Im Gespräch

"Banken haben durch die zunehmende Werthaltigkeit der Portfolios mehr Optionen"

Martin Lenhart

Der Markt für leistungsgestörte beziehungsweise strategisch nicht mehr gewünschte Darlehen ist aufgrund des hohen Anlagedrucks auf der Käuferseite lange schon ein Verkäufermarkt. Das hat Konsequenzen für die Preise. Darüber hinaus nimmt die Geldflut der EZB den Verkäufern ein Stück weit den verkaufsdruck, trotz verschärfter regulatorischer Bedingungen. Die Folge: Die Branche der reinen NPL-Servicer erlebte in den letzten Jahren eine heftige Konsolidierung. Dies ist einer der Gründe, weshalb die Immofori AG und ihr Schwesterunternehmen Servicing Advisors Deutschland GmbH, die unter dem Dach der Immofori-Gruppe schon lange Deutschlands größten Spezialdienstleister für immobilienbesicherte Finanzprodukte boten, nun zusammenrücken. Ziel ist, die Produktpalette zu erweitern und zu schärfen, um die Kunden bei allen Einstiegs-, Halte- und Exit-Strategien besser begleiten zu können. Die Loancos GmbH versteht sich als Dienstleister für den gesamten Kosmos der Assetklasse "Loans", wie der Geschäftsführer im Redaktionsgespräch erläutert. Red.

I&F Herr Lenhart, Sie firmieren künftig unter dem Namen Loancos und straffen die Organisation, was waren die Gründe für diesen Schritt?

2012 hat die Immofori Gruppe die Servicing Advisors Deutschland GmbH übernommen. Seitdem arbeiten wir konsequent an der Neuausrichtung der Unternehmen und der Erweiterung der Produktpalette. Mit der Loancos treten wir nun erstmalig als Unternehmensgruppe am Markt auf, die dem Kunden Unterstützung für die komplette Wertschöpfungskette des Immobilienkredites auf einer Plattform bietet. Dies ist aus unserer Sicht in Deutschland einzigartig.

I&F Was versprechen Sie sich von der breiteren Aufstellung mit dem Fokus auf "Loans" und nicht mehr nur NPLs?

Die Frage zeigt deutlich die Problematik. Wir bieten unseren Kunden bereits seit 2011 ein vollumfängliches Primary Servicing an, allerdings sind wir im Markt eher als NPL-Servicer bekannt. Die Branche der reinen NPL-Servicer erlebt in den letzten Jahren eine heftige Konsolidierung. Vor dem Hintergrund immer heterogener werdenden Verkaufsportfolios und dem stark wachsenden Markt der Non-Strategic Loans (NSL) ist eine breitere Aufstellung, gerade im Bereich der wohnwirtschaftlichen Darlehen, entscheidend für den Geschäftserfolg.

I&F Wie hoch ist das von Loancos betreute Volumen? Wie würden Sie die Marktstellung/den Marktanteil einschätzen?

Wir haben im Durchschnitt etwa Forderungen von zwei Milliarden Euro "under management" - Tendenz steigend. Die betreuten Volumen schwanken allerdings. Dies hängt zum einen mit der zunehmenden Fungibilität der Portfolios zusammen, vor allem aber mit dem Abbau von Non-Strategic-Loan-Portfolios, die wir für unsere Kunden wieder schnell in den Markt geben. Im wohnwirtschaftlichen und kleinvolumigen gewerblichen Bereich sind wir sehr stark, dort kommt man kaum an uns vorbei. Aber auch im mittelvolumigen gewerblichen Bereich haben wir Expertise aufgebaut und wollen unseren Marktanteil vergrößern.

I&F Wie hat sich der Markt für leistungsgestörte beziehungsweise nicht-strategische Kredite in den vergangenen Jahren verändert?

Die Erlösquoten der NPLs steigen auf Höchstwerte, die Anzahl von Zwangsversteigerungsterminen nimmt massiv ab; der Markt spielt den Inhabern leistungsgestörter Darlehen in die Karten. Die Portfoliopreise steigen. Damit haben wir momentan eine sehr günstige Situation für Banken, um sich - in manchen Fällen sogar mit außerordentlichen Erträgen - von ihren nichtstrategischen Portfolios zu trennen.

I&F Rechnen Sie im laufenden Jahr wieder mit einer Belebung des Marktes, sprich, mit mehr zum Verkauf stehenden Krediten?

Auf Käuferseite haben alle Investoren großen Anlagedruck. Solange wir einen Verkäufermarkt wie derzeit haben, sollte man von einer Belebung des Marktes ausgehen. Wir haben jedoch in den letzten Jahren gesehen, dass dies kein Automatismus ist. Die Banken haben durch die zunehmende Werthaltigkeit der Portfolios mehr Optionen. Dies ist einer der Gründe, weshalb wir uns durch unsere erweiterte Produktpalette gut aufgestellt sehen, um unsere Kunden bei allen Einstiegs-, Halteund Exit-Strategien begleiten zu können.

I&F Was heißt das für die Preise für NPL, macht da ein Verkauf/ Ankauf noch Sinn?

Solange die Immobilienpreise steigen, macht ein Verkauf von NPL-Portfolios nach wie vor für beide Seiten Sinn. Entscheidend ist der Faktor Zeit. Es ist nicht unrealistisch, dass einige NPL-Portfolios aus ihren bereits gebildeten Einzelwertberichtigungen "herauswachsen". Auf Dauer ist ein Exit für diese Portfolios jedoch schon wegen der erhöhten Eigenkapitalunterlegung trotzdem alternativlos.

I&F Dominieren nach wie vor Portfolioverkäufe das Geschehen?

Wir beobachten eine stark zunehmende Outsourcing-Nachfrage bei Immobilienkrediten. Wenn eine Haltestrategie nicht mehr nur notwendiges Übel, sondern eine lukrative Strategie wird, kommt auch die Cost Income Ratio des Produktes auf den Prüfstand. Die Verschlankungspläne der Banken und Versicherungen sind jeden Tag in den Medien nachzulesen. Aber auch beim Transaktionsmarkt gab es im Jahr 2015 wieder eine deutliche Steigerung zu den Vorjahren.

I&F Worauf kommt es bei solchen Portfoliodeals an, wie strukturiert man diese, erhöht das Thema Digitalisierung die Anforderungen an Transparenz und Geschwindigkeit?

Im Servicing ist Digitalisierung ein Muss, bei den Transaktionen wird das Thema teilweise leider noch stiefmütterlich behandelt. Fehlende Digitalisierung sowie die damit verbundenen hohen Kosten und fehlenden Steuerungsmöglichkeiten sind in manchen Fällen vielleicht gerade der Grund, weshalb sich Portfolioinhaber von Forderungen trennen. Die kritische Datenqualität verzögert bei manchen Transaktionen sogar den Prozess und führt zu schwierigen Verhandlungen über Garantien. Eine bessere Datenqualität und mehr Digitalisierung wären auf jeden Fall förderlich für Kaufpreise und Transaktionsvolumen.

I&F Wer ist auf der Verkäuferseite unterwegs, wer auf der Käuferseite?

Die Portfolios werden immer heterogener, sowohl bezüglich der zugrunde liegenden Assetklassen als auch bezüglich der Bedienung der Forderungen (PL, NPL, SPL, NSL). Zunehmend ist zu beobachten, dass nicht alle Portfolioteile zu den Anlagestrategien der Investoren passen. Der tatsächliche Bieterkreis pro Portfolio ist daher nicht mehr so einfach vorherzusagen. Der Anlagedruck zwingt Investoren auch in neue Geschäftsfelder. Wir beobachten ein verstärktes Interesse von Immobilieninvestoren am Loan-Markt. Wir verschaffen diesen Marktteilnehmern einen Zugang und sind mittlerweile auch so flexibel, kleine, nichtstrategische Teile von Verkaufsportfolios auch selbst zu übernehmen.

I&F Welche Auswirkungen haben die immer weiter steigenden Immobilienpreise in den gefragten Regionen auf die Bereitschaft, sich von Leistungsgestörten und nichtstrategischen Portfolios zu trennen. Erschwert das die Verkäufe aus Ihrer Sicht?

Eine spezielle Auswirkung der Immobilienpreise in gefragten Regionen auf die Transaktionen können wir nicht erkennen. Maßgeblich für die Verkaufsentscheidung sind auch hier die Eigenkapitalbelastung, die Cost Income Ratio und der mögliche Ertrag aus der Auflösung einer früher gebildeten Einzelwertberichtigung.

I&F Wo verändert die Regulatorik mit ihren verschärften Vorgaben bei der Eigenkapitalunterlegung den Markt für Kreditverkäufe - positiv?

Wie sich die geänderten Bestimmungen auf den Transaktionsmarkt auswirken, ist nicht seriös abzuschätzen. Eines ist jedoch klar: Die Banken beschäftigen sich sehr viel intensiver mit verschiedenen Strategien und suchen zusätzliche Alternativen zur Transaktion. Hier schließt sich der Kreis für uns: Wir sind durch die breite Aufstellung als Dienstleister nicht mehr vom Transaktionsvolumen oder den Verkäufen der reinen NPL-Bestände abhängig.

I&F Was sind die größten Hindernisse beim Umgang mit Immobiliendarlehen - Erbbaurechte?

Die Gesetzgebung und Rechtsprechung machen die Assetklasse Immobilienkredit zunehmend komplex: Denken Sie an die Urteile zur Bearbeitungsgebühr und zur Widerrufsklausel oder auch die derzeit diskutierte Gesetzgebung zur Wohnkreditrichtlinie. Banken und Dienstleister müssen immer neue Vorgaben berücksichtigen; Risiken sind durch die teilweise rückwirkend greifende Rechtsprechung schwierig zu kalkulieren. Der Aufwand zur Bearbeitung von Immobilienkrediten ist sehr viel volatiler geworden und erfordert eine flexible Ressourcenallokation. Bei Erbbaurechten ist es umgekehrt. Die seit einigen Jahren geänderten gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen bieten den Erbbaurechtsgebern durch die Möglichkeiten der - bedingten - regelmäßigen Erhöhung des Erbbauzinses lukrative Zusatzerträge. Die historische, meist auf reine Verwaltung angelegte Betreuung der Erbbaurechte durch Kirchen und Gemeinden ist nicht immer auf eine aktive Steuerung des Portfolios ausgerichtet. Durch eine passive Betreuung der Erbbaurechte geht den Eigentümern Geld verloren.

I&F Wie können die besten Verwertungsergebnisse erzielt werden? Welche Rolle spielen dabei Zwangsversteigerungen?

Eine einvernehmliche Lösung durch Umfinanzierung oder den freihändigen Verkauf der Immobilie bringt im Vergleich zum Zwangsversteigerungsverfahren eine hohe Kostenersparnis, einen durchschnittlich zwölf Monate schnelleren Cashflow und einen höheren Preis. Wobei die Preisdifferenz bei den wenigen guten Immobilien, die tatsächlich noch in der Zwangsversteigerung landen, zunehmend abnimmt und durch massive Bietkonkurrenz teilweise umgekehrt wird. Die Verfügbarkeit steht in manchen Regionen mittlerweile über dem Preis - das ist eine spannende Entwicklung.

I&F Glauben Sie, dass der Boom bei der Immobilienfinanzierung neue Risiken schafft? Übernehmen sich die Verbraucher? Wird zu wenig getilgt?

Der Hunger der Banken nach Neugeschäft ist trotz des niedrigen Zinsniveaus ungestillt, wir erleben dies täglich bei der Platzierung von Immobiliendarlehen aus nicht-strategischen Portfolios. Der Beleihungsauslauf spielt dabei teilweise nur eine untergeordnete Rolle. Mit Sicherheit werden also jeden Tag Immobilienkredite vergeben, die nicht zurückgezahlt werden können. Durch die langfristige Zinsfestschreibung wird aber im Privatkundenbereich bei einer Zinssteigerung und gleichzeitig sinkenden Immobilienpreisen eher der Effekt auftreten, dass die Immobilienkreditportfolios Deckungslücken aufweisen. Dies wird der Punkt sein, an dem sich die Banken über den strategischen Umgang mit dem - dann vielleicht - nicht-strategischen Kreditportfolios Gedanken machen müssen, lange bevor die Zinserhöhung tatsächlich beim Darlehensnehmer ankommt.

Zur Person

Martin Lenhart Managing Partner, LOANCOS GmbH, Vorstand IMMOFORI AG und Geschäfts führer, Servicing Advisors Deutschland GmbH, Hamburg

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