MIPIM Special

"Wenn alle Faktoren stimmen, halte ich Renditen von fünf bis sechs Prozent für realistisch"

Horst Lieder, Vorsitzender des Vorstands, International Campus AG, München

Der Andrang an deutsche Universitäten ist ungebrochen. Mit den steigenden Immatrikulationszahlen haben in den vergangenen Jahren Wohnkonzepte zur Unterbringung von Studenten stark an Bedeutung gewonnen. Von der Nachhaltigkeit dieses Booms um das "studentische Wohnen" ist Horst Lieder, Vorstandsvorsitzender eines am Markt aktiven Unternehmens, überzeugt. Im Interview mit der Redaktion erläutert er die Spezifika dieser Assetklasse, die seiner Ansicht nach enormes Potenzial für private Betreiber und Investoren birgt. Gerade für Letztere seien bei optimalen Rahmenbedingungen attraktive Renditen realistisch. Für Betreiber wartet das Segment mit nicht zu unterschätzenden Anforderungen auf. So steht etwa die tendenziell höhere Mieterfluktuation sinnbildlich für den verhältnismäßig intensiven Bewirtschaftungsaufwand. Red.

I&F Über 2,8 Millionen Studenten waren zu Beginn des Wintersemesters 2016/17 an deutschen Universitäten eingeschrieben - so viele wie nie zuvor. Vermutlich keine schlechte Zeiten, um auf diesem Wachstumsmarkt aktiv zu sein?

Die Zeiten sind in der Tat nicht schlecht. In Deutschland gibt es mit rund 2,8 Millionen Studierenden mehr Studentinnen und Studenten denn je, wobei für International Campus besonders die kontinuierlich steigende Zahl internationaler Studierender von Interesse ist. Inzwischen studieren bereits 340 000 junge Menschen aus dem Ausland an deutschen Universitäten und Hochschulen.

Ein enormes Potenzial für private Betreiber und Investoren. Auf Jahre hinaus wird Student Housing und Micro Living wegen des weiter zunehmenden Nachfrageüberhangs ein dynamisches Wachstumssegment sein.

I&F Sie akquirieren, entwickeln, bauen, finanzieren und betreiben Studentenwohnheime. Inwieweit ist ein solch integriertes Geschäftsmodell vorteilhaft? Und wie bewerkstelligen Sie den damit verbundenen Aufwand?

Für das Geschäftsmodell von International Campus ist es sehr sinnvoll und vorteilhaft, alle relevanten Leistungen "inhouse" erbringen zu können. Wir müssen und wollen nah an unseren Zielgruppen sein und wollen gleichzeitig Investoren alle relevanten Leistungen aus einer Hand anbieten. Ein Beispiel: Um unsere Marken- und Produktphilosophie problemlos umsetzen zu können, brauchen wir bestimmte architektonische und bauliche Voraussetzungen sowie eine überdurchschnittliche Qualität der Ausstattung. Das Konzept muss in die Projektentwicklung einfließen, damit unser spezifisches Wohn- und Serviceprodukt herauskommt. Den damit verbundenen höheren Aufwand nehmen wir gern in Kauf, denn er spiegelt sich in begehrlichen Marken und einem höheren Mietniveau wider.

I&F Lässt sich eine scharfe Trennlinie zwischen den Kategorien "Studentenapartments", "Serviced Apartments" und "Mikroapartments" ziehen? Oder sind die Übergänge fließend?

Aus unserer Perspektive sind die Übergänge fließend. Im Kern geht es um vergleichbaren, kompakten und zentral gelegenen Wohnraum für eine bestimmte Zeit. Über diese Gemeinsamkeiten hinaus sind die Zielgruppen, ihre Ansprüche und Budgets natürlich unterschiedlich. Studenten schätzen Gemeinschaft, Wochenendpendler eher Ruhe und Komfort. Mikroapartments sehen wir als Sammelbegriff für verschiedene, kompakte Wohn- und Servicekonzepte.

I&F Ist Ihr Unternehmen strikt auf Studenten fixiert? Oder schielen Sie auch auf Gruppen wie Young Professionals?

Wenn Sie so wollen, sind wir auf ein nachhaltiges Wachstum im Segment Micro Living "fixiert". Im Mittelpunkt steht also kompakter, hochwertiger Wohnraum für tendenziell eher junge Zielgruppen. Der Nachfrage seitens der Nutzer und Investoren folgend, hat International Campus deshalb Schritt für Schritt ihre Dachmarke "The Fizz" um neue Wohn- und Serviceprodukte für unterschiedliche Zielgruppen ausgebaut. In München bauen wir beispielsweise ein Boardinghaus mit zirka 160 Apartments für Wochenendpendler, mit entsprechend größeren Apartments und Mehrwertservices. Unser neues Objekt in Wien wird aufgrund der hohen Nachfrage auch räumlich etwas getrennte Apartments für Young Professionals haben. Studentisches Wohnen wird jedoch immer ein Schwerpunkt von International Campus bleiben.

I&F Wie gehen Sie bei der Standortfrage vor? Liegt der Fokus auf Metropolregionen?

