Schwerpunkt Pfandbriefe und Covered Bonds

Der Umgang mit Negativzinsen am Pfandbriefmarkt

Michael Schulz

Aufgrund der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank und verstärkt durch Käufe von staatlichen Anleihen und Covered Bonds durch die EZB weisen viele dieser Titel mittlerweile negative Renditen auf. Dies stellt Emittenten und Investoren vor Herausforderungen, da beispielsweise die Frage rechtlich ungeklärt ist, ob es bei Anleihen statt einer Zinszahlung auch eine Zinsbelastung für Investoren geben darf. Dieses Thema ist beispielsweise bei variabel verzinslichen Anleihen von erhöhter Relevanz. Nach ihrem Tief Mitte April dieses Jahres handeln einige Covered Bonds wieder im positiven Bereich, das Thema Negativzinsen bleibt aber weiter von Relevanz. Red.

Die Renditen auf dem Pfandbriefmarkt haben sich seit ihrem Tief Mitte April zwar wieder etwas erholt. Das absolute Niveau ist in allen Laufzeitbereichen aber immer noch als sehr niedrig zu bezeichnen - und vereinzelt sind sogar noch negative Werte zu beobachten. Mit Blick auf die allgemeine Marktlage sind negative Renditen heute annähernd als "normal" anzusehen. Einige Länder außerhalb der Eurozone haben bereits seit längerem mit diesem Renditeumfeld zu kämpfen, während die meisten Länder der Eurozone erst seit wenigen Monaten in einzelnen Laufzeitensegmenten Renditen unterhalb der Null-Grenze kennen.

Ausgenommen hiervon sind die Länder mit bester Bonität, deren Staatsanleihen gerade wegen einer in Phasen krisenhafter Zuspitzungen ausgeprägten Suche der Investoren nach sicheren Anlagen ("flight to safety") teilweise so stark nachgefragt wurden, dass am kurzen Ende der Renditestrukturkurve bereits negative Renditen erreicht wurden. Dies galt in der europäischen Schuldenkrise vor allem für deutsche Bundesanleihen. Mit dem Absinken der 10-jährigen Bundrendite auf 0,05 Prozent am 17. April 2015 wurde der bisher tiefste Stand in Deutschland erreicht. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich alle Laufzeiten bis neun Jahre bei der Bundkurve im roten Renditebereich.

In der Rechtsprechung kaum erörtert

Bezüglich der begrifflichen Abgrenzung sind jedoch Rendite und Kupon zu unterscheiden, die oftmals synonym als Zinsen verwendet werden. Während negative Renditen am Kapitalmarkt in den risikoarmen Marktsegmenten in vielen Laufzeiten vorkommen, haben es Emittenten in der Eurozone bisher vermieden, negative Zinsen - im Sinne von negativen Kupons - bei ihren Emissionen mit fixen Zinszahlungen festzulegen.

Neben Bundesanleihen, die zuletzt mit einem Kupon von null Prozent ausgestattet wurden, kam es auch bei Pfandbriefen mit kurzen und mittleren Laufzeiten zu derartigen Anleihemerkmalen. Anders ist dies bei derivativen Produkten und Darlehen. Nicht nur in Dänemark wurden Darlehensverträge mit negativer Verzinsung abgeschlossen, auch in anderen Ländern wird diese Möglichkeit intensiv geprüft.

Rechtlicher Exkurs: In der aktuellen Rechtsprechung und Literatur ist das Absinken des Referenzzinses in den negativen Bereich und damit die Verfahrensweise bei der Berechnung des vertraglichen Zinses so gut wie gar nicht erörtert. Der Zinsbegriff wird gesetzlich nicht definiert, dieser wird entsprechend des Rechtsempfindens vielmehr unterstellt beziehungsweise vorausgesetzt.

Bereits das Reichsgericht hat in unterschiedlichen Urteilen den Zins als "die vom Schuldner fortlaufend zu entrichtende Vergütung für den Gebrauch eines in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehenden Kapitals, ausgedrückt in einem im voraus bestimmten Bruchteil der geschuldeten Menge" beschrieben. Nimmt man diese Definition des Zinsbegriffs, so hat derjenige, dem Kapital überlassen wird, eine Zinsschuld an den Überlassenden zu leisten. Die Möglichkeit von negativen Zinsen wird zwar nicht erwähnt, das Reichsgericht hatte jedoch offenbar die Vorstellung einer Vergütung an den Überlassenden, die begriffsnotwendig ein Entgelt darstellt.

