Verbände als Dienstleister

Ein Einheitsverband steigert den Mitgliedernutzen nicht zwangsläufig

Der US-Autopionier Henry Ford hatte die Gabe, mit wenigen Worten und in einfachen Bildern seine Überzeugungen zu transportieren: "Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler". Diese bekannte Redewendung hilft auch bei der Betrachtung der Struktur der genossenschaftlichen Verbände in Deutschland aus der Sicht eines kleineren Bankenverbandes.

Der Verband der PSD Banken e. V. betreut und prüft als Fachprüfungsverband die 15 genossenschaftlichen PSD Banken in Deutschland. Diese sind regional agierende Direktbanken. Als ehemalige Post-, Spar- und Darlehensvereine konzentrieren sie sich seit 137 Jahren ausschließlich auf das Privatkundengeschäft. Mit 51 Bankstellen, die weitgehend Beratungscenter sind, werden bundesweit über 1,2 Millionen Mitglieder und Kunden betreut. Der Verband der PSD Banken e. V. wird durch die 15 PSD Banken getragen und nimmt seit nunmehr über 70 Jahren subsidiär nur die Aufgaben wahr, die die angeschlossenen Institute alleine nicht darstellen wollen oder können.

Der Verband der PSD Banken ist unter anderem Mitglied im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) und im Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV).

Zu Beginn dieses Jahrzehnts wurde im genossenschaftlichen Verbund eine intensive Diskussion um die zukünftige Struktur der Verbände geführt. Unter dem Schlagwort "Bündelung der Kräfte" wurde die Vision eines nationalen Genossenschaftsverbandes in Deutschland geboren. Damals kam es aus vielfältigen Gründen nicht zu diesem einen nationalen Verband. Gleichwohl ist die genossenschaftliche Verbändelandschaft über Fusionen in Bewegung geraten.

Die Diskussion über die optimale Verbändestruktur ist vor allem an den Interessen der Verbandsmitglieder, also der Primärinstitute, zu orientieren. Wenn eine Neuordnung des genossenschaftlichen Verbandswesen sinnvoll sein soll, dann muss sie vor allem eines bewerkstelligen: Es muss ein erheblich höherer Nutzen für die Mitglieder generiert werden.

Von der Theorie ...

Genossenschaften haben den Auftrag, die wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder zwecks gemeinschaftlichen Geschäftsbetriebs zu fördern. Aus den Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverwaltung und Selbstverantwortung resultiert das System der Pflichtmitgliedschaft in einem Prüfungsverband. Zum Schutz der Mitglieder, der Gläubiger und der Allgemeinheit versteht sich dabei die Prüfung als umfassende Betreuungsprüfung.

Für Genossenschaften wie genossenschaftliche (Prüfungs-)Verbände ist das Förderprinzip konstituierend, sodass beide nicht ihren eigenen individuellen Nutzen, sondern generell den Nutzen ihrer Mitglieder mehren sollen. Deshalb sind diese Verbände als nicht-wirtschaftliche Vereine auch nicht auf Gewinnerzielung angelegt, sondern es liegt ihnen das Kostendeckungsprinzip zugrunde.

... zur Praxis

Obwohl das System der genossenschaftlichen Selbstverwaltung - in dem der Verband der Basis dient und nicht umgekehrt - somit konsequent fortgesetzt wird, ist die Frage nach der optimalen Betriebsgröße eines Verbandes beziehungsweise der Verbandslandschaft legitim und sinnvoll. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden die Vorteilhaftigkeit eines kleineren Fachprüfungsverbandes versus eines genossenschaftlichen Einheitsverbandes beleuchtet werden.

Welche Vorteile würden sich für die 15 PSD Banken ergeben, wenn diese von einem genossenschaftlichen Einheitsverband geprüft und betreut würden? Von Befürwortern eines Einheitsverbandes werden gerne folgende Gründe vorgetragen, die im Folgenden hinterfragt und entkräftet werden:

1. Kostenersparnis: Durch den Wegfall mehrerer Regional- und Fachprüfungsverbände könnten erhebliche Kosten eingespart werden.

Heute erhalten die PSD Banken von ihrem Verband lediglich die von ihnen gewünschten Leistungen. Hierbei handelt es sich insbesondere um Leistungen, die die Mitgliedsinstitute alleine nicht darstellen wollen oder können. Diese Fokussierung auf das Mitglied beziehungsweise den Mandanten ermöglicht es dem Verband der PSD Banken mittels einer Nischenstrategie, als Kostenführer für seine Mitglieder zu agieren. Darüber hinaus ist dies ein Beitrag für seine Primärinstitute, deren Position als Kostenführer zu stärken.

Ein weiterer Aspekt ist das Einsparpotenzial bei den Verbänden. Das Projekt des BVR "Abbau von Doppelarbeiten im genossenschaftlichen Verbund" hat gezeigt, dass zwar Doppelarbeiten bei den Verbänden existieren, jedoch das Einsparpotenzial vergleichsweise gering ist. Eine weitere Erkenntnis des Projektes ist, dass Redundanzen - und damit Einsparpotenziale eher bei den größeren und weniger bei den kleineren Verbänden bestehen. Unabhängig davon sind die genossenschaftlichen Verbände nach dem Kostendeckungsprinzip in jedem Fall gefordert, Doppelarbeiten in ihren Reihen zu vermeiden und abzubauen. Dies kann und wird erfolgen.

2. Effizienzsteigerung: Durch die Konzentration in einem Einheitsverband werde das Know-how des Finanzverbundes effizient gebündelt. Die genossenschaftlichen Banken in Deutschland bilden keine durchgängig homogene Bankengruppe. Ein Einheitsverband, der nicht nur Volks- oder Raiffeisenbanken als Mitglieder zählt, die zudem überwiegend das Privat- und Firmenkundengeschäft betreiben, sondern auch eine Vielzahl von gewerblichen und ländlichen Genossenschaften betreut, muss für ein als Direktbank tätiges Institut, das nur das Privatkundengeschäft kennt, nicht zwangsläufig Effizienz oder Nutzen steigernd wirken. Im Gegenteil: In einem großen Einheitsverband können die Interessen der verschiedenartigen Mitglieder sogar kollidieren. Ein von der Mehrheit der Verbandsmitglieder abweichendes Geschäftsmodell läuft Gefahr, an Trennschärfe zu verlieren und auf lange Sicht unterzugehen.

Erst die Konzentration des Verbandes der PSD Banken auf das spezielle Geschäftsmodell der PSD Banken garantiert eine am Geschäftsmodell orientierte Effizienz. Mehr noch: Als neutrale, koordinierende und identitätsstiftende Instanz ist der Verband der PSD Banken e. V. in der Lage, die Einheit der PSD Bankengruppe zu wahren.

3. Zentralität: Um die Dezentralität der Primärinstitute zu gewährleisten, bedürfe es heute und in Zukunft einer verstärkten Zentrierung im Verbund. Aufgrund der intensiven Nähe des PSD-Verbandes zu den einzelnen Mitgliedern, sind in der PSD Bankengruppe die konzeptionellen Arbeiten zu Sachthemen wie aufsichtsrechtliche Aufgabenstellungen (zum Beispiel MaRisk) oder Prozessoptimierung längst zentralisiert. Eine weitere Bündelung dieser Themen auf einen Einheitsverband wäre bestenfalls ergebnisneutral.

In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass operative Tätigkeiten des Bankgeschäfts keine genuine Verbandsaufgaben sind. Verbände konzentrieren sind neben konzeptionellen Arbeiten und Prüfung der ihnen angeschlossenen Institute vor allem auf die Interessenvertretung. Dies erfolgt nicht nur im politischen Bereich, sondern auch als Vertretung der Primärebene gegenüber den Verbundpartnern und zentralen Dienstleistern. Ein (kleiner) Verband mit großer Nähe zu seinen Mitgliedern hat eine bessere Affinität zur Primärebene, die es ihm erlaubt, deren Interessen gegenüber Zentraleinrichtungen optimal zu vertreten. Ein Beispiel für eine derartige Interessenvertretung ist die Diskussion um die Verteilung der Erlösströme im Verbund.

Mitgliedsbanken entscheiden über Profil des Verbandes

Um die Zukunft der Primärinstitute nachhaltig zu sichern, ist weniger die Zentralisierung von Verbänden effizient und gewinnbringend als vielmehr die sinnvolle Bündelung von operativen Funktionen der Primärbanken in Servicegesellschaften, insbesondere im Bereich der Marktfolge. Hierdurch können unabhängig von Fusionen unter den Primärinstituten hohe Kostensenkungspotenziale gehoben werden. Gleichzeitig ist die Dezentralität und Selbstständigkeit der Primärbanken viel stärker gesichert als über jede wie auch immer geartete Fusion auf Verbandsebene. Kleine Verbände sind kein Ballast, sondern eine Bereicherung im Finanzverbund.

Die Rechtfertigung der Existenz kleiner Verbände ergibt sich zuallererst aus dem Mitgliederinteresse. Ausschließlich die Mitgliedsinstitute entscheiden über Profil und Bestand ihres Verbandes. Ihr Interesse speist sich aus zwei Quellen: die adäquate Interessenvertretung und die Fokussierung auf die Leistungsbedürfnisse der Mitglieder. Welches Gewicht beziehungsweise welchen Einfluss hätten die PSD Banken in einem Einheitsverband? Wie gut und stark würden die betriebswirtschaftlichen Interessen oder geschäftspolitischen Besonderheiten dieser Banken berücksichtigt? Solange die 15 PSD Banken beziehungsweise die Mitglieder der anderen kleineren Verbände vom Nutzen ihres Verbandes überzeugt sind, stehen die kleinen Verbände nicht zur Disposition. Sie sichern die Vielfalt der genossenschaftlichen Bankenlandschaft in Deutschland.

Diskussion um Kompetenzzentren

Veränderung ist der Motor der Welt. Daher wird sich auch die genossenschaftliche Verbändestruktur in Deutschland in den nächsten Jahren weiter wandeln. Es sollte hierbei allerdings weniger die Idee des Einheitsverbandes verfolgt werden, bei dem es ungewiss ist, ob er mehr Nutzen für die Mitglieder oder nur mehr Bürokratie mit sich bringt.

Vielmehr sollten sich die genossenschaftlichen Verbände mit der Frage beschäftigen, ob sie neben ihrer Mitgliederbetreuung eine Arbeitsteilung auf der Verbändeebene im Sinne von Kompetenzzentren anstreben sollten. Diese Diskussion müsste in enger Abstimmung mit dem BVR und dem DGRV erfolgen. Das Prinzip Friedrich Wilhelm Raiffeisens "Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele" bietet Interpretationspotenzial nicht nur für die Primärebene, sondern auch für die Verbandsebene.

Darüber hinaus dürfte auch in Zukunft im Bankensektor das Prinzip "All business is local" gelten. Das schließt aber nicht aus, ausgewählte Funktionen der genossenschaftlichen Finanzdienstleister aus Effizienzgründen zu zentralisieren. Für die Primärbanken hieße dies, die Kundenbetreuung und Marktbearbeitung erfolgt weiter dezentral vor Ort, die Marktfolgetätigkeiten aber würden in Bearbeitungszentren konzentriert. Hier bieten sich als Partner die genossenschaftlichen Rechenzentralen GAD oder Fiducia an.

Die genossenschaftlichen Verbände würden ihre Mitglieder weiter dezentral individuell- und bedarfsorientiert betreuen und zunehmend die immer komplexer werdenden Grundsatzaufgaben der Primärebene unterstützen. Hierfür benötigt man allerdings keinen Einheitsverband, sondern mitgliedernahe Verbände sowie den Willen zur partnerschaftlichen und zielorientierten Zusammenarbeit. Was immer auch die Zukunft bringt, letztlich muss der gewählte Weg in der genossenschaftlichen Organisation den Nutzen der Primärinstitute mehren. Oder frei nach Henry Ford: "Der Wurm muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler! "

Rudolf Conrads , Vorstandsvorsitzender des Verbandes , Verband der PSD Banken e.V.
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