Im Gespräch

"Wir sind stolz darauf, dass wir der Fachöffentlichkeit einen solch fein justierten Seismografen anbieten"

Andreas Pohl

Seit acht Jahren bietet der Deutsche-Hypo-Index einen Überblick über die Entwicklung im Bereich der gewerblichen Immobilienwirtschaft. Im Januar 2008 noch als King-Sturge-Index gestartet, gibt er Auskunft über das aktuelle Immobilienklima und die aktuelle Immobilienkonjunktur. Die beiden Initiatoren des Indexes heben den monatlich erhobenen Stimmungsindex für die deutsche Branche besonders hervor. Dieses unterscheide sie von anderen Indizes. Der im Vordergrund stehende Klimaindex kombiniert zu gleichen Teilen das Investment- und das Ertragsklima. Da man nicht nur das Zinsniveau und die Börsendaten zu Rate ziehe, sei derzeit bei den Immobilienmanagern eine größere Skepsis festzustellen, als es die Marktlage vorzugeben scheint. Red.

I&F Der Index erschien 2008, mitten im Wirbel der Finanzkrise, zum ersten Mal: War das rückblickend betrachtet ein günstiger oder eher ungünstiger Startzeitpunkt? Immerhin war der Ruf nach mehr Transparenz auf den Immobilienmärkten damals sehr laut.

Schulten: Es war eindeutig ein günstiger Zeitpunkt, weil auf diese Weise der Übergang des deutschen Immobilienmarktes von einer Krisenphase in die Niedrigzinsphase dokumentiert werden konnte. Und zwar optisch eindrücklich und klar quantifizierbar. Das ist schon eine Geschichte mit viel Kraft und auch ausschlaggebend dafür, dass sich der Deutsche-Hypo-Index innerhalb kürzester Zeit als wichtiger Gradmesser in unserer Branche etabliert hat.

I&F Wie genau funktioniert die Systematik des Deutsche-Hypo-Index?

Schulten: Der im Vordergrund stehende Klimaindex kombiniert in jeweils gleichen Teilen das Investmentklima (Preise/ Renditen) und das Ertragsklima (Mieten/Cashflow). Er basiert auf einem Fragebogen, der - ähnlich wie beim Ifo-Index und nach OECD empfohlener Methodik - die immobilienwirtschaftlichen Erwartungen der kommenden sechs Monate im Kontrast zu den vergangenen sechs Monaten beziehungsweise zum Status quo einschätzen lässt. Damit steht der gewerblichen Immobilienwirtschaft eine Branchenanalyse zur Verfügung, die eine ganzheitliche Betrachtung einzelner Segmente ermöglicht.

I&F Was unterscheidet ihn von anderen Indizes der Immobilienbranche?

Pohl: Nach unserer Kenntnis gibt es sonst keinen monatlich erhobenen Stimmungsindex für die Immobilienbranche in Deutschland. Auch die unmittelbare Gegenüberstellung von Stimmung, also dem Immobilienklima und Immobilienkonjunktur, die sich modellhaft auf harte Daten aus der Zins- und Börsenentwicklung speist, ist bislang einzigartig. So gibt der Deutsche-Hypo-Index unserer Branche wertvolle Erkenntnisse und lässt frühzeitig Trends erkennen.

I&F Kann man Indizes miteinander vergleichen? Schulten: Wir schauen gern auf den VDP-Index und andere fokussierte Preisindices oder den IW-Immobilienindex. Interessant ist dabei natürlich immer, die generelle Richtung und temporäre Ausschläge mit unseren eigenen Ergebnissen zu vergleichen und auf Plausibilität zu prüfen.

I&F Sind Sie mit den bisherigen Erfahrungen aus 100 Veröffentlichungen zufrieden? Oder lag der Index schon mal so richtig daneben?

Pohl: Wir sind stolz darauf, dass wir der Fachöffentlichkeit einen solch fein justierten Seismografen anbieten. Bislang lag er nicht daneben. Wobei die Frage etwas irreführend ist. Unser Index ist ein Stimmungsindex. Dabei ist ja letztlich die Frage interessant: Wie valide kann eine Stimmung die Realität - und zwar möglichst in der Vorausschau - abbilden?

I&F Der Index wirft ähnlich dem Ifo-Konjunkturindex einen Blick nach vorne und gleichzeitig zurück: Ist er eher vorausschauend oder nachlaufend?

Schulten: Das sind die Frage und der Maßstab, an denen sich auch der Ifo-Index immer wieder messen lassen muss. Wenn man Stimmung und Daten miteinander vergleicht, kann im mittelfristigen, tendenziellen Zyklusverlauf oft ein Vorlauf von etwa drei bis sechs Monaten beobachtet werden. Wenn natürlich externe Schocks wie die Euro- oder Ukraine-Krise eintreten, reagiert der Index unmittelbar nachlaufend.

I&F Können Markteinbrüche also quasi vorhergesehen werden?

Schulten: Nur dann, wenn Sie aus einer ökonomischen Konstellation hervorgehen, die als Risiko im Vorfeld erkannt wird. Gerade in der aktuellen Zeit ist die Stimmung ja trotz des hohen Niveaus verhaltener als die Daten aus dem Immobilienkonjunktur-Index. Das ist schon ein Indikator für erkannte Restriktionen (hohes absolutes Preisniveau, Deckelung der Projektentwicklung et cetera), die langfristig zu einem Abwärtszyklus führen können. Die Historie zeigt, dass der Deutsche-Hypo-Index durchaus als Frühindikator dient: Gegenüber dem Produktionsindex für das Bauhauptgewerbe weist er einen Vorlauf von mehreren Monaten auf. Allerdings: Externe Schockfaktoren, die plötzlich und nicht vorhersehbar eintreten, wird kein Index der Welt jemals einfangen können. Dies ist wie bei der Wettervorhersage: Die Vorhersage einer Gewitterzelle ist möglich, die eines Erdbebens leider nicht.

I&F Hat die Geldpolitik der EZB, die zu abnormalen Zuständen wie Negativ-Renditen geführt hat, die Aussagekraft des Index beeinflusst beziehungsweise geschmälert?

Pohl: Die sehr lang auf hohem Niveau anhaltenden Indexwerte sind, entgegen einer normalen zyklischeren Entwicklung, durchaus ein Hinweis auf die wirtschaftliche Sondersituation. Vor allem der deutlich über dem Klimaindex verlaufende Konjunkturindex, in den ja die niedrigen Zinsniveaus stark einfließen, beschreibt die aktuelle Situation sehr gut.

I&F Die größten Auswirkungen auf das Immobilienklima und die Immobilienkonjunktur haben externe Faktoren wie Staatsschuldenkrise, Euro, Ukraine: Warum kommen immobilienspezifische Themen kaum zum Tragen?

Pohl: Was sind die nationalen, immobilienspezifischen Themen, wenn nicht das niedrige Zinsniveau und die gute Realwirtschaft. Lassen sie einmal einen dieser beiden Faktoren sich verändern, dann wird der Deutsche-Hypo-Index ganz sicher darauf reagieren.

Die gewerbliche Immobilienwirtschaft ist eng verknüpft mit der Realwirtschaft. "Der Index hat Bedeutung in der Branche. Keine Frage."

I&F Und warum schlagen sich geopolitische Krisen immer noch relativ schwach im Immobilienklima nieder?

Schulten: Sie schlagen sich, finden wir, durchaus sichtbar nieder, erholen sich aber bei offenbar zufriedenstellenden politischen Lösungen wieder. Frei nach Bill Clinton folgen wir hier tatsächlich den Trendlines und nicht den Headlines.

I&F Haben sich diese Einflussfaktoren in den vergangenen acht Jahren verschoben?

Schulten: Nicht erkennbar.

I&F Wirkt ein solcher Index nicht trendverstärkend, wenn alle Menschen sich danach richten und gleich handeln?

Schulten: Bei einer solchen Frage schmunzeln wir. Der Index hat Bedeutung in der Branche. Ohne Frage. Aber nicht umsonst wird immer betont, dass jede Immobilie ein eigenes ökonomisches Profil hat. Die abgebildete Marktentwicklung mit einer Prise Vorausschau zeigt ja nur die Großwetterlage an.

Auch bei Regen gehen die Menschen raus, dann aber mit Schirmen. Unser Index hilft zu entscheiden: Sollte ein Schirm mitgenommen werden oder zieht die Schlechtwetterlage schnell vorbei?

I&F Der Klimaindex ist aktuell schlechter als die tatsächlichen Daten, warum sind die Immobilienmanager skeptischer als es der Markt eigentlich verlangt?

Pohl: Die Rahmendaten sind gut, aber die gefühlte Temperatur scheint anders zu sein. Unser Panel zieht bei der Befragung noch andere Informationen ins Kalkül als nur das Zinsniveau und die Börsendaten. Und das ist sicher angesichts der Komplexität des Immobilienmarkts richtig.

I&F Was sind die entscheidenden Determinanten bei der Entscheidung - nur rationale Daten? Welche Rolle, welches Gewicht hat das gute alte Bauchgefühl?

Schulten: "Bauchgefühl" ist eine Metapher für - wenn es richtig eingesetzt wird - eine kluge Entscheidung aus Erfahrung und intensiver Beobachtung.

Statistische Daten, zumal in einem Modell wie dem Immobilienkonjunktur-Index, sind nicht unbedingt rationaler als ein ganzes Set aus sehr vielen Beobachtungen. Wir freuen uns, genau dieses Bauchgefühl erstmals statistisch und methodisch zweifelsfrei in einem Index quantifizieren zu können.

I&F Wofür nutzt ein erfahrener Immobilienexperte wie Sie, Herr Pohl, diesen Index?

Pohl: Es reizt mich, dazu beizutragen, unserer Branche Monat für Monat mit dem Deutsche-Hypo-Index ein hilfreiches Instrument bereitzustellen, dessen Ergebnisse durchaus einen Steuerungsimpuls auslösen können. Zudem finde ich es äußerst interessant, meine eigene Meinung über den Markt und die zukünftige Entwicklung mit der Meinung des Panels abzugleichen.

I&F Besteht eine Korrelation zwischen den Erwartungen zu Nutzernachfragen und Preisen, sprich, steigen die Preise wirklich, wenn die Immobilienexperten eine höhere Nachfrage erwartet haben?

Schulten: Ja, unseren Beobachtungen zufolge schon.

I&F Trauen Sie sich eine Prognose für den 101. Deutsche-Hypo-Immobilienindex zu?

Pohl: Nein. Der Meinung des Panels können und möchten wir in keinem Fall vorgreifen. Aber ich bin schon jetzt gespannt, welche Ergebnisse sich im Monat Mai ergeben.

Die Autoren Andreas Pohl Sprecher des Vorstands, Deutsche Hypo, Hannover Andreas Schulten Vorstand, bulwiengesa AG, Berlin

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