Direktbanken

Firmenkredite sind nicht direktbankfähig

Das Privatkundengeschäft der deutschen Direktbanken erreicht heute Marktanteile von etwa zehn bis zwölf Prozent bei Erstbankverbindungen. Bei diesem Erfolg stellt sich unweigerlich die Frage, warum Direktbanken nicht auch im Firmenkundengeschäft vergleichbare Anteile erreichen könnten. Aktuelle Umfragen unter Firmenkunden wie zum Beispiel in der Studie "Direct Banking im Firmenkundengeschäft (2010)" von Ibi Research und PPI zeigen auf, dass ausreichend Interesse in der Zielgruppe vorhanden ist und entsprechende Potentiale brach liegen. Dennoch hat bis heute keine Direktbank diese Chancen genutzt. Warum?

Firmenkreditgeschäft als kritischer Faktor

Für die Beantwortung der Frage nach dem Potenzial des Firmenkundengeschäftes für Direktbanken ist zunächst zu betrachten, worin der Erfolgsfaktor dieser Bankengruppe begründet liegt. Produkt- und Prozessstandardisierung sind in diesem Zusammenhang die entscheidenden Faktoren.

Das heutige Geschäftsmodell der Direktbanken basiert auf wenigen, meist digital en Kanälen und standardisierten Produkten fast ausschließlich für Privatkunden, zentral von einem Standort aus gesteuert. Hieraus resultieren Kostenvorteile, die in Form von günstigen Konditionen an die Kunden weitergegeben werden. Zudem ergibt sich im Kerngeschