Positionen zur Stadtentwicklung von Politik und Immobilienwirtschaft

Stadtentwicklung und Wohnungsbau in bewegten Zeiten - Pragmatismus ist entscheidend

Axel Gedaschko, © GdW, Urban Ruths

Die Reihe von Vorwürfen des Autors an die Politik ist lang: schleppende Grundstücksmobilisierung, fehlende Genehmigungskapazitäten, hohe Baukosten, steigende Grunderwerbsteuern und hohe energetische Anforderungen in Verbindung mit zu geringer Investitionsförderung. Nur unter Beibehaltung der ausgewogenen Mischung mit einem bezahlbaren Mietmarkt werde der Wohnungsmarkt weiterhin krisenfest bleiben. Bezahlbares Wohnen für breite Bevölkerungsschichten müsse das oberste Ziel deutscher Wohnungspolitik sein. Aber auch Lob hält der Verfasser bereit: Man begrüße insbesondere die Stärkung der Städtebauförderung, die erneut höhere Ausstattung der Sozialen Wohnraumförderung sowie den neuen Investitionspakt "Soziale Integration im Quartier". Bessere Rahmenbedingungen - das sei unbedingt notwendig. Red.

Deutschland ist unbestritten ein wirtschaftlich erfolgreiches, attraktives Land. Vor allem seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise in der Europäischen Union hat dies eine hohe Zuwanderung vor allem aus dem europäischen Ausland zur Folge. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass dieser Trend noch einige Zeit anhält. Im Jahr 2015 ist zudem die Zahl der Flüchtlinge sehr stark angestiegen. Auch dies verstärkt - zusätzlich zu dem ohnehin bestehenden Angebotsdefizit - den Druck auf die Wohnungsmärkte. Deshalb brauchen wir in den kommenden Jahren jährlich mindestens 400 000 neue Wohnungen, davon 80 000 Sozialwohnungen und mindestens weitere 60 000 Wohnungen im preisgünstigen Segment.

Insbesondere schleppende Grundstücksmobilisierung, fehlende Genehmigungskapazitäten, hohe Baukosten, steigende Grunderwerbsteuern und hohe energetische Anforderungen in Verbindung mit zu geringer Investitionsförderung führen derzeit allerdings dazu, dass die Neubautätigkeit für bezahlbaren Mietwohnungsbau nicht ausreichend an Fahrt aufnehmen kann. So kann die enorme Herausforderung einer wachsenden Gesellschaft mit begrenzten finanziellen Möglichkeiten nicht gemeistert werden.

Bundeshaushalt 2017 setzt positive Akzente

Für immer mehr Menschen aus dem Inund Ausland werden die Großstädte immer attraktiver. Und vor allem junge Menschen schwärmen in die Metropolen des Landes. Der Wohnungsneubau kann bisher mit dem stark angewachsenen Zuzug noch nicht mithalten. Gleichzeitig entstehen neue Ungleichgewichte. Während in etlichen Wachstumsregionen der Ansturm auf das knappe Wohnungsangebot weiter steigt, müssen sich viele Wohnungseigentümer in Regionen abseits der Ballungsräume weiterhin mit einer geringen Nachfrage auseinandersetzen.

Gerade in diesen Räumen muss durch geeignete strukturpolitische Maßnahmen und ein attraktives Wohnungsangebot Lebensqualität geschaffen werden, um die Bevölkerung zum Bleiben zu motivieren. Wir werden den Run auf die Metropolen in absehbarer Zeit nicht umkehren können. Wir müssen uns als Gesellschaft allerdings vornehmen, ihn abzubremsen, um die demografische Spaltung des Landes abzuschwächen und volkswirtschaftlich unrentable Überkonzentrationen zu vermeiden. Hierfür sind starke stadtentwicklungs- und sozialpolitische Instrumente notwendig.

Mit dem Bundeshaushalt 2017 hat die Bundesregierung einige wichtige Weichen für die Zukunft der Städte in Deutschland und den sozialen Zusammenhalt in den Quartieren gestellt. Die Wohnungswirtschaft begrüßt insbesondere die Stärkung der Städtebauförderung, die erneut höhere Ausstattung der Sozialen Wohnraumförderung sowie den neuen Investitionspakt "Soziale Integration im Quartier".

