Big Data im Kreditgeschäft: Wie reagieren Facebook-Nutzer, wenn Banken das Profil durchsuchen?

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Jan-Justus Brenger, Annemarie Kühn, Georg Gliem, Marianne Nake, Markus Neuber, Daniel Wulf, alle Mitarbeiter an einer Studie am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre in Chemnitz (Prof. Dr. Friedrich Thießen) - Auch im Bankgeschäft legen die Menschen Wert darauf, die Bequemlichkeiten des Internets umfassend zu nutzen. Dass es dazu aber eventuell einer Auswertung der eigenen Daten sowie der Informationen anderer Nutzer von sozialen Medien aus dem eigenen Umfeld bedarf, ist vielen im Detail nicht so bewusst und verändert die Einstellung zum Teil erheblich. In einer empirischen Untersuchung kommen die Autoren unter anderem zu der Erkenntnis, dass die Nutzer sozialer Medien teils sogar eine Bereitschaft entwickeln, die Daten ihrer auswertbaren Profile zu manipulieren, falls sich dadurch vorteilhafte Geschäftsabschlüsse erreichen lassen. Zwar stehen die internetaffinen Probanden dem Big-Data-Ansatz nicht vollkommen negativ gegenüber, mit Blick auf die eigene Person wollen sie aber möglichst nur von den positiven Aspekten profitieren. Ob die Kreditwirtschaft die Einführung von Big-Data-Geschäftsmodellen besser den neu gegründeten Fintechs überlassen sollte, ist damit für die Autoren noch nicht abschließend entschieden, aber dem Tenor nach raten sie den Banken zu einem eher behutsamen Umgang mit Kundendaten. (Red.)

Wann endlich lassen sich die Daten der Facebook-Nutzer nutzen? Dies fragen sich mehr und mehr kommerzielle Unternehmen vor allem im Kreditgeschäft. Big Data macht es möglich, ungeheure Datenmengen zu screenen und nach Strukturen hin zu durchsuchen. Eine interessante Anwendung ist die Analyse der Kreditwürdigkeit. Facebook selbst arbeitet daran und trat 2015 mit einer Patentanmeldung an die Öffentlichkeit. Sie betraf die Datenanalyse des sozialen Umfeldes einer Person (das heißt unter anderem seiner Facebook-Freunde) mit dem Ziel, eine genauere Kreditwürdigkeitsprüfung erstellen zu können.

Junge Start-up-Unternehmen wie Kreditech oder Big Data Scoring verfolgen ähnliche Ziele. Kreditech hofft, mit seinen Analysen "... improve financial freedom for the underbanked by the use of technology" und an anderer Stelle: "... its unique scoring technology enables it to score, underwrite and payout to underbanked people, those with little or no credit history".1)

Verständliche Widerstände gegen eine kaum aufzuhaltende Entwicklung

Es ist verständlich, dass Widerstände nicht ausbleiben. Wer lässt sich schon gerne ausspionieren? Big Data Scoring schlägt die Flucht nach vorn ein und postet auf seinen Internetseiten die Kritik eines Skeptikers: "Making money by scoring data without people's permission and affecting creditworthiness is a questionable business model."2) Dieses Zitat beleuchtet die möglichen Aversionen der Facebook-Nutzer gegen das krakenartige Sammeln persönlicher Daten durch kommerzielle Unternehmen.

Aufhalten wird man die Entwicklung nicht können. Schon haben auch die Treasurer verschiedener Firmen die Möglichkeiten von Big-Data-Analysen für das Kreditrisikomanagement erkannt. 52 Prozent einer Gruppe von 100 befragten Treasurern will solche neue Techniken einsetzen, wenn sie genügend Erfolgsaussichten bieten.3)

Wie aber würden Menschen genau reagieren, wenn sie wüssten, dass ihre Facebook-Eintragungen von ihrer Bank für Zwecke der Kreditvergabe analysiert werden? Dies war das Problem, das eine Studie am Lehrstuhl für Finanzwirtschaft und Bankbetriebslehre in Chemnitz aufzuklären versuchte. Es wurden zwei Forschungsfragen gestellt:

- Als erstes wurde gefragt, wie Menschen ein Social-Media-Daten-gestütztes Kreditgeschäft grundsätzlich einschätzen und was sie insbesondere davon halten, wenn ihre Bank auf ihren Facebook-Seiten nach Daten sucht.

- Als zweites wurde untersucht, ob Menschen die Durchforstung ihrer Social-Media-Daten durch ihre Bank passiv hinnehmen oder ihrerseits anfangen würden, Daten so zu manipulieren, dass die Bank einen vorteilhafteren Eindruck bekommt.

Drei Szenarios untersucht

Um eine möglichst große Zahl von Antworten bearbeiten zu können, wurde ein Fragebogen mit geschlossenen Fragen gewählt,4) 271 Personen nahmen teil. Dieser hohe Wert zeigt das große Interesse an dem Thema. Das Durchschnittsalter der Personen liegt bei 26 Jahren mit einer Streuung von 18 bis 64. Personen unter 18 Jahren wurden wegen des Schwerpunktes bei der Kreditvergabe ausgeschlossen. Männliche und weibliche Teilnehmer sind gleich verteilt. Die Teilnehmer sind internetafin, betreiben Online- und Mobile-Banking und nutzen Facebook.

In Szenario I wurde den Probanden eine Situation vorgestellt, bei der sie in einem Einkaufszentrum dank des Zugriffs einer Bank auf ihr Facebook-Profil ein gewünschtes attraktives und teures Gerät auf dem Kreditwege mithilfe ihres Handys innerhalb von wenigen Minuten ohne Probleme erhalten konnten. Anschließend wurden die Probanden um eine Bewertung und Beurteilung dieser Situation gebeten. In den Szenarios II und III wurde den Probanden verdeutlicht, wie die schnelle und unkomplizierte Kreditvergabe aus Szenario I funktionierte, dass nämliche eine Auswertung des eigenen Facebook-Profils erfolgte und bestimmte sehr private Daten von sich und seinen Freunden dabei verwendet wurden. Wieder wurde um eine Bewertung und Beurteilung der Situation gebeten. Schließlich wurden die Probanden nach weiteren Konsequenzen für das eigene Verhalten gefragt.

Welche Ergebnisse wurden erzielt? Ein erstes Ergebnis betrifft das Kreditgeschäft als solches. Die Menschen verstehen, dass man mit Big-Data-Analysen den Kreditprozess verbessern kann. Allerdings sehen sie in der Möglichkeit, Kredite noch schneller und noch unkomplizierter erhalten zu können als jetzt schon, keinen großen Vorteil. Banken müssen also aufpassen, ob es sich wirklich lohnt, Menschen mit Datenschnüffelei zu verärgern.

Als konkrete Vorteile einer Kreditvergabe mittels Facebook-Daten wird erwähnt: 44 Prozent können sich bessere Kreditkonditionen vorstellen. 46 Prozent erwarten größere Schnelligkeit und 51 Prozent mehr Bequemlichkeit. 31 Prozent können sich auch vorstellen, überhaupt erst dadurch kreditwürdig zu werden. 45 Prozent befürchten dagegen schlechtere Bedingungen für sich selbst.

Höchst kontroverse Beurteilungen

Erklärt man den Probanden, wie genau die Bank zu ihrer schnellen Kreditbeurteilung kommt, nämlich dadurch, dass sie ganz persönliche Daten aus Facebook-Profilen auswertet, dann beginnen sich die Meinungen stärker zu spalten. Das Thema wird sehr kontrovers beurteilt. Negative Meinungen treten stärker hervor. Die Zahl der Menschen, die das Angebot jetzt noch interessant finden, halbiert sich (nur noch 23 Prozent).

Die Auswertung privater Daten durch eine Bank bekommt einen moralischen Touch und rüttelt an Tabus: nur 24 Prozent halten die Technik für fair. Dass negative Daten aus den Facebook-Profilen die Kreditkonditionen negativ beeinflussen (müssen), sehen zwar 40 Prozent ein. Aber weitere 40 Prozent denken, dies sollte nicht passieren. Persönliche Daten, die auch Freunde sehen können, einer Bank freizugeben, das kann sich nur ein Viertel der Probanden vorstellen - 64 Prozent lehnen es rundheraus ab.

Ganz generell ist festzustellen, dass eine Verwendung von persönlichen Daten zum Nachteil einer Person nicht toleriert wird. Eine Weitergabe persönlicher Daten sollte einen Nutzen, aber keine Nachteile bringen - so die Vorstellung der Teilnehmer.

Verstoß gegen überkommene Fairnessnormen

Das bedeutet, dass in der berechnenden, rationalen, "kalten" Auswertung persönlicher Daten durch einen Kreditgeber sozialer Sprengstoff liegen kann, weil sie gegen überkommene Fairnessnormen erfolgt. Die Welt wird - in den Augen der Teilnehmer - weniger menschlich und weniger menschenfreundlich. Die Härte, mit der ungünstige persönliche Daten zum Nachteil einer Person kommerziell ausgenutzt werden, stößt die Menschen ab.

Eine auffällige Gruppe sind die "Hardliner". Das sind Menschen, die ganz dezidiert jede Art des Kreditgeschäftes mit persönlichen Daten ablehnen. Es handelt sich immerhin um etwa 25 Prozent bis 30 Prozent der Probanden. Diese Gruppe hält auch Datenschutz für sehr wichtig. Eine Verwendung persönlicher Social-Media-Daten durch eine Bank für Kreditzwecke lehnt sie strikt ab.

Die Existenz dieser stattlichen Gruppe führt dazu, dass der Modus, also die häufigste Antwort, bei vielen Fragen bei der kompromisslosen Alternative "stimme überhaupt nicht zu" liegt. Die resultierende Verteilung ist wegen dieser Gruppe bei vielen Fragen stark linksschief. Das bedeutet, dass die extremen Meinungen auf der zustimmenden Seite schwach, auf der ablehnenden Seite aber sehr stark besetzt sind.

Eine Bank, die persönliche Daten ihrer Kunden auswertet, könnte sich also der Gefahr aussetzen, von den Befürwortern (hier sind die Extremwerte dünn besetzt) keine besondere Unterstützung zu erhalten, während sie auf der ablehnenden Seite (hier gibt es extreme Meinungen in großer Zahl) mit heftiger Kritik rechnen muss. Erfahrungen der Schufa, die für ihre geplanten Datenanalysen heftig kritisiert wurde, sind dafür ein ernstes Beispiel.

Manipulation des Facebook-Profils?

Eines ist vielen Menschen klar: Im Lauf der Zeit wird es nicht nur die Bank sein, die auf Facebook-Daten zurückgreift. Je mehr kommerzielle Nutzungen an Facebook anschließen, desto vorteilhafter wird es werden, seine Facebook-Seiten strategisch zu gestalten.

In der Studie wurde deshalb auch nach den Maßnahmen gefragt, welche Facebook-Nutzer durchführen würden, um von den Vorteilen des Banken-Scorings profitieren zu können. Konkret lautete die Frage: "Wenn ich von den Vorteilen profitieren könnte, dann würde ich ..." Das zentrale Ergebnis: Die Menschen würden tatsächlich ihre Facebook-Seiten "schönen". Facebook ist offenbar nichts derart Persönliches, dass man nicht auch opportunistisch seine Eintragungen manipuliert, also bereit ist, seine Persönlichkeit verfälschend darzustellen.

Zunächst einmal würden 58 Prozent (i) ihre Posts, (ii) ihre geteilten Inhalte und (iii) ihre Likes weniger spontan durchführen, sondern sie besser durchdenken. 36 Prozent würden Freunde löschen. 40 Prozent würden Freundschaftsanfragen weniger leichtfertig stellen und 17 Prozent sogar ganz gezielt Freundschaftsanfragen bei hochbewerteten Personen stellen. 31 Prozent würden mehr auf die Rechtschreibung achten. 39 Prozent würden gezielt bestimmte Fotos löschen und 41 Prozent die Verlinkung auf Fotos stärker durchdenken. 30 Prozent würden bestimmte Seiten mit Karriere- und Bildungsinhalten häufiger liken und 28 Prozent vermeintlich weniger vorteilhafte Seiten - aus dem Blickwinkel eines Kreditgebers - (zum Beispiel weltanschaulichen Inhalts) nicht mehr liken. Markierungen würden 51 Prozent genauer überprüfen.

Abschreckende Wirkung einer Kommerzialisierung sozialer Netzwerke

Damit zeigt sich eine deutliche Bereitschaft bei einem Teil der Facebook-Nutzer, Facebook-Inhalte zu manipulieren. Allerdings gibt es auch gegenteilige Ansichten. Diese sind sogar in der Überzahl. Bestimmte Freunde auf Facebook zu löschen, lehnen 52 Prozent ab. Gezielt und strategisch bestimmten Personen Freundschaftsanfragen zu stellen, welche einen guten Leumund haben und bei einer Kreditanalyse Pluspunkte bringen müssten, lehnen 71 Prozent ab. Gezielt Fotos zu löschen und Verlinkungen auf Fotos strategisch anzupassen, lehnen 44 Prozent ab. Markierungen genauer zu überprüfen, können sich 34 Prozent nicht vorstellen. Das bedeutet zusammenfassend: Die Mehrheit schreckt vor Manipulationen ihrer Facebook-Seiten noch zurück, aber ein bedeutender Teil, der im Bereich 30 Prozent bis 40 Prozent der Probanden liegt, würde solche Maßnahmen durchführen.

Wie aber wird es in Zukunft werden? Mit dieser Frage beschäftigte sich der letzte Teil des Fragebogens.

Reaktion auf konkrete Big-Data-Techniken

Framing bedeutet, dass man Probanden einen Rahmen vorsetzt. Man versucht dadurch herauszufinden, wie gefestigt bestimmte Vorstellungen sind oder wie leicht sich Probanden an sich ändernde Umstände anpassen. Den Probanden wurde anhand von Beispielen gezeigt, wie Big-Data-Analysen konkret funktionieren. Zum Beispiel wurde erläutert, dass eine Bank durch Bewegungsprofile lernen könnte, in welchen Straßen man sich vorzugsweise bewegt, um aus dem häufigen Vorkommen von "schlechten" Vierteln Schlüsse zu ziehen. Oder die Bank könnte Schlüsse aus der Zahl der Rechtschreibfehler, der Wortwahl oder den verwendeten grammatika lischen Wendungen ziehen, um auf unsere intellektuellen Fähigkeiten zu schließen.

Genauso könnte die Bank die Freunde analysieren und feststellen, wer mehr oder weniger "günstige" Eigenschaften hat, wie viele darunter arbeitslos sind oder häufige Jobwechsel vornehmen, in schlechten Vierteln leben, um aus diesen Daten auf die eigenen Kreditbedingungen zu schließen.

Mit derartigen eindringlichen Beispielen wurden die Probanden "geframt", um dann noch einmal nach ihrer Bereitschaft gefragt zu werden, ihr Facebook-Profil zu manipulieren. Die Reaktionen sind absolut überraschend. Denn die Zustimmung zu manipulierenden Maßnahmen nimmt in einem nicht zu erwartenden Maße zu.5)

Nach dem Framing steigt die Zustimmung zur Aussage, mehr auf die eigene Rechtschreibung zu achten, um 28 Prozentpunkte. Die Bereitschaft, die Verlinkung von Fotos zu überdenken, steigt um 20 Prozentpunkte und diejenige, bestimmte Fotos zu löschen um 16 Prozentpunkte. Die Zustimmung zur Aussage, bestimmte "förderliche" Seiten wie Bildungsseiten oder Karriereseiten häufiger zu liken, nimmt um 17 Prozentpunkte zu. Die Zustimmung zur Aussage, Seiten mit möglicherweise eher kritischen politischen oder religiösen Inhalten weniger zu liken, steigt um 13 Prozentpunkte. Die Zustimmung zur Maßnahme "Markierungen genauer zu überprüfen", steigt um 12 Prozentpunkte. Auch der eigene Standort wird nun wichtiger genommen; die Bereitschaft, Informationen darüber bekannt zu geben, sinkt um 11 Prozentpunkte.

Interessant sind die Aussagen, die sich auf Maßnahmen beziehen, die etwas mit Freunden zu tun haben. Nach dem Framing ist die Zustimmung zur Aussage "bestimmte Freunde auf Facebook löschen" um 18 Prozentpunkte höher. Die Zustimmung zur Aussage, "Freundschaftsanfragen besser zu durchdenken", steigt um 16 Prozentpunkte. Die Zustimmung zur Aussage "gezielt bestimmten Personen Freundschaftsanfragen stellen", steigt sogar um 35 Prozentpunkte. Das sind enorm hohe Werte. Alle Aussagen zusammen belegen, in welch hohem Maße Menschen bereit sind, Facebook weniger als Teil der Persönlichkeit zu betrachten, sondern als ein Instrument, das man nach Nützlichkeitserwägungen handhabt. Selbst die oben erwähnten "Hardliner" schwenken um. Nur noch bei sechs von zwölf Fragen liegt der Modus bei den extrem ablehnenden Urteilen gegenüber neun von zwölf vor dem Framing.

Herdenverhalten

Abschließend wurde gefragt, wie Menschen auf das Verhalten anderer reagieren (Herdenverhalten), wenn sich Big-Data-Techniken weiter ausbreiten. Würden sie ihr Facebook-Profil für Banken öffnen, wenn sie erführen, dass andere dies auch tun? Einerseits bejahten nur 9 Prozent diese Frage. Andererseits sagen aber 79 Prozent, dass sie sich dann mehr mit dem System beschäftigen würden. Und 55 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sie dann auf die Freunde und Bekannten zugehen und ihnen abraten würden, Daten freizugeben. Gewisse Reaktionen auf die "Herde" sind also vorzufinden. Es ist nicht egal, was die anderen machen.

Welche Konsequenzen ergeben sich? Der Trend zur Auswertung aller nur möglichen Datenbestände für kommerzielle Zwecke ist eine nicht mehr aufzuhaltende Entwicklung. Gerade die Auswertung persönlicher Daten für Zwecke der Bonitätsprüfung gilt als vielversprechend und zieht viele Interessenten an.

Die betroffenen Bürger sehen die Entwicklung mit Sorge. Sie beobachten die zunehmende Kommerzialisierung ihres ganz persönlichen sozialen Umfeldes. Sie erkennen, dass Big-Data-Analysen zur Kreditwürdigkeitsprüfung grundsätzlich eine verstehbare Logik haben und Sinn machen. Aber sie mögen es nicht, wenn ihre Privatsphäre durchleuchtet wird. Und sie mögen es vor allem nicht, wenn sich dadurch für eine Person negative Konsequenzen ergeben. Das wird als unfair empfunden.

Verhaltensänderung der Menschen in sozialen Netzwerken?

Im Einzelnen kann man folgende Erkenntnisse ziehen:

- Die Menschen begreifen ganz rationalistisch die neuen Geschäftsmodelle und ihre Logik und erkennen die Vorteile. Sie stehen dem Big-Data-Ansatz nicht vollkommen ablehnend gegenüber.

- Abgelehnt wird es, wenn sich Daten aus Social Media negativ für eine Person auswirken. Wenn man schon sein Facebook-Profil einer Bank öffnet, dann will man einen Vorteil davon haben, keinen Nachteil. Etwas anderes wird als unfair empfunden.

- Ein Teil der Gesellschaft lehnt das Schnüffeln in privaten Daten strikt ab. Insgesamt sind die Antworten deutlich linksschief verteilt mit einem sehr dicken Ende im ablehnenden Bereich. Vorreiterbanken müssen deshalb mit heftigem Widerstand rechnen. Die Einführung von Big-Data-Geschäftsmodellen sollte man neu gegründeten Fintechs überlassen, die als Newcomer geringere Opportunitätskosten haben.

- Die Menschen zeigen Bereitschaft, sich gesellschaftlichen Trends anzupassen. Wenn die neuen Techniken einmal implementiert und verbreitet sein werden, wird der Widerstand verschwinden.

- Zurzeit wird das Schnüffeln in privaten Daten eher als unethisch und unfair empfunden. Die Menschen fühlen sich im Gegenzug berechtigt, ihre Facebook-Daten zu manipulieren.

- Eine Wie-du-mir-so-ich-dir-Mentalität ist festzustellen. Wer kommerziell ausgeschnüffelt wird, der antwortet mit Manipulationen seiner Daten.

Big Data hat weitreichende Konsequenzen für die Gesellschaften: Wenn nichts mehr geheim bleibt und alles kommerziell ausgenutzt wird, dann verschwindet die Privatsphäre und das ganze Leben wird kommerziell. Dies verändert auch das Verhalten der Menschen in sozialen Netzwerken. Wenn diese zunehmend kommerziellen Zwecken der Netzwerkbetreiber dienen, dann antworten die Menschen kommerziell. Dies muss als ein besonders kritischer Aspekt beurteilt werden: Schon wenige Jahre nachdem sich die sozialen Netzwerke etablierten, sind sie offenbar dabei, zu rein kommerziellen Einrichtungen zu werden, deren Vorsilbe "sozial" nur noch Staffage ist und deren kommerzielle Hintergründe niemandem verborgen bleiben.

Diese Reaktionen der Menschen auf das zunehmende kommerzielle Umfeld in sozialen Netzwerken wird für die Big-Data-Analysten eine Herausforderung werden.

Fußnoten

1) Vgl. den Internetauftritt von Kreditech unter: https://www.kreditech.com/what-we-do/

2) Ähnlich wie Kreditech versucht Big Data Scoring aus Estland mit Standorten und Partnern in Großbritannien, Finnland, Polen, Chile und Indonesien Daten sozialer Netzwerke, insbesondere von Facebook, auszuwerten. Dazu gehört die Nutzungszeit verschiedenster Facebook-Dienste oder die berufliche Situation von Freunden. Auch die mit einem "Like" gekennzeichneten Seiten werden ausgewertet. Als Geschäftszweck wird angegeben: "Big Data Scoring helps lenders harness Big Data to make better credit decisions" (https://www.facebook.com/BigDataScoring/)

3) Vgl. Desirée Backhaus, 2016, Treasury goes digital, in: Der Treasurer, Heft 2, Seite 21.

4) Die Autoren bedanken sich bei der Postbank für die Freigabe der Daten, die im Rahmen des Postbank Finance Award erhoben wurden.

5) Die Zunahme wird gemessen als Summe (i) der Zunahme zu den Aussagen "stimme zu" und "stimme voll und ganz zu" sowie (ii) der Abnahme zu den Aussagen "stimme nicht zu" und "stimme überhaupt nicht zu" jeweils erfasst in Prozentpunkten.

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