

DER AUTOR

BERNHARD DALDRUP
Mitglied des Deutschen Bundestages und Obmann für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, SPD-Bundestagsfraktion, Berlin

Kontra

Der Staat ist nicht der bessere Unternehmer

Behutsam und zielgenau eingesetzt, kann das kommunale Vorkaufsrecht ein sinnvolles Instrument zur Stadtentwicklung darstellen. Etwa dann, wenn eine bestimmte Fläche unbedingt zur Errichtung von öffentlicher Infrastruktur benötigt wird. Auch zur Errichtung von mehr bezahlbarem Wohnraum kann es hier und da sinnvoll sein. Problematisch wird es immer dann, wenn die öffentliche Hand meint, sie sei der bessere Unternehmer. Eine inflationäre Nutzung des kommunalen Vorkaufsrechts, gerade im Gewerbebereich, wäre exakt ein solcher Problemfall.

Marktversagen?

Dahinter steckt meistens das Argument eines "Marktversagens". Aus diesem Grunde müsse der Staat handeln, denn Grund und Boden seien kein Produkt wie jedes andere. Aber woran genau manifestiert sich denn dieses Marktversagen, gerade in den größten Städten? Nehmen wir den Einzelhandel als Beispiel. Angeblich würden von Marktakteuren nur noch jene Angebote geschaffen, die ausschließlich von den größten Ketten belegt würden. Infolgedessen würden die Städte veröden. Seltsam, dass wir dabei ausgerechnet von jenen Städten sprechen, die so attraktiv sind, dass sie sich des Ansturms von Bevölkerung und Unternehmen kaum noch erwehren können. Ein Grund für diese Attraktivität ist vor allem die Vielfalt. Von Marktversagen keine Spur. Die existenzielle Strukturkrise des Einzelhandels hat andere Ursachen, die sich durch die Schaffung kommunaler Flächen jedenfalls nicht lösen lassen.

Zweifellos sind Mieten und Preise an den Immobilienmärkten in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Aber auch das ist kein Ausdruck von Marktversagen, im Gegenteil: Es ist die Wirkung von Angebot und Nachfrage. Versuche, diesen Mechanismus auszuhebeln, sind langfristig schon immer gescheitert. Will man die Preisdynamik durchbrechen, muss das Angebot erhöht werden. Das aber kann im Gewerbeimmobiliensegment nur die Privatwirtschaft am effizientesten. Ein guter Unternehmer wird zur Entwicklung einer Fläche immer das rentabelste und effizienteste Konzept wählen - nämlich genau das Konzept, das in bester Weise die größte Nachfrage bedienen kann. Warum sollte der Staat unbedingt die bessere Idee haben?

Das kommunale Vorkaufsrecht, so sieht es das Baugesetzbuch vor, soll dem Allgemeinwohl dienen. Befürworter eines inflationären Gebrauchs implizieren häufig einen inhärenten Zielkonflikt. Das mag es in Einzelfällen durchaus geben. Es gibt jedoch keinen allgemeingültigen Widerspruch zwischen (verantwortungsvollem) unternehmerischen Handeln und dem Allgemeinwohl, die Regel ist eher das Gegenteil. Es geht nicht darum, bei der Stadtplanung dem vollständigen Wildwuchs das Wort zu reden. Eine Kommune hat richtigerweise vielfältige Möglichkeiten, Einfluss in die Bebauung eines Grundstücks zu nehmen, vom Bauplanungsrecht bis zur Stellplatzverordnung. Es gibt aber keinen Anlass, einem Unternehmen, dessen Konzept sich neben den wirtschaftlichen Gesichtspunkten auch diesbezüglich vorbildlich einfügt, den Erwerb des Grundstücks zu verwehren.

Und schließlich: Die Corona-Krise reißt tiefe Löcher in die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen. Auch nach dem Vorkaufsrecht müssten die Grundstücke nach Marktpreisen erworben werden. Es ist jedoch nur schwer vermittelbar, warum eine Kommune, die unter Umständen tiefrote Zahlen schreibt, viel Geld in angeblich überteuerte Grundstücke steckt - und dabei wahrscheinlich nur das zweitbeste Nutzungskonzept in der Schublade hat. Überspitzt gefragt: Am Ende füllt der Steuerzahler in dieser Weise sogar noch die Taschen eines Bodenspekulanten?

Zielführendere Alternativen

Diese knappen finanziellen Ressourcen wären auch im Sinne der Stadtentwicklung sinnvoller und effizienter in die Schaffung neuer Flächen, die Ausweitung des Angebots und auch die Innenentwicklung investiert. Es geht also auch um die Möglichkeit der effizienten Nutzung und Entwicklung bestehender Flächen in den Städten, mit mehr Mut zur Höhe und zur Vielfältigkeit der Nutzungsarten.

Das gilt nicht nur im Wohn-, sondern gerade auch im Gewerbebereich, und sollte in der Regel in der Umsetzung die Aufgabe der privaten Immobilienwirtschaft bleiben. Denn letztlich geht es auch dabei um nichts anderes als die Entwicklung und Verwirklichung von Geschäftsmodellen. Dafür setzen Bund, Land und Kommunen die rechtlichen Rahmenbedingungen. Aber als Unternehmer sollte der Staat nur in absoluten Ausnahmefällen tätig werden.

DER AUTOR

PHILIPP PFERSCHY
Mitglied des Vorstands, GIEAG Immobilien AG, München

Bernhard Daldrup , Mitglied des Deutschen Bundestages und Obmann für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen, SPD-Bundestagsfraktion, Berlin
Philipp Pferschy , Mitglied des Vorstands , GIEAG Immobilien AG, München

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