Die Städtebauförderung wird 2017 mit 790 Millionen Euro ausgestattet. Davon stehen unter anderem 120 Millionen Euro für den Stadtumbau Ost und 140 Millionen Euro für den Stadtumbau West zur Verfügung. Die regionalen Unterschiede zwischen wachsenden Boom-Städten und ausblutenden Schrumpfungsregionen nehmen in Deutschland weiter zu. Gerade deshalb ist eine starke Städtebauförderung das richtige Signal. Das Erfolgsprogramm muss langfristig auf einem hohen Niveau ausgestattet werden. Insbesondere muss die Städtebauförderung über diese Legislaturperiode hinaus zukunftsfest gemacht werden. Enorm wichtig sind auch die 190 Millionen Euro, die für das Programm Soziale Stadt eingeplant sind. Zugunsten stabiler Nachbarschaften brauchen wir ein langfristiges Bekenntnis zur Unterstützung der zahlreichen Vor-Ort-Projekte im Rahmen der sozialen Stadt.

Mit der gestiegenen Zuwanderung sind auch die Herausforderungen bei der Integration und dem sozialen Zusammenhalt in den Wohnquartieren gewachsen. Deshalb ist der neue Investitionspakt "Soziale Integration im Quartier" ausdrücklich zu begrüßen. Die hierfür veranschlagten 200 Millionen Euro sind ein wichtiges Zeichen für den Erhalt und den Ausbau der sozialen Infrastruktur in den Städten - das hilft auch den Wohnquartieren. Angesichts des demografischen Wandels in Deutschland ist auch die Ausstattung des KfW-Zuschussprogramms "Altersgerecht Umbauen" mit weiteren 75 Millionen Euro ein positives Signal. Um den Menschen einen möglichst langen Verbleib in der Wohnung in ihrem gewohnten Umfeld zu ermöglichen, brauchen wir in den kommenden Jahren ein noch stärkeres finanzielles Engagement für den altersgerechten Umbau. Mittelfristig sind hier 100 Millionen Euro jährlich notwendig. Das Zuschussprogramm muss insbesondere auch für Wohnungsunternehmen zugänglich gemacht werden, damit diese ihre Wohnungsbestände weiter konsequent an die Bedürfnisse der sich wandelnden Gesellschaft anpassen können.

Deutschland zeichnet sich gerade im internationalen Vergleich durch lebenswerte Städte mit stabilen Nachbarschaften und stabilen Wohnungsmärkten aus. Dass muss angesichts lauter werdender Rufe nach einer Erhöhung der Wohneigentumsquote betont werden. Nur unter Beibehaltung der aktuell ausgewogenen Mischung mit einem bezahlbaren Mietmarkt wird der Wohnungsmarkt auch weiterhin krisenfest bleiben. Bezahlbares Wohnen für breite Bevölkerungsschichten muss das oberste Ziel deutscher Wohnungspolitik sein.

Baugesetzbuch-Novelle im Städtebaurecht

Ein erster Schritt auf dem Weg zu mehr und schnellerem Wohnungsbau ist die bereits vom Bundeskabinett beschlossene Baugesetzbuch-Novelle zur Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt. Der Kabinettsentwurf sieht unter anderem vor, eine neue Baugebietskategorie - die sogenannten "Urbanen Gebiete" - einzuführen. Damit soll die Wohn- und Gewerbenutzung besser vereinbar - und so ein pulsierendes Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe oder kulturellen Einrichtungen ermöglicht werden. Der GdW begrüßt, dass im Gegensatz zu ersten Überlegungen in den Baugebieten der neuen Kategorie nun auch ein überwiegender Wohnanteil möglich ist. Hier hebt sich das neue "Urbane Gebiet" vom klassischen Mischgebiet ab.

Weiterhin Regelungsbedarf sieht die Wohnungswirtschaft beim passiven Lärmschutz. Es kommt darauf an, die Lärmbelästigung in der Wohnung selbst gering zu halten. Das ist in dem vorliegenden Entwurf nicht berücksichtigt worden. Ausdruck des urbanen Stils ist ein lebendiges Umfeld vor der Wohnung - ohne Lärmbelästigung in der Wohnung.

Beim Bereitstellen von Bauland kommt es in den angespannten Märkten vor allem auf Geschwindigkeit an. Doch langwierige Bauleitplanungen bremsen die Verfahren aus. Insofern ist es richtig, dass nach dem Kabinettsentwurf künftig Bauvorhaben beschleunigt werden können, die über vorhandene Ortsrandlagen hinausgehen. Dieses beschleunigte Verfahren soll für Bebauungspläne mit einer Grundfläche von bis 10 000 Quadratmeter befristet bis zum 31. Dezember 2019 gelten.