Da ein Entgelt rechtlich grundsätzlich ein positiver Betrag ist, stellt sich die Frage, ob beim Zinsbegriff definitionsgemäß negative Zinsen von vorneherein ausgeschlossen sein müssten. Als Konsequenz würde die Umkehr der Zahlungsverpflichtung einer Kapitalüberlassung keine Zinsschuld für die Geldverwahrung darstellen. In diesem Fall ist somit gegebenenfalls nicht von negativen Zinsen, sondern von Gebühren zu sprechen.

Fraglich ist also, ob negative Zinsen durchsetzbar sind beziehungsweise wie ein Gericht in diesem Fall entscheiden würde. Generell gilt, dass Anleihen ein einseitiges Leistungsversprechen verbriefen, das keine Leistungspflichten des Anleihegläubigers begründet, wenn man den allgemeinen Zinsbegriff zugrunde legt. Folglich hat der Gelderhaltende entsprechend dem allgemeinen, nicht rechtlich definierten Zinsbegriff eine Zinsschuld an den Kapitalüberlassenden zu leisten.

Fehlende gesetzliche Begriffsbestimmung

Die bis heute nicht erfolgte gesetzliche Begriffsbestimmung lässt jedoch die Frage offen, ob bei fixen Zinszahlungen mit Negativverzinsung eine Abbildung solcher Strukturen unter den gängigen Prospekten möglich ist. Ungeachtet der technischen Umsetzbarkeit einer Umkehrung der Zinsschuld bei Anleiheemissionen könnte eine Anpassung des Programms erforderlich werden, um für Neuemissionen eine Verzinsung < null Prozent festzulegen. Besteht die Gesamtverzinsung einer Anleihe aus der Summe aus einem Referenzzins und einem Margenaufschlag - sogenannte Floater - ist ebenfalls ein Blick auf den Anleiheprospekt zu werfen. Vielfach wird der Gläubiger ein einseitiges Leistungsversprechen auf Zahlung von Zinsen erhalten haben. Dies lässt zunächst den Schluss zu, dass bei einem Absinken des Referenzzinses auch der Gesamtzins sinkt und damit ein impliziter Floor unterstellt werden kann.

Unklar ist in diesem Zusammenhang jedoch, ob von einem Marge erhaltenden Floor, der ausschließlich den Referenzzins betrifft, auszugehen ist oder der Gesamtzins auf null Prozent fallen kann. Die momentan zu verfolgende Diskussion lässt sowohl den ersten als auch den zweiten Fall als möglich erscheinen.

Zusätzlich zu dem rechtlichen muss zudem die technische Umsetzbarkeit in Betracht gezogen werden. So dürfte die Emission von Floatern, deren Gesamtzins während der Laufzeit der Anleihe unter die Nulllinie rutschen kann, eher dann umsetzbar sein, wenn ein kleiner, bestimmbarer Anlegerkreis (in der Regel institutionelle Kunden) angesprochen wird.

Bewertung von Derivaten

Wenn man davon ausgeht, dass im Umfeld negativer Zinsen der Gesamtzins einer Anleihe unter null Prozent sinken kann, könnte der Zinsfloor eine geeignete Gegenmaßnahme gegen die Zinsumkehr und eine daraus entstehende Zahlungspflicht sein. In diesem Fall schließt der Anleihegläubiger separat oder in Kombination mit dem Kauf der Anleihe einen Floor ab, der ein Absinken des Gesamtzinses unter null absichert.

Auf die Bewertung von Derivaten wirkt sich dies schon beim Absinken der Zinsen an oder unter die Nulllinie aus. So können bereits negative Forwardsätze einen großen Einfluss auf das Pricing von Derivaten haben. In diesem Umfeld steigt in den meisten Fällen die Volatilität und damit die Preissensitivität von derivativen Instrumenten.

Während Mitte April 2015 nahezu in allen Kern-Jurisdiktionen der Laufzeitenbereich von 1 bis 3 Jahren negative Renditen aufwies, wurden deutsche Pfandbriefe sogar bis zu einer Laufzeit von 5 Jahren mit negativen Renditen gehandelt. Durch den jüngsten Renditeanstieg hat sich die Anzahl der Covered Bonds, die eine negative Rendite aufweisen, deutlich verringert und die Attraktivität für Investoren hat sich somit wieder erhöht. Jedoch zeigt der relative Vergleich mit Staatsanleihen, dass sich je nach Jurisdiktion mit Sovereigns eine höhere Rendite erzielen lässt als mit Covered Bonds.

