Optimismus gefragt

Philipp Otto

Es ist schon ein bemerkenswertes Bild, das John Cryan von der Deutschen Bank zeichnen möchte. Es hat wenig zu tun mit der Deutschen Bank von früher. Stolz bis zur Arroganz, Selbstbewusstsein bis zur Überheblichkeit, Kraft bis zum Übermut, Stärke bis zur Dominanz - die ganze Welt war gerade groß genug für das Haus aus der Bankenhauptstadt der Bundesrepublik Deutschland. Damit soll Schluss sein, zumindest mit all den Übertreibungen. Die neue Deutsche Bank soll ein Haus sein, das ehrlich rüberkommt, voller Demut und Dienstbarkeit. Eine Bank, die "wirtschaftliches Wachstum fördert und die Gemeinschaft voranbringt, eine Bank, die Positives bewirken kann." All das hat Cryan in seiner Rede auf der Bilanzpressekonferenz und wenige Tage später mit ganzseitigen Anzeigen in den großen Tageszeitungen deutlich gemacht. "Diese Altlasten haben uns nicht nur viel Geld, sondern auch Reputation und Vertrauen gekostet. [...] Das möchte ich zum Anlass nehmen, um im Namen des Vorstands der Deutschen Bank unser tiefes Bedauern auszudrücken für das, was geschehen ist. Wir möchten uns dafür entschuldigen." Die Deutsche Bank entschuldigt sich!

Manch einer mag sagen, das hätte es früher nicht gegeben. Vermutlich nicht. Aber es passt zum Wirken und der Person von John Cryan. Ihm nimmt man eine solche Entschuldigung ab, was nicht für jeden Vorstandsvorsitzenden aus früheren Tagen gelten mag. Aber passt es auch zum Vorstandsvorsitzenden der einen Deutschen Bank, dem Aushängeschild der deutschen Finanzszene auf den internationalen Märkten, dem wichtigsten Partner der deutschen Wirtschaft im Ausland, einem der ersten Ansprechpartner der deutschen Politik. Muss eine solche Institution sich so in den Staub werfen? Oder war es vielleicht ein bisschen zu viel des Guten? Entschuldigen, ja sicherlich. Aber so arg?

Das zeigt aber auch, wie schlimm es in den vergangenen Monaten um den (ehemaligen?) deutschen Branchenprimus gestanden haben muss. Verluste in Milliardenhöhe. Große Kunden haben ihre Zusammenarbeit eingeschränkt. Wichtige Investoren haben sich zurückgezogen. Der Kurs auf unter zehn Euro pro Aktie gefallen. Die Marktkapitalisierung nur noch ein Bruchteil im Vergleich zu beispielsweise den amerikanischen Wettbewerbern. Es wäre für diese ein Leichtes gewesen, den früheren Konkurrenten quasi aus der Portokasse heraus zu übernehmen. Ob sie es aus Angst vor den immer noch viel zu großen Rechtsrisiken oder ob des alten Gentlemen's Agreement, man übernimmt sich nicht gegenseitig, nicht getan haben, man wird es vermutlich nicht erfahren.

Die Bilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr, die erste in der vollen Verantwortung Cryans, seit er vom Aufsichtsrat auf den Vorstandssessel gehievt wurde, ist keine gute, kann keine gute sein. Immer noch kosten die Altlasten zu viel Geld, mehr als 5 Milliarden Euro mussten in den vergangenen eineinhalb Jahren an Strafen, für Vergleiche und Entschädigungen aufgewendet werden. Für 2016 stehen Kosten für Rechtsstreitigkeiten mit 2,4 Milliarden Euro in der Bilanz, das heißt, der Großteil der Strafen aus dem Vergleich mit dem amerikanischen Justizministerium in Höhe von mehr als 7 Milliarden US-Dollar belastet die Zukunft, ohne dass neue Dinge wie beispielsweise Israel hinzukommen.

Dann kostet der Umbau Kraft und Geld. Und Ertrag. Die Erträge im Kapitalmarktgeschäft sind um 14 Prozent gesunken. Die Unternehmens- und Investmentbank verlor 7 Prozent ihrer Einnahmen. Die Privatkundesparte und die Deutsche Asset Management verbuchten bereinigt um Sonderfaktoren wie den Verkauf der Hua Xia Bank, der Private Client Services oder Abbey Life Rückgänge um 7 Prozent beziehungsweise 5 Prozent. Insgesamt verlor die Deutsche Bank rund 10 Prozent ihrer Erträge, mehr als 3,5 Milliarden Euro. Der Vorsteuerverlust beträgt mit 810 Millionen Euro deutlich weniger als der Verlust nach Steuern mit mehr als 1,3 Milliarden Euro, weil trotz Verlust auch noch Steuern in Höhe einer halben Milliarde Euro gezahlt werden mussten. Das liegt an nicht abzugsfähigen Positionen wie beispielsweise Strafen aufgrund von Rechtsstreitigkeiten oder negative Goodwills bei Veräußerungen.

John Cryan wertet 2016 zwar als "alles andere als einfach", aber auch als "sehr ermutigend". So habe sein Haus in der schweren Zeit September/Oktober 2016 bewiesen, dass es sehr widerstandsfähig sei. Und der Umbau komme voran, mit kleinen Schritten zwar nur, aber mit vielen kleinen. Hoffnung macht die Abbaueinheit NCOU, die 2017 wohl geschlossen werden kann. 2015 schlug der Rückbau der risikogewichteten Aktiva im Volumen von ursprünglich 128 Milliarden Euro noch mit einem Verlust von 3,2 Milliarden Euro zu Buche, 2016 noch mit immerhin 1,5 Milliarden Euro. Aber es wurde auch Kernkapital in Höhe von 8,5 Milliarden Euro freigesetzt. Auch die Modernisierung der IT, bei seinem Amtsantritt von Cryan noch als total veraltet verspottet, macht Fortschritte. Immerhin wurde die Zahl der Systeme von 45 auf 38 reduziert. Das zeigt aber auch, wie langwierig dieser Prozess sein wird.

Die Neuordnung des Privat- und Firmenkundengeschäfts nimmt ebenfalls Fahrt auf. 2016 wurden bereits erste Filialen zusammengelegt und 800 der angekündigten rund 4 000 Stellen, die allein in Deutschland gestrichen werden sollen, abgebaut. Mit weiteren 800 Mitarbeitern habe man Vereinbarungen erzielt, so Privatkunden-Chef Christian Sewing. Der Rest folgt in diesem und im kommenden Jahr. Und der Plan für die Schließung von weiteren 181 Filialen 2017 steht ebenfalls. Und schließlich: Es sei gelungen, die Mittelabflüsse von September und Oktober nicht nur zu stoppen, sondern sogar umzukehren und zu übertreffen. Stellt man eine "rein fiktive Rechnung" (Finanzvorstand Marcus Schenck) auf, mag das um jegliche Sondereffekte bereinigte Ergebnis von rund 4 Milliarden Euro andeuten, was für die Deutsche Bank möglich wäre. Aber wann gab es zuletzt ein Jahr ohne Sondereffekte?

Für die Zukunft ist auf jeden Fall eine gute Portion Optimismus gefragt. John Cryan bemühte gar die Landwirtschaft: "Wir müssen zunächst aussäen, wenn wir später eine größere Ernte einfahren wollen. Und das erfordert Geduld." Dazu gehören aber auch das richtige Wetter, der richtige Dünger und viel harte Arbeit. Da bleiben die Bereinigung von Altlasten und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten. Da wartet die schwierige Entscheidung über die Zukunft der Postbank, die sich aus eigener Kraft im laufenden Jahr für einen Verkauf oder Börsengang aufhübschen soll. Sollten dafür aber hohe Abschreibungen anfallen, wird man sie behalten. Klarheit sieht anders aus.

Da sind die Spekulationen um einen Teilverkauf des Asset Managements. Da steht der Großteil der Grausamkeiten im deutschen Privatkundengeschäft an, was sicherlich nicht zur Begeisterung der Mitarbeiter beitragen wird. Gleich zeitig muss die Digitalisierung vorangetrieben werden, als moderne und effiziente Bank nimmt man die Deutsche noch nicht wahr. Effizienz und Profitabilität müssen erhöht werden, der RoE ist zu niedrig, die CIR zu hoch. Da stehen eine gestrichene Dividende und zusammengeschnurrte Boni als Statement an Aktionäre und Mitarbeiter. Da wartet der Spagat, trotz mehr Ehrlichkeit und anderer Geschäfte auch weiterhin lohnenswerter Anziehungspunkt für die Haifische des internationalen Investmentbankings zu bleiben - nicht für die Betrüger und Halunken, aber die knallharten Deal- und Moneymaker.

Zusammengefasst: Die Deutsche Bank muss sich wieder Respekt und Vertrauen erarbeiten. Das geht nicht mit Entschuldigungen, das geht nur mit Erfolgen. Es ist ein langer Weg, bis Wettbewerber und Kunden wieder zur Deutschen Bank aufblicken, sich vor diesem Haus verneigen und nicht andersrum.

Philipp Otto , Geschäftsführer, Verleger, Chefredakteur , Verlag Fritz Knapp, Verlag Helmut Richardi, Verlag für Absatzwirtschaft

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