IMMOBILIENRECHT

PROPTECH - CHANCEN UND RECHTLICHE IMPLIKATIONEN DIGITALER GEBÄUDETECHNIK

Dr. Gerhard Molt, Foto: Eversheds Sutherland

Bürogebäude wie "The Edge" in Amsterdam oder "Cube" in Berlin zeigen, was mithilfe hochmoderner Technik inzwischen so alles möglich ist. Durch den Einsatz unzähliger und gut vernetzter Sensoren eröffnen sich völlig neue Einsichten im Bereich der Gebäudebewirtschaftung, die dabei zugleich erhebliche Effizienzsteigerungen verheißen. Auch der Autor des vorliegenden Beitrags ist von den vielfältigen digitalen Anwendungsmöglichkeiten angetan. Gleichwohl mahnt er an, dass die sich bietenden Chancen stets in das richtige Gleichgewicht zum gebotenen Datenschutz zu setzen sind. Red.

Proptech ("Property Technology") ist ein Obergriff, der eine Vielzahl für den Immobilienmarkt relevanter digitaler Anwendungsmöglichkeiten umfasst. Technischer Kern ist die digitale Erfassung und Vernetzung von, wie der Jurist sagen würde, körperlichen Gegenständen, kurz Internet der Dinge, gerne gepaart mit Künstlicher Intelligenz und Automatisierung. Die Anwendungsmöglichkeiten sind vielfältig und reichen vom Smart Building im privaten und gewerblichen Bereich über innovative Nutzungskonzepte wie Co-Working und Co-Living bis hin zur Transaktionsanbahnung und zu alternativen Finanzierungsmöglichkeiten ("Fintech").

Covid-19 beschleunigt Digitalisierung

Durch die Folgen der Covid-19-Pandemie erfährt das Thema nun noch stärkere Relevanz. Ein hohes Maß an Digitalisierung schafft dringend benötigte Spielräume, um die weltweite Gesundheitskrise und die sich aus den Folgen anbahnende Weltwirtschaftskrise zu überstehen oder gar gestärkt daraus hervorzugehen. Das gilt auch und besonders für den Immobilienbereich, also für Orte, an denen gelebt, gearbeitet und Werte geschaffen werden. Digitale Lösungen können dazu beitragen, Risiken zu minimieren und gemeinsames Arbeiten schneller wieder sicher und damit möglich zu machen. Dazu gehören die aktuell diskutierten "Corona-Apps" ebenso wie beispielsweise Wärmebildkameras, die erhöhte Körpertemperaturen und damit möglicherweise Erkrankte identifizieren können. Ebenso in diese Riege fallen Sensoren und Leitsysteme, die bei der Einhaltung der per Allgemeinverfügung der Landesregierungen angeordneten Mindestabstände und Höchstpersonenzahlen unterstützen und gegebenenfalls mit Zugangssystemen zum oder auch innerhalb eines Gebäudes gekoppelt sein können.

Was bei Technikbegeisterten bereits die Augen leuchten lässt, sorgt bei Juristen für Stirnrunzeln. Der Datenschutz spielt bei diesen Szenarien eine herausragende Rolle. Daneben wird das Bauen komplexer. Dem ist bei der Vertragsgestaltung, im Nachtragsmanagement, der Dokumentation und der Mangelverfolgung Rechnung zu tragen. Im Gegensatz zum Smart Home, in dem beispielsweise per App Lichter an- und ausgeschaltet sowie die Heizung reguliert werden können, bezieht sich der Begriff des Smart Buildings auf Gewerbeobjekte wie Bürogebäude, die über tausende von Sensoren verfügen, Informationen sammeln, diese über Datenleitungen versenden und damit für die Analyse verfügbar machen.

Ein Arbeitstag in einem solchen Gebäude könnte wie folgt aussehen: Ein Mitarbeiter fährt morgens mit seinem Auto in die Tiefgarage. Hierbei erkennt das Tor das Smartphone des Mitarbeiters und öffnet automatisch. Da die Parkplätze in der Tiefgarage mit Sensoren ausgestattet sind und somit erkennen können, ob sie belegt sind oder nicht, wird der Mitarbeiter über seine App automatisch zu einem freien Parkplatz geleitet. Der Aufzug wartet bereits und fährt direkt in das richtige Stockwerk. Im Büro ist die Temperatur hochgefahren, die Luftfeuchtigkeit reguliert, die Jalousien so eingestellt, dass die Sonne nicht blendet und die Räumlichkeiten sich nicht zu stark aufheizen. Neben den Komfort dient Letzteres unter anderem dazu, den Energieverbrauch bedarfsgerecht zu optimieren.

