Logistikimmobilien

Retourenzentren: Eine aufkommende Assetklasse auf dem europäischen Immobilienmarkt?

Abbildung 1: Langfristiges Investitionsvolumen Logistik (Angaben in Milliarden Euro) Quelle: Savills

Mehr als jede andere Assetklasse findet Logistik über Grenzen hinweg statt, was primär der Globalisierung und Digitalisierung geschuldet ist. Gerade der explosionsartige Anstieg des Online-Handels stellt immense Anforderungen an globale Lieferketten und die Beteiligten immer wieder vor neue logistische Probleme: Die Retourenabfertigung ist eines davon. Aktuellen Berichten zufolge werden 43,4 Prozent der Waren retourniert, 60 Prozent sind davon nicht für den Wiederverkauf geeignet. Das schreit geradezu nach Optimierung. Und so entstehen mittlerweile Lösungsansätze in Form von neuen Logistikzentren eigens für die Abfertigung von Retouren, die sich speziell den Herausforderungen widmen sollen, die Waren ordnungsgemäß, schnell und möglichst effektiv und umfassend wieder in die Lieferkette und damit in den Verkaufsprozess einzugliedern. Angesichts des prognostizierten anhaltenden Anstiegs des Online-Handels kann davon ausgegangen werden, dass Händler künftig immer mehr Fläche brauchen werden, um die Retouren entsprechend zu bearbeiten - eine neue Assetklasse? Red.

2014 haben die Immobilieninvestoren dem Logistikmarkt große Aufmerksamkeit geschenkt. In UK stieg das Investitionsvolumen um 54 Prozent auf einen Jahresrekord von 4,2 Milliarden Pfund (5,86 Milliarden Euro) an. In Europa wuchs das Investitionsvolumen 2014 um knapp 30 Prozent und betrug 24 Milliarden Euro, womit es fast den Rekord aus dem Jahr 2007 erreichte.

Aber warum fanden die Investoren auf dem europäischen Kontinent gerade diese Art von Immobilie so attraktiv? Mehr als jede andere Assetklasse findet Logistik über Grenzen hinweg statt. Um ein paar Beispiele zu nennen: Das Modeunternehmen ASOS bedient seine Kunden weltweit aus seinem Lager in Barnsley in Nordengland heraus, John Lewis liefert von seinen Niederlassungen in Milton Keynes im Südosten Englands aus in 170 verschiedene Länder. Darüber hinaus gibt es unzählige Beispiele für Händler, die von ihren großen Lagern in mitteleuropäischen Märkten wie Polen oder der Tschechischen Republik aus Südeuropa und die Balkanstaaten beliefern.

Diese Nachfrage wird angetrieben durch den geradezu explosionsartigen Anstieg des Online-Versandhandels und dessen Folgen für globale Lieferketten - neue Logistikimmobilien werden benötigt, um diese Nachfrage befriedigen zu können. Einer Researchanalyse von Savills zufolge werden in UK bis 2018 über 4,6 Millionen Quadratmeter Logistikflächen benötigt, um den wachsenden Ansprüchen des Sektors genügen zu können und Prologis hat ermittelt, dass jeder Anstieg des Online-Umsatzes um 1 Milliarde Euro zusätzliche 72 000 Quadratmeter Logistikfläche erfordert.

Logistikzentren für die Abfertigung von Retouren

Obwohl man annehmen könnte, dass sich der Flächenumsatz vor allem auf Großflächen im Zentrum von Ländern oder Kontinenten konzentriert, ist auch ein Anstieg der Anmietung kleinerer Flächen durch Paketdienste am Rande von Ballungsgebieten zu verzeichnen, um die Endauslieferung an die Kunden und die damit verbundenen urbanen Logistikanforderungen besser in den Griff zu bekommen.

Darüber hinaus hat der Online-Handel zu einem weiteren Phänomen geführt, das eine neue Immobilien-Assetklasse erfordert: Logistikzentren für die Abfertigung von Retouren. Einem aktuellen Bericht von IMRG und Retail Week zufolge werden bis zu 43,4 Prozent der über das Internet bestellten Produkte wieder an die Händler zurückgeschickt.

Die Abwicklung von Produktbestellungen ist ein hochautomatisierter und transparenter Prozess. Aber wenn der Kunde individuelle Kleidungsstücke oder elektrische Geräte zurückgibt, gehen Transparenz und Kontrolle des Prozesses verloren. Tatsächlich haben viele Händler Probleme, Ordnung in dieses Chaos zu bringen, bis die Produkte wieder ins Lager und von da aus zurück in die Lieferkette und den Verkauf gehen können.

