Venture-Capital-Markt und Fintech-Szene: klassische Aufgabenfelder für Förderbanken?

Dr. Jürgen Allerkamp, Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin (IBB)

Dr. Jürgen Allerkamp, Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin (IBB) - Wenn private Investoren ihr Interesse an einer Finanzierung von Gründern beziehungsweise allgemein kleinen und mittleren Unternehmen entdecken, die nur vergleichsweise wenig an Kreditsicherheiten bieten können, ist die Arbeit der Förderbanken im Wesentlichen getan. Gerade bei Startups im Technologie-, Kreativ- oder Dienstleistungsbereich hält der Autor die Beteiligungsfinanzierung bis zu diesem Stadium aber für wichtig, um der Wirtschaft den nötigen Anschub für künftiges Wachstum zu geben. Die VC-Finanzierung stuft er dabei als ein Hochrisikogeschäft ein und stellt an die Beteiligungsunternehmen in seiner Region nicht nur entsprechend hohe Wachstumserwartungen, sondern will auch Exit-Perspektiven erfüllt sehen, um zu erwartende Ausfälle gegebenenfalls kompensieren zu können. Für den Standort Berlin hebt er insbesondere die Bedeutung der Fintech-Szene hervor, die er bei der Weiterentwicklung zu einem von zwei räumlichen und logistischen Zentren in Deutschland unterstützen will. (Red.)

Förderbanken werden hauptsächlich dort aktiv, wo der Markt die Finanzierung von Unternehmen und Vorhaben nicht von sich aus reibungslos gewährleistet. Es sind dies die Finanzierung von Gründern und kleinen und mittleren Unternehmen, die nur eingeschränkte Kreditsicherheiten bieten können und die Finanzierung von Vorhaben - oft im Bereich technologischer Innovation - die hohe Investitionen erfordern und nur schwer zu beurteilende Erfolgsaussichten bieten. Dazu kommen noch Förderschwerpunkte, die regionalen Gegebenheiten Rechnung tragen - etwa im Bereich der öffentlichen Infrastruktur, des Wohnungsmarktes oder regionaler Branchenstrukturen, die eine regionale Kompetenz und Ausrichtung der Förderinstitute erfordern.

Venture Capital in Deutschland: spät entwickelt

Ein Markt für Venture Capital hat sich in Deutschland erst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre und damit relativ spät entwickelt, um dann gleich einige Jahre später mit der Krise am neuen Markt schwer beschädigt zu werden. In dieser Phase war das öffentliche VC-Angebot von existenzieller Bedeutung für den VC-Markt und gerade in Berlin und Ostdeutschland war privates Beteiligungskapital im Unterschied zum öffentlichen Angebot kaum vorhanden. In Berlin hat sich dies inzwischen stark gewandelt.

Im Zuge der steigenden Bedeutung von Start-ups im Bereich der Digitalwirtschaft hat das Interesse nationaler und internationaler Investoren an Investments in Berlin stark zugenommen und privates Beteiligungskapitel erweitert zunehmend das öffentliche Angebot, das über die IBB Beteiligungsgesellschaft, den Hightech-Gründerfonds, den ERP-Startfonds oder die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MGB) seit Jahren schon besteht.

Berlin nimmt hier aber eine Sonderstellung ein. Das Ernst & Young Start-up-Barometer Deutschland 2016 zeigt, dass rund 50 Prozent der deutschen VC-Investitionen im Vorjahr auf Berlin entfielen, das lediglich auf einen Anteil von gut 4 Prozent am deutschen Inlandsprodukt kommt. Aber obwohl privates Kapital in Berlin inzwischen reichlich sprudelt, ist das öffentliche Angebot noch immer von großer Bedeutung. So sind die IBB Beteiligungsgesellschaft und ihre Finanzierungspartner an rund 20 Prozent der 220 VC-Transaktionen des Jahres 2016 beteiligt und in Bundesländern, die nicht so im Fokus internationaler Investoren stehen, dürfte die Bedeutung öffentlicher Beteiligungsgeber natürlich noch größer sein (Abbildung 1).

Venture Capital kommt als Finanzierungsinstrument aber nur für relativ wenige Gründungen und Unternehmen in Betracht, die ihrerseits oft auch gar kein Interesse an einer VC-Beteiligung haben. Nach dem jährlich erscheinenden KMU-Report von Creditreform und Investitionsbank Berlin zeigen sich noch nicht einmal 4 Prozent der befragten Unternehmen an einem VC-Investment interessiert, wobei das Interesse mit abnehmendem Unternehmensalter aber zunimmt.