EZB sorgt für zusätzliche Nachfrage

Während in den meisten Core-Ländern Covered Bonds einen positiven G-Spread aufweisen, bieten belgische und französische Staatsanleihen ab einer Laufzeit von sieben Jahren einen Rendite-Pickup im Vergleich zu Covered Bonds. Durch den Renditeschub bieten mittlerweile rund 11 Prozent des Marktes Renditen über 1 Prozent und auch bei Covered Bonds mit einem Toprating ist es bei langen Laufzeiten wieder möglich, eine Rendite über diesem Niveau zu realisieren. Notierten im April neben Pfandbriefen noch weitere acht Kernmärkte im Laufzeitenbereich von ein bis drei Jahren im Durchschnitt mit einer negativen Rendite, weist aktuell kein Marktsegment mehr eine durchschnittliche negative Verzinsung auf. Zwar notieren noch neun Covered Bonds im negativen Bereich, sie repräsentieren mit einem ausstehenden Volumen von 10,6 Milliarden Euro aber nur 1,4 Prozent des iBoxx Euro Covered.

Die EZB verursacht mit dem geplanten Gesamtvolumen von gut einer Billion Euro eine erhebliche zusätzliche Nachfrage an den Staatsanleihe- und Covered-Bonds-Märkten, was bereits im Vorfeld der Anleihekäufe und dann noch einmal zu Beginn der operativen Umsetzung Anfang März zu einem deutlichen Renditerückgang geführt hatte. Zu den wichtigsten Zielen der EZB gehört die Stabilisierung der Inflationserwartungen in dem Bereich von knapp 2 Prozent im Jahresvergleich. Vor allem über den Wechselkurskanal und den Vertrauenskanal hat das erweiterte Ankaufprogramm bereits erste positive Wirkungen für die europäische Wirtschaft entfaltet.

Über das Ankaufprogramm wird nicht nur mehr Liquidität in die Märkte gespült, sondern auch durch die Absenkung der Staatsanleiherenditen die relative Attraktivität risikoreicherer Assets erhöht. Die EZB meldete zum Valuta-Stichtag 26. Juni 2015 ein bisher im Rahmen des CBPP3 angekauftes Volumen von 94,6 Milliarden Euro.

Die momentane Renditeentwicklung bei Pfandbriefen und anderen Covered Bonds ist auch für die im Eurosystem organisierten Notenbanken bedeutsam. Unter dem Covered Bonds Ankaufprogramm schienen einige Notenbank bisher vermeiden zu wollen, Papiere mit negativen Renditen anzukaufen. Diese Zurückhaltung spiegelte sich insbesondere in den Swap-Spreads wider, die in einigen Kernmärkten engere Spreads im mittleren Laufzeitenband aufwiesen als bei kürzeren Laufzeiten.

Dies ist unserer Ansicht nach auf die mangelnde physische Nachfrage nach Covered Bonds mit einer negativen Rendite zurückzuführen, wobei die Notenbanken anscheinend systematisch Papiere mit einer negativen Rendite gemieden haben. Durch die Bewegung der vergangenen Wochen weisen nun auch kürzere Laufzeiten eine positive Rendite auf, was unserem Verständnis nach Käufe im kürzeren Laufzeitenbereich unter dem CBPP3 auslösen sollte.

Neben Pfandbriefen weist auch das Gros anderer Covered-Bond-Gattungen immer noch eine Rendite von weniger als einem Prozent auf. 373 Bonds bieten Renditen zwischen 0,0 und 0,5 Prozent, was einem ausstehenden Volumen von 427,9 Milliarden Euro beziehungsweise 58,4 Prozenbt der Marktkapitalisierung entspricht. Dem gegenüber weisen 192 Covered Bonds eine Rendite im Bereich von 0,5 bis 1,0 Prozent auf. Diese repräsentieren ein ausstehendes Volumen von 211,8 Milliarden euro und einen Marktanteil von 28,9 Prozent.

Floater beeinflussen Euribor-Fixing

Für die Renditeentwicklung der kommenden Monate sind unterschiedliche Einflussfaktoren relevant. Neben der Griechenland-Krise sind dabei der Fortgang des Ankaufprogramms der EZB sowie die allgemeine Renditeentwicklung am Rentenmarkt zu nennen. Auch wenn es momentan nicht danach aussieht, dass es zu einer Rückkehr auf Renditeniveaus von Mitte April dieses Jahres kommt, ist das Thema Negativzinsen weiterhin präsent. So liegt das Euribor Fixing bis einschließlich drei Monate weiterhin im negativen Terrain, was vor allem den Umgang mit Floatern berührt.

Der Autor

Michael Schulz Leiter Fixed Income Research, Nord-LB, Norddeutsche Landesbank Girozentrale, Hannover

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