Interessant sind natürlich die Metropolen und prosperierenden westdeutschen B-Städte mit engen Wohnungsmärkten, aber auch einige der viel zitierten Schwarmstädte. In Berlin, Hamburg oder Frankfurt am Main könnten wir noch etliche Objekte entwickeln, ohne an Grenzen zu stoßen. Wichtig ist für uns neben einer ausreichend großen Nachfrageschicht für unsere Produkte eine sehr gute Lage und Verkehrsanbindung.

I&F Wie erleben Sie den Wettbewerb um attraktive Standorte und Mieter? Schon als ungesund?

Nein, ungesund nicht, aber intensiver werdend. Wir sehen aktuell immer mehr Spieler auf dem Feld, eine Differenzierung in allen Preissegmenten und hinsichtlich aller Zielgruppen. Das ist sehr nachvollziehbar, denn jahrzehntelang wurde der Bau von Ein- und Zweiraumwohnungen in Deutschland vernachlässigt. Nehmen Sie Berlin: Zwischen 2011 und 2015 wurden jährlich im Schnitt nur 720 Einraumwohnungen fertiggestellt, bei einem jährlich Neubaubedarf von fast 1600 Apartments. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln berechnete für Deutschland einen Gesamtbedarf von rund 17800 Einraumwohnungen und etwa 73800 Zweiraumwohnungen allein bis 2020. Der Wettbewerb nimmt zu und das tut dem Segment Micro Living insgesamt gut.

I&F Sind Umnutzungen von Bestandsimmobilien potenziell interessante Projekte? Oder ist der Neubau überlegen?

Wir bevorzugen eigene oder noch weitgehend anpassbare Projektentwicklungen, weil wir hier unsere Produktvorstellungen ohne große Kompromisse umsetzen können. Häufig ist der Aufwand, Bestandsimmobilien in marktgerechte Wohnprodukte zu entwickeln, im Verhältnis zum erzielbaren Mietniveau zu hoch. Wir sagen aber nicht generell "Nein" zu Bestandsobjekten. Im Frankfurter Stadtteil Gallus haben wir ein ehemaliges Ordnungsamt in ein zeitgemäßes Studentenwohnhaus entwickelt, keine zehn Minuten vom Zentrum entfernt.

I&F Wie ist es um die Drittverwendungsfähigkeit Ihrer Immobilien bestellt? Eine Nutzungsbeschränkung auf Studenten dürfte eine alternative Verwendung im Falle eines Verkaufs erschweren.

Die Lage muss stimmen, dann stellt sich diese Frage nicht. Sollte dennoch irgendwann eine Drittverwendung notwendig werden, sind Studentenwohnhäuser aufgrund ihrer Gebäudestruktur leicht einer alternativen Wohnnutzung zuzuführen. Aus drei Apartments machen sie eine Dreiraumwohnung.

I&F Welche Rolle kommt bei der Betreuung der Liegenschaften dem Asset und Property Management zu? Ist die Mieterfluktuation bei Studentenwohnungen nicht vergleichsweise hoch?

Generell ist beim Student Housing der Betreiber ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Wir sprechen hier nicht von Betreiberimmobilien, aber von Wohnimmobilien mit einem höheren Managementaufwand. Das Bewirtschaftungskonzept hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Performance. Die Mieterfluktuation ist bei uns mit durchschnittlich rund 30 Prozent auf das Jahr gerechnet höher als bei klassischen Wohnimmobilien. Die größere Fluktuation bedeutet aber auch, die Mieten häufiger anpassen zu können. Die Fragen der Instandhaltung und der Neuvermietung - gerade am Semesterstart - sind nicht unerheblich. Dem Aufwand stehen aber höhere Renditen gegenüber.

I&F Wie würden Sie den Wohnbedarf eines Durchschnittsstudenten skizzieren? Werden Einzelapartments präferiert? Oder ist die Zielgruppe grundsätzlich zu heterogen, um sie sinnvoll auf einen Nenner zu bringen?

Nun, ich kann nur unsere durchschnittlichen "The Fizz-Studenten" skizzieren: Unsere Bewohnerinnen und Bewohner präferieren ganz klar ein Einzelapartment, mit eigenem Duschbad, einer Fläche von durchschnittlich 20 Quadratmetern und eigener Pantryküche. Er oder sie will schnell Anschluss finden und schätzt Community wie auch entsprechende Gemeinschaftsflächen, ob nun Cooking Areas, Seminarräume, Lounges oder Dachterrassen. Die Devise lautet: Wenn man Community will, soll man diese schnell und unkompliziert finden. Wenn man Ruhe will, um sich beispielsweise aufs Studium zu konzentrieren, soll man diese problemlos finden. Von Beginn an verfolgt International Campus deshalb den Community-Management-Ansatz, der Community und Kommunikation aktiv fördert. WGs werden aber nicht aussterben, dazu ist die Zielgruppe Studierende zu heterogen.

I&F Ihr Angebot scheint sich primär an gut betuchte Studenten zu richten. Wie kann der Spagat zwischen Renditeorientierung auf der einen, und Bezahlbarkeit auf der anderen Seite grundsätzlich gelingen?

Naturgemäß liegen wir mit den The Fizz-Wohnprodukten im Mietniveau über den staatlich geförderten Studierendenwerken und meist etwas unterhalb vergleichbar umfangreicher Angebote auf dem freien Wohnungsmarkt. Unsere Erfahrung ist die: Wenn das Verhältnis von Preis und Leistung stimmt, akzeptieren Studierende und ihre Eltern auch überdurchschnittliche Mieten. Hinzufügen muss man, dass es nicht den typischen Studenten gibt. Das Durchschnittseinkommen ist ja nur sehr begrenzt aussagekräftig. Schon 2013 hatten 26 Prozent der Studierenden mehr als 1 000 Euro im Monat zur Verfügung. Hier wird die nächste Sozialerhebung im Spätsommer 2017 mit Sicherheit sehr aufschlussreiche Zahlen liefern.

I&F Welchen Preis zahlt ein Student durchschnittlich für Ihre Wohnungen? Handelt es sich um sogenannte "All-In-Mieten"?

Das hängt maßgeblich vom Standort ab. Im Schnitt liegen wir auf alle deutschen Objekte gesehen bei rund 620 Euro All-In-Monatsmiete für das studentische Wohnen. In allen Objekten verlangen wir All-In-Mieten, inklusive Strom, Highspeed-Internet, Betriebs- und Nebenkosten, Gemeinschaftsflächen und so weiter. Etwas anderes wäre aus unserer Sicht nicht marktfähig. Das macht die Miete für uns und den Mieter sehr kalkulierbar.

I&F Neben dem Kernsegment "Studentisches Wohnen" sind Sie unter anderem auch auf dem Gebiet "Unternehmensberatung" aktiv. Wen beraten Sie und warum?

Die Gründung unserer Beratungstochter "Consulting Cum Laude" folgte dem Ziel, einerseits unser Geschäftsmodell zu diversifizieren und andererseits unseren direkten Draht zur "Generation Y" durch unsere Studentenwohnhäuser zu nutzen. Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland nimmt die Generation der heute 17- bis 32-Jährigen ja immer spürbarer eine Schlüsselrolle bei der Besetzung vakanter Stellen und als Konsumenten-Zielgruppe ein. Im Rahmen von "Consulting Cum Laude" beraten wir also - und das ist das Besondere - zusammen mit Vertretern der "Generation Y" Unternehmen im Bereich Marketing, Produktentwicklung und Employer Branding.

I&F Auf Ihrer Website ist auch die Rede von internationalen Netzwerken und Kooperationen. Worum handelt es sich hierbei?

Wir haben 2011 die internationale Kooperationsplattform "Network Cum Laude" gegründet. "Network Cum Laude" ist eine Allianz von Betreibern, Universitäten und Serviceanbietern, die bei der Auslastung und Optimierung von studentischem Wohnraum, studienrelevanten Mehrwertangeboten wie auch beim Wissensaustausch länderübergreifend zusammenarbeiten wollen. Mitglieder sind International Campus in Deutschland, DUWO in den Niederlanden, RESA in Spanien, Republika in der Türkei und Upgrade Estate in Belgien. Insgesamt haben die Partner des Netzwerks heute schon 50000 Apartments im Management oder in der Entwicklung.

I&F Der Anlagedruck von Investoren ist unverändert hoch. Welche Faktoren gilt es bei Investments in studentisches Wohnen grundsätzlich zu beachten?

Investoren brauchen nach unserer Überzeugung einen kompetenten Partner mit einer eigenen Plattform. Das ist nicht werblich gemeint, sondern beschreibt die Komplexität des Themas. Mikrolage, Makrolage, Vermietung, Projektentwicklung, Bewirtschaftung, Produktentwicklung und Branding setzen Erfahrung und Know-how, neben einer leistungsfähigen Plattform, als Erfolgsfaktoren voraus.

I&F Wie groß ist der Einfluss internationaler Investoren?

Einfluss ist das falsche Wort, Interesse passt hier eher. In Deutschland haben wir eine hierzulande stark unterschätzte Bildungs- und Forschungslandschaft, bis auf Verwaltungsgebühren kostenlose Universitäten und Hochschulen, stabile wirtschaftliche und politische Verhältnisse sowie ein klares Bekenntnis zu Europa und Internationalität. Dazu kommen 2,8 Millionen Studierende und mehrere

Zielgruppen, die vergleichbaren Wohnraum stark nachfragen. Ein weiterer Punkt wird in Deutschland ebenfalls unterschätzt: Es gibt eine weltweite "Higher-Education-Industry", die sich ebenso rasant entwickelt wie die weltweite Zahl von Studierenden im Ausland. Natürlich wollen internationale und nationale Investoren an diesem Potenzial und Wachstum partizipieren. Sie suchen attraktive Anlagemöglichkeiten und strategische Partner, in Deutschland und anderen Ländern.

I&F Welche Renditevorstellungen sind hierzulande realistisch?

Wenn alle Faktoren stimmen, halte ich Renditen von fünf bis sechs Prozent für realistisch.

Zur Person Horst Lieder Vorsitzender des Vorstands, International Campus AG, München
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