Kein Science-Fiction

Derartige Szenarien sind keinesfalls Science-Fiction. Tatsächlich sind solche Konzepte in Gebäuden wie dem "Edge" in Amsterdam oder dem "Cube" in Berlin bereits realisiert und in Betrieb. Gebäude sind in Deutschland für knapp 35 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Um die gesteckten Klimaziele zu erreichen, (Energie-)Kosten zu sparen und den vom jeweiligen Unternehmen vorgegebenen Nachhaltigkeitsanforderungen oder Zertifizierung gerecht zu werden, ist Proptech ein Faktor mit weitreichenden Möglichkeiten. Gleichzeitig können Störungen im Gebäude schneller lokalisiert und repariert werden. Proptech bietet auch für die Nutzung von Gebäuden vielfältige Möglichkeiten. So können die verschiedenen Lösungen bei der optimalen Belegung von Arbeitsplätzen, der Verbesserung schlecht genutzter Flächen oder der Steuerung von gewünschten Austauschpunkten zwischen Mitarbeitern, mit Kunden oder auch vom Kunden zur Ware, unterstützen.

Im Einzelhandel schreitet die Digitalisierung ebenfalls voran: In Kooperationen zwischen Handels- und Tech-Unternehmen entstehen Einzelhandelsflächen, bei denen Produktinformationen nicht mehr auf Preisschildern an den Regalen, sondern auf kleinen Bildschirmen zu finden sind. Zusätzlich werden Nährwertangaben und weitere Informationen angezeigt. Kunden können sodann per Smartphone einen Code scannen und die Produkte direkt kontaktlos bezahlen, ohne diese vorher an einer Kasse aus- und wieder einpacken zu müssen. Die Waren werden automatisch nachgeführt und die Auslage anhand des Nutzerverhaltens in der Positionierung und im Sortiment optimiert.

Proptech kann auch die Sicherheit in Smart Buildings im Vergleich zu klassischen Gebäuden signifikant erhöhen. Ein Anwendungsbeispiel ist der Brandschutz. In klassischen Bürogebäuden schaltet sich im Brandfall die Alarmanlage ein und die Menschen verlassen über die Notausgänge nach einem festgelegten Evakuierungsplan das Gebäude. Smart Buildings können den Ort der Gefahr präziser lokalisieren und situationsbedingt Fluchtwege optimieren - unter Berücksichtigung feuerberührter und verrauchter Bereiche. Das kann im Ernstfall Leben retten. Zum Infektionsschutz wäre es vorstellbar, Mitarbeiter automatisch per Smartphone-App an einen freien Arbeitsplatz mit ausreichender Distanz zu anderen Mitarbeitern zu führen und durch Leitsysteme sicher zustellen, dass typische Kontaktbereiche, wie etwa Toiletten, automatisch als besetzt oder frei gemeldet werden. Wird bei einem Mitarbeiter eine erhöhte Temperatur festgestellt, könnte dieser beim Einlass abgewiesen und automatisch gebeten werden, im Homeoffice zu arbeiten.

Grundlage für alternative Finanzierungsmodelle

Die Digitalisierung der Immobile schafft auch neue Möglichkeiten in der Vermarktung. So können digitale Besichtigungsmöglichkeiten, entweder per Video oder auch anhand dreidimensionaler Modelle, die schon in der Planungsphase eines Neubaus zunehmend Anwendung findet (Stichwort "BIM"), nicht nur Engpässe während der aktuellen Covid-19-Pandemie überbrücken, sondern auch dazu beitragen, dass sich Angebot und Nachfrage schneller, effektiver und kostengünstiger finden. Dabei können Objektdaten auch mit Geodaten zur konkreten Lage eines Gebäudes und seiner Nähe zu Versorgungseinrichtungen et cetera verknüpft werden. Dies kann auch die Grundlage für alternative Finanzierungsmodelle, wie etwa das Crowdfunding, bilden.

Um die aufgezeigten Chancen nutzen zu können, werden durch Sensoren und Kameras fortwährend Daten gesammelt, verknüpft und ausgewertet. Je personenbezogener diese Daten sind, desto kritischer ist dies im Sinne des Datenschutzes und desto größer sind die Gefahren des Missbrauchs. Gefahr droht dabei sowohl durch denjenigen, der die Daten kontrolliert, als auch im Falle von Datenpiraterie durch Dritte. Personenbezogene Daten stehen unter dem besonderen Schutz der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie des Bundesdatenschutzgesetzes. Zunächst bedarf es einer Rechtsgrundlage, da die Erhebung ansonsten rechtswidrig ist. In Betracht kommt diesbezüglich entweder die Einwilligung der Betroffenen oder aber ein berechtigtes Interesse des Erhebenden.

Werden derartige Daten erhoben, müssen diese durch geeignete Vorkehrungen vor dem Zugriff Dritter geschützt werden. Eine praktikable Möglichkeit ist die Anonymisierung personenbezogener Daten, sodass sie einzelnen Personen nicht mehr zugeordnet werden können. Zudem muss durch technische und organisatorische Maßnahmen wie zum Beispiel Verschlüsselungen und spezielle Firewalls gewährleistet sein, dass die Daten sicher auf dem Server des Erhebenden oder der Cloud gespeichert sind und vor Datenpiraterie und unbefugtem Zugriff geschützt sind.