Qualitätsprüfungen vor Wiederverkauf

Zudem handelt es sich nicht um einen simplen Prozess, bei dem die Produkte einfach zurück in den Bestand und den Wiederverkauf gehen. Bevor sie zurück in die Lieferkette und schließlich in den Wiederverkauf können, müssen sie auf Qualität und ihren ordnungsgemäßen Zustand hin überprüft werden. Das müssen die Händler umso mehr ernst nehmen, als dass sich wie in jeder aufstrebenden Branche früher oder später die Gefahren des Schwarzmarktes auf deren Geschäft auswirken werden. So gab es in der Anfangszeit des Online-Handels immer wieder Berichte über Betrugsfälle, in denen gefälschte Waren als Originale aus- und zurückgegeben wurden. Viele Händler stellten damals zu spät fest, dass sie gefälschte Produkte weiterverkauft hatten.

Aktuellen Schätzungen zufolge eignen sich nur 60 Prozent der zurückgegebenen Waren zum Wiederverkauf. Laut einem Weißbuch von Clipper Logistics wurde 2013 Kleidung im Wert von 1,16 Milliarden Pfund (1,62 Milliarden Euro) zurückgegeben. Angesichts dieser Zahl müssen Händler zwingend so viele retournierte Produkte wie möglich in ihre Lieferkette zurückführen, um sie dann wiederzuverkaufen.

Verschiedene Problemlösungsansätze

Wie bei allen anderen umwälzenden Technologien verfolgen die Unternehmen sehr unterschiedliche Ansätze, um dasselbe Problem zu lösen. Einen eindeutigen Gewinner gibt es unter diesen Ansätzen noch nicht.

Trotz all dieser Unterschiede lässt sich ein Trend beobachten: Einige Unternehmen nutzen bestehende Lagergebäude oder bestimmte Bereiche in größeren Anlagen zum Bearbeiten von Retouren aus dem Online-Handel. So hat das britische Logistikunternehmen iForce ein Retourenzentrum in der Nähe von Birmingham in der Landesmitte von UK aufgebaut, das von vielen Kunden genutzt wird. In der 9 755 Quadratmeter großen Lagerhalle werden seit acht Jahren Retouren bearbeitet. Jährlich werden in dem Zentrum 4 Millionen zurückgegebene Waren im Wert von 250 Millionen Pfund (348 Millionen Euro) abgefertigt.

Das bereits erwähnte Unternehmen Clipper Logistics ist ebenfalls Vorreiter in diesem Sektor und betreibt in UK Retourzentren für ASOS.com. Diese Entwicklung hat bereits erste Auswirkungen in ganz Europa und auch in Deutschland. Händler wie ASOS.com oder John Lewis, die aus einem Land heraus die ganze Welt beliefern, haben ihrem Geschäftsablauf einen komplexen Prozess hinzugefügt und sammeln nun Retouren aus allen Teilen eines Kontinents oder sogar aus der ganzen Welt ein.

Um Größenvorteile zu realisieren, haben die Unternehmen nun damit begonnen, ihre Retouren an einem Standort in Europa zusammenzuführen, um sie in Massensendungen zurück nach UK zu schicken. Dort werden die zurückgegebenen Waren dann in einer besser durchdachten Art und Weise zurück in die Lieferkette geführt.

UK und Deutschland mit starken Online-Anteilen

Zunächst werden solche Aktivitäten in Märkten gestartet, in denen der Online-Handel sehr starke Anteile erreichen konnte, zum Beispiel in UK und in Deutschland. So betreibt Clipper Logistics fünf Einheiten in Deutschland und TSB Supply Chain, ein Spezialist für die Abfertigung von Retouren, hat ein Retourenzentrum südlich des Kölner Flughafens aufgebaut.

Angesichts der Prognosen für den europäischen Online-Handel - eine aktuelle Studie von Forrester beziffert den Umsatz bis 2018 auf 233,9 Milliarden Euro gegenüber aktuell 112 Milliarden Euro - wird die Nachfrage nach Logistikimmobilien europaweit weiter ansteigen. Dieser Anstieg wird wiederum einen wachsenden Bedarf an Flächen für die Bearbeitung von Retouren nach sich ziehen.

Auf lange Sicht ist es durchaus möglich, dass die Händler effizienter werden und die Retourenabwicklung in ihre bereits bestehenden Lagerhallen integrieren können. Nach derzeitigem Stand haben sie allerdings Probleme mit der Unordnung und der zusätzlichen Komplexität, die Retouren mit sich bringen, umzugehen. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass die Händler und ihre Logistikpartner kurz- bis mittelfristig mehr Fläche benötigen, um die zurückgegebenen Produkte zu bearbeiten.

Der Autor Kevin Mofid Director Commercial Research, Savills, London

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