Streitanfällige Regelungen auf ein Minimum beschränken

Eine weitere Erleichterung kann die vorgesehene Änderung in § 34 Baugesetzbuch (BauGB) bedeuten. Danach sollen auch Nutzungsänderungen von Gewerbe- und Handwerksbetrieben zu Wohnzwecken oder Erweiterungen vorhandener Wohngebäude möglich sein (Ausnahme vom so genannten Einfügungsgebot). Hier müsste aber im weiteren Verfahren der Ermessensspielraum der Kommunen bei Einzelfallentscheidungen auf das notwendige Maß begrenzt werden.

Der GdW appelliert darüber hinaus an die Politik, im weiteren Verfahren die nach wie vor vorhandenen bürokratischen Anforderungen und streitanfälligen Regelungen im Baurecht auf ein Minimum zu beschränken. Dies gilt insbesondere für die geplante Verlängerung der Auslegungsfristen zur Beteiligung der Öffentlichkeit und die überhöhten Anforderungen an den Umweltbericht und die zu prüfenden Umweltfaktoren, die auch von der EU-Richtlinie nicht vorgesehen sind.

Die Wohnungsunternehmen bauen für alle Menschen. Für Studenten, für ältere Menschen, für Alleinerziehende sowie Familien und für alle, die zu uns kommen und ein Bleiberecht haben. Aber wir brauchen jetzt mehr als zuvor Lösungen für immer noch bestehende Hemmnisse. Zum einen müssen Bauplanung und -genehmigung deutlich schneller und günstiger werden - sowohl für den Neubau als auch für die Instandsetzung bereits stillgelegter Gebäude. Zum anderen sind die soziale Betreuung und Arbeitsaufnahme von Zuwanderern so auszugestalten, dass diese ein Teil unserer Gesellschaft werden können.

In einer angespannten Situation kommt es nun darauf an, nicht nur die Schwierigkeiten zu sehen, sondern an Lösungen zu arbeiten. Wir schaffen es gemeinsam, allen Menschen in Deutschland eine Heimat zu geben, wenn Bund, Länder und Kommunen jeweils die Punkte umsetzen, für die sie die Kompetenz haben. Die Wohnungswirtschaft hat hierfür, auch im Hinblick auf die anstehende Bundestagswahl, eine umfassende Strategie für bezahlbares Wohnen und Bauen vorgelegt.

Die Bundesregierung darf die großen Bemühungen für mehr bezahlbaren Wohnraum, energetische Sanierung und generationengerechten Umbau nicht durch unverhältnismäßige Eingriffe in das Mietrecht selbst konterkarieren. Das zweite Mietrechtspaket macht Sanieren wirtschaftlich unattraktiver und bremst Neubau und Vermieten insgesamt durch einen drastischen Eingriff in die Mietsystematik aus. So kann das Projekt "bezahlbarer Wohnraum für alle Menschen in Deutschland" nicht gelingen.

Immer neue Regulierungen schaden Mietern, Vermietern und dem Wohnungsmarkt insgesamt. Deshalb warnt der GdW eindringlich vor einem historischen Rückschritt zu einer Wohnungsgemeinnützigkeit. Sie wird nicht zu mehr günstigem Wohnraum, sondern zu einem kostenintensiven Verwaltungsapparat und der Gefahr von sozialer Entmischung führen. Wesentliche wohnungswirtschaftliche Errungenschaften der vergangenen 27 Jahre und der ausgewogene Wohnungsmarkt in Deutschland würden aufs Spiel gesetzt.

Finanzierung strukturierter Integrationsarbeit

Heimat ist mehr als nur vier Wände und ein Dach über dem Kopf. Die Wohnungsunternehmen schaffen funktionierende Quartiere und sorgen bereits mit zahlreichen Angeboten für gute Nachbarschaften und Integration vor Ort. Das gelingt aber nur, wenn die Kommunen ihrer Betreuungsaufgabe nachkommen und sowohl die Länder als auch der Bund neben allen notwendigen stadtentwicklungspolitischen Maßnahmen ihrer Pflicht zur Finanzierung einer strukturierten Integrationsarbeit nachkommen.

In Zeiten, in denen sofort gehandelt werden muss, ist Pragmatismus entscheidend. Dies gilt besonders für den Wohnungsbau. Die Wohnungswirtschaft hat das Wissen, die Erfahrung und die Kontakte. Die Wohnungsunternehmen könnten schnell bauen und wissen nicht erst seit gestern, wie erfolgreiche Stadtentwicklung und Integrationsarbeit funktionieren. Dafür benötigen sie von der Politik nur eines: die genannten besseren Rahmenbedingungen.

Der Autor Axel Gedaschko Präsident, GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, Berlin
Axel Gedaschko , Präsident , GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V., Berlin
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