Um die in Smart Buildings erfassten Daten datenschutzkonform nutzen zu können, gilt es genau zu prüfen, wann tatsächlich personenbezogene Daten verarbeitet werden. Sensoren, die beispielsweise die Temperatur messen und im Brandfall den Feueralarm auslösen, verarbeiten in der Regel keine personenbezogenen Daten. Der Anwendungsbereich der DSGVO ist dann nicht eröffnet. Anders bei Zugangskontrollsystemen, die mit individuellen elektronischen Schlüssel- oder Chipsystemen arbeiten und damit personenbezogene Daten verarbeiten: Hier sind die Vorschriften der DSGVO zu beachten. Falls die DSGVO Anwendung findet, bedarf es einer Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung. Hier käme sowohl das berechtigte Interesse des Verantwortlichen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe f) DSGVO als auch die Einwilligung des Betroffenen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a) DSGVO in Betracht. Je intensiver die Datenverarbeitung, also je sensibler die erhobenen Daten, desto eher bedarf es einer Einwilligung. So wäre es zu Zeiten des Corona-Virus zwar denkbar, mithilfe einer Wärmebildkamera die Körpertemperatur zu erfassen. Die Ergebnisse der Messung stellen aber einen Gesundheitsdatensatz dar, der durch Artikel 9 DSGVO besonders geschützt ist und somit entweder der Einwilligung des Betroffenen oder einer gesetzlichen Grundlage.

Die Einzeleinwilligung durch jeden Mitarbeiter ist in der Praxis kaum flächendeckend zu erreichen, da sie jederzeit widerrufbar ist. Der Einsatz von Smart-Technologien in einem Betrieb könnte aber allgemein auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung erfolgen. Zudem sind bei der Nutzung von Proptech zur Sammlung personenbezogener Daten die Grundsätze der Datenminimierung und Speicherbegrenzung zu beachten. Personenbezogene Daten sollten nur in dem Umfang erhoben werden, der notwendig ist, um den Funktionen eines Smart Buildings gerecht zu werden. Ist eine Datenspeicherung nicht länger zur Erfüllung dieser Zwecke notwendig, müssen die erhobenen Daten gelöscht werden. Werden zur Datenspeicherung Dritte eingebunden, also die Aufzeichnung einer Kamera etwa in einer Cloud gespeichert, ist der Cloudanbieter Auftragsverarbeiter. Der Betreiber des Smart Buildings hat mit dem Cloudanbieter dann einen die Auftragsverarbeitung regelnden Vertrag ab zuschließen und hierbei die gebotenen Datenschutzvorgaben sicherzustellen. Zum Zwecke der Datensicherheit sind die durch Proptech erhobenen Daten hin reichend zu verschlüsseln und vor dem Zugriff Dritter zu schützen. Werden gesammelte Daten zentral verarbeitet, wird also eine sichere Firewall benötigt. Für einige Einsatzbereiche, wie etwa die Smart-Meter-Technologie, hat das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zudem bereits eine konkretisierende Richtlinie erlassen, welche die Mindestanforderungen an ein Smart-Meter-Gateway definiert.

Komplexität frühzeitig berücksichtigen

Die Vernetzung der Dinge bietet viele Anwendungs- und Optimierungsmöglichkeiten für die Immobilienbranche. Das Bauen, die Wartung und die Mangelverfolgung werden dadurch aber auch komplexer. Am Gebäude funktioniert nichts mehr, wenn die Sensoren verrückt spielen, der Strom weg ist oder die Verknüpfung der Daten und Dinge nicht langfristig richtig und sicher aufgesetzt sind. Dem gilt es nicht nur bei der Planung Rechnung zu tragen, sondern auch bei der Vertragsgestaltung, der rechtlichen Projektbegleitung und der Dokumentation. Zum Problem kann es insbesondere werden, wenn derjenige, der die digitale Infrastruktur konzipiert hat und gegebenenfalls auch nach Fertigstellung kontrolliert, nicht mehr greifbar ist, beispielsweise wegen einer Insolvenz. Hier gilt es, schon bei der Projektkonzeptionierung Vorsorge zu treffen. Gleiches gilt beim Erwerb eines Smart Buildings. Auch hier bietet Proptech völlig neue Möglichkeiten der Aufbereitung, birgt gleichzeitig aber auch neue Risiken, denen sich die Marktbeteiligten in Due-Diligence-Prozessen neu stellen müssen.

Proptech bietet schier unbegrenzte Möglichkeiten, um in der Immobilienbranche neue Vermarktungs- und Nutzungswege zu gehen und Prozessabläufe zu optimieren. Dies gilt auch und gerade in der durch Covid-19 ausgelösten Gesundheits- und Wirtschaftskrise. Die Herausforderung liegt aus rechtlicher Sicht darin, diese Chancen in das richtige Gleichgewicht zum gebotenen Datenschutz zu setzen und den spezifischen Risiken bei der Planung, Errichtung, Vermarktung und Nutzung smarter Gebäuden bei der Vertragsgestaltung und Projektbegleitung gerecht zu werden.

DER AUTOR DR. GERHARD MOLT Rechtsanwalt, Partner, Head of Real Estate (Germany), Eversheds Sutherland (Germany) LLP, München
Gerhard Molt , Partner, Head of Real Estate (Germany), Eversheds Sutherland (Germany) LLP, München
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