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Trendwende erst im Jahr 2019

Olaf Janßen, Leiter Immobilienresearch, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg

Quelle: Union Investment

Ungewöhnlich lange währt die Hausse an den europäischen Immobilienmärkten mittlerweile. Die damit einhergehenden Konsequenzen sind allseits bekannt: steigende Preise und immer weiter abschmelzende Anfangsrenditen, insbesondere in den traditionell begehrten Assetklassen Wohnen und Büro. Investoren stellen diese Entwicklungen aktuell vor wichtige Grundsatzentscheidungen: Unter anderem die, ob zur Erreichung der gesteckten Renditeziele höhere Risiken eingegangen werden sollen. Über die momentane Stimmungslage unter europäischen Immobilieninvestoren weiß der Autor des folgenden Beitrags detailliert zu berichten. Die dabei wohl wichtigste Erkenntnis: Die große Mehrheit der Immobilienanlageprofis rechnet nicht mit einem unmittelbar bevorstehenden Ende des Marktzyklus. Red.

Nur jeder vierte Immobilieninvestor in Europa geht davon aus, dass der aktuelle Marktzyklus seinen Zenit in Kürze überschreitet und die Immobilienanfangsrenditen bald wieder steigen werden. Die große Mehrheit von 75 Prozent erwartet den Umschwung erst für das Jahr 2019, davon 43 Prozent sogar später. Das geht aus der jüngsten Immobilien-Investitionsklimastudie von Union Investment hervor, für die diesmal 168 professionelle Immobilieninvestoren in den Ländern Deutschland, Frankreich und Großbritannien repräsentativ befragt wurden.

Mit der Erwartung eines anhaltend spätzyklischen Marktumfelds korreliert eine steigende Sicherheitsorientierung, die vor allem dazu führt, dass deutsche und britische Investoren bei höherer Sicherheit eine verminderte Rendite in Kauf nehmen. Die Anlagestrategie "Gleiches Risiko bei geringerer Rendite" verfolgen in Deutschland 71 Prozent und in Großbritannien sogar 74 Prozent der Befragten. Im Vergleich zur vorletzten Umfrage vor einem Jahr bedeutet das in den Befragtengruppen einen Anstieg von 15 beziehungsweise 14 Prozentpunkten.

Renditeziele vielerorts in Gefahr

In Frankreich ist die Risikoaffinität auch im aktuellen Marktumfeld etwas stärker ausgeprägt. 41 Prozent der Investoren geben an, ein höheres Anlagerisiko einzugehen, um die gleichen Renditeziele wie bisher zu erreichen. Die übrigen 59 Prozent kalkulieren hier ebenfalls mit einer geringeren Rendite bei gleichbleibendem Risiko. Anhand der tendenziell gedämpften Risikobereitschaft unter europäischen Immobilieninvestoren überrascht es wenig, wenn rund die Hälfte der Befragten davon ausgeht, die gesetzten Renditeerwartungen innerhalb der nächsten drei Jahre nicht erreichen zu können.

Insgesamt eher skeptisch bewerten die befragten Investoren das europäische Investitionsklima für Büro- und Einzelhandelsimmobilien. Knapp ein Drittel der professionellen Investoren sieht in den kommenden zwölf Monaten tendenziell schlechte Chancen für attraktive Büroinvestments. Noch etwas negativer fällt die Einschätzung für Einzelhandelsimmobilien aus. Mit 51 Prozent sagt sogar eine knappe Mehrheit, dass es derzeit kaum Aussichten für überzeugende Investitionen gibt. Umso stärker rücken alternative Assetklassen innerhalb der Immobilienwelt in den Fokus.

Aufgrund des hohen Preisniveaus in den Nutzungsarten Büro und Einzelhandel verfolgt rund die Hälfte der Befragten dezidierte Ausweichstrategien. Eine besonders hohe Beachtung bei diesen Ausweichbewegungen finden Logistik-, Hotel- und Wohnimmobilien. Unter britischen Investoren, die nach alternativen Anlageprodukten suchen, erreichen Logistik mit 83 Prozent sowie Hotel und Wohnen mit jeweils 61 Prozent den größten Zuspruch. In derselben Gruppe der deutschen Investoren wollen jeweils rund 50 Prozent verstärkt auf diese drei Nutzungsarten setzen.

Ausweichbewegungen auf alternative Assetklassen

Im Rahmen der strategischen Neuausrichtung treffen auch spezialisierte Produkte wie Studentenwohnheime und Sozialimmobilien bei den europäischen Investoren auf ein beachtliches Interesse. Ein Viertel aller französischen, 29 Prozent der deutschen und sogar 67 Prozent der britischen Studienteilnehmer, die eine alternative Investitionsstrategie formuliert haben, haben das Thema Micro-Wohnen auf dem Ankaufsradar. Dazu zählen vor allem die bereits angesprochenen studentischen Wohnformen mit Angeboten, die jeweils nur temporär genutzt werden.

Die hohen Preise für Büro- und Einzelhandelsimmobilien in den Kernmärkten haben in den letzten Monaten die Kreativität der professionellen Investoren angeregt und ihren Blick auf den Immobilienmarkt insgesamt geweitet, was sich bereits in neuen Fondsideen widerspiegelt. Für Privatanleger hat Union Investment zum Beispiel gemeinsam mit der ZBI Zentral Boden Immobilien AG den neuen offenen Immobilienfonds "UniImmo: Wohnen ZBI" aufgelegt. Der Fonds ist nach der ersten Zeichnungsphase mit einem Volumen von 620 Millionen Euro gestartet und war damit vom Start weg der größte offene Immobilienfonds mit dem Schwerpunkt auf Wohnen in Deutschland.

Für institutionelle Investoren mit einem langfristigen Anlagehorizont hat Union Investment einen Fonds, dessen Ankaufsfokus auf Micro-Apartmentanlagen liegt, die sich an Young Professionals, Studierende sowie Single-Haushalte richten. Der Fonds investiert vorrangig in den dynamischen Metropol- und Ballungsregionen in Deutschland. Als Beimischung sind Investments in den europäischen Kernmärkten vorgesehen. Als erstes Objekt wurde die Mikroappartement-Anlage "Milestone" in Graz erworben. Diese verfügt über 378 Wohneinheiten für Studenten.

Die Ausweichbewegungen der professionellen Immobilieninvestoren in Europa sind in besonderer Weise auch auf dem deutschen Hotelmarkt zu spüren. Das rege Interesse an deutschen Hotelimmobilien kommt vor allem darin zum Ausdruck, dass das Transaktionsvolumen aktuell schneller wächst als der Markt, wie ein aktuelles Marktwertmodell von Bulwiengesa und Union Investment ermittelt hat. 2016 wurde ein neuer Rekordwert bei Hoteltransaktionen in Deutschland erzielt. Die rund 5,2 Milliarden Euro (inklusive Projektentwicklungen) entsprechen in etwa 10,2 Prozent des berechneten Marktvolumens (Vorjahr 9,3 Prozent).

Institutioneller deutscher Hotelmarkt wächst rasant

Insgesamt ist der Marktwert investmentrelevanter Hotels in Deutschland von 2015 auf 2016 um 8,3 Prozent auf 51 Milliarden Euro gestiegen. Ausschlaggebend hierfür ist neben der Preissteigerung auch die anhaltend rege Bautätigkeit neuer Hotels beziehungsweise Garni Hotels, die per Saldo (Neueröffnungen und Schließungen) zu einem Bettenwachstum in Deutschland von rund 0,7 Prozent führte. Parallel dazu verbesserte sich 2016 auch die Performancesituation deutscher Hotels, aufgrund gestiegener Zimmerauslastungen und wachsender Durchschnittsraten, was sich in höheren Werten niederschlug.

Die Präsidentschaftswahl in Frankreich und die Brexit-Vorbereitungen der britischen Regierung haben sich auf das Immobilien-Investitionsklima in Europa spürbar ausgewirkt. 61 Prozent der französischen Investoren gehen davon aus, dass sich die Immobilienmärkte in Frankreich unter der neuen Administration im Élysée positiver entwickeln werden als noch vor der Wahl prognostiziert. Diesem Stimmungsbild entspricht auch die Einschätzung der französischen Investoren für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung ihres Landes in den kommenden zwölf Monaten. 48 Prozent erwarten, dass es der Wirtschaft in Frankreich in einem Jahr besser bis deutlich besser gehen wird. Über alle drei Ländern teilen allerdings nur 30 Prozent der Befragten diese Einschätzung.

Für Großbritannien hingegen richten sich die professionellen Immobilieninvestoren in den nächsten zwölf Monaten zum einen auf eine hohe wirtschaftliche Stabilität des Landes ein. 49 Prozent der Befragten erwarten ein konstantes Niveau, 46 Prozent gehen sogar von einer Verbesserung aus. Zum anderen aber hat der Parameter "Erwartungen" im Investitionsklima-Index für die UK-Märkte mit nur noch 42,5 Punkten einen neuen Tiefststand erreicht. Gleichzeitig ist es der niedrigste Wert überhaupt in der aktuellen Umfrage.

Politik beeinflusst Investitionsklima

Trotz der erwarteten wirtschaftlichen Stabilität werden die europäischen Investoren in Großbritannien folglich weiterhin eher defensiv agieren. Das Beispiel Großbritannien zeigt nachdrücklich, dass die politischen Unwägbarkeiten im Rahmen des Brexit nach wie vor gegenüber gesamtwirtschaftlichen Kerndaten überwiegen. Parallel dazu sind aber einige europäische Investoren bereits wieder auf die UK-Märkte zurückgekehrt und finden bei entsprechender Risikoneigung die passenden Bedingungen für neue Investments.

Die Studie von Union Investment erfasst zweimal im Jahr einen Immobilien-Investitionsklimaindex für die europäischen Kernmärkte und kann so Trendbewegungen beobachten. Der jüngsten Erhebung zufolge zeichnet sich der deutsche Markt durch eine hohe Stabilität mit leicht positiver Tendenz aus. Im Vergleich zur letzten Umfrage vor sechs Monaten hat sich das Investitionsklima in Deutschland um 1,2 Punkte auf 67,7 verbessert. Einen noch deutlicheren Anstieg hat Frankreich erlebt. Seit der vorletzten Umfrage vor einem Jahr ist der Index sogar um 3,3 Punkte angestiegen und erreicht den aktuellen Spitzenwert von 70,3. In Großbritannien hat sich das Investitionsklima seit der letzten Erhebung, die stark von den Folgen des Brexit geprägt war, wieder stabilisiert und zeigt mit 61,4 sogar wieder eine leicht positive Tendenz.

Der Autor: Olaf Janßen, Leiter Immobilienresearch, Union Investment Real Estate GmbH, Hamburg

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