Interesse im Technologie-, Kreativ- oder Dienstleistungsbereich

Für eine kleine Gruppe neugegründeter Unternehmen, die Start-ups im Technologie-, Kreativ- oder Dienstleistungsbereich, ist die Beteiligungsfinanzierung aber von besonderer Bedeutung. Diese Unternehmen zeichnen sich in der Regel dadurch aus, dass sie jung (und damit noch wenig kapitalisiert) sind, sich oft in kapitalintensiven Bereichen tummeln (also einen großen Finanzierungsbedarf haben) und Vorhaben realisieren wollen, deren Erfolgsaussichten schwer zu beurteilen sind. Sie vereinen also oft eine ganze Reihe von Risikofaktoren unter einem Dach, die sie für die Beteiligungsfinanzierung über eine öffentliche Förderbank prädestiniert. Dazu kommt, dass diese Unternehmen, die oft neue Technologien entwickeln und verbreiten, von großer Bedeutung für das Technologie-Image des Standortes sind und eine wichtige Rolle für das regionale Innovationssystem spielen. Sie sind also auch von daher interessant für Förderbanken, die sich in der Regel nicht ausschließlich mit der Unternehmensfinanzierung, sondern auch mit der Standortentwicklung befassen (Abbildung 2).

Beteiligungskapital verbessert die Bilanzstruktur dieser Unternehmen, erhöht ihre Bonität und erweitert damit auch die Möglichkeiten der Fremdfinanzierung. Beteiligungskapital wird oft in Kombination mit anderen Finanzierungsinstrumenten eingesetzt. Mehr als die Hälfte der Portfolio-Unternehmen der IBB Beteiligungsgesellschaft mbH hat darüber hinaus auch andere Förderangebote der IBB genutzt.

Ein Hochrisikogeschäft

Aber die Start-ups haben es nicht immer leicht, Beteiligungskapital zu finden. Sie müssen in die Beteiligungsstrategie einer Beteiligungsgesellschaft passen und sie müssen vor allem deren Wachstumserwartungen erfüllen. Da es sich bei der VC-Finanzierung um ein Hochrisikogeschäft handelt, müssen die Beteiligungsunternehmen hohe Wachstumserwartungen erfüllen und Exit-Perspektiven bieten, um gegebenenfalls zu erwartende Ausfälle kompensieren zu können.

In diesem Sinne als Start-ups mit Wachstumsperspektiven sind auch die Fintech-Unternehmen für die Beteiligungsfinanzierung einer öffentlichen Förderbank wie der IBB von Interesse. Eine Sonderposition haben sie nicht oder in Berlin allenfalls dadurch, dass sie hier auf dem Nährboden einer kreativen Digitalwirtschaft hervorragende Entwicklungsperspektiven vorfinden und es bei dem großen Interesse, das sie dem Standort entgegenbringen, lohnt, sich für eine weitere Verbesserung der Standortbedingungen zu engagieren.

Mit rund 70 Unternehmen ist Berlin heute neben Frankfurt am Main das Fintech-Zentrum in Deutschland und mit 258 Millionen Euro entfielen 2016 knapp zwei Drittel des in Deutschland in Fintechs investierten Kapitals auf Berlin. Es ist davon auszugehen, dass es durch den Einsatz digitaler Technologien im Finanzbereich in den nächsten Jahren zu einer erheblichen Umverteilung von Arbeitsplätzen zu den Fintech-Unternehmen kommen wird, die derzeit in erster Linie Systeme für die Abwicklung des Zahlungsverkehrs, für die Verwaltung von Sparguthaben und Vermögen sowie für die Kreditvergabe entwickeln. In Berlin könnten nach Einschätzung der IBB-Volkswirte so in den nächsten zehn Jahren bis zu 40 000 Arbeitsplätze entstehen.

Im permanenten Dialog mit der Fintech-Szene

Als Förderbank ist die IBB deshalb im permanenten Dialog mit der Berliner Fintech-Szene und setzt sich dafür ein, die Standortbedingungen weiter zu verbessern. Ganz oben auf der Prioritätenliste steht dabei die Einrichtung eines Berliner Fintech-Hub als räumliches und logistisches Zentrum der Berliner Fintech-Szene. Von dem Dialog mit den Fintechs profitiert die Bank im Übrigen auch dadurch, dass sie ihre eigenen Strukturen kritisch hinterfragt und Anregungen für das in diesem Jahr gestartete Projekt zur weiteren Digitalisierung der Abläufe erhält - angefangen bei der elektronischen Antragstellung.

Einige Fintech-Unternehmen sind auch Förderkunden der IBB. Mit "fairr.de", einem Anbieter kundenfreundlicher Altersvorsorgeprodukte und "Getsurance", die eine komplett digitale Berufsunfähigkeitsversicherung entwickeln, ist die IBB Beteiligungsgesellschaft derzeit an zwei Fintech-Unternehmen beteiligt. Darüber hinaus kooperiert die Bank mit Vertriebsplattformen zur weiteren Verbreitung der Förderangebote.

Zusammenfassend ist zu betonen, dass die Gründer- und Start-up-Finanzierung ein zentrales Betätigungsfeld für Förderbanken darstellt und dass Venture Capital in diesem Zusammenhang ein wichtiges Element ist, das oft nicht isoliert, sondern in Kombination mit anderen Finanzierungsinstrumenten zum Einsatz kommt. Fintechs sind eine für Berlin besonders relevante Gruppe von Start-ups mit einem erheblichen Wachstumspotenzial, für deren Entwicklung und deren Rahmenbedingungen in der Stadt die IBB sich gern weiterhin engagiert.

Dr. Jürgen Allerkamp , Vorsitzender des Vorstands, Investitionsbank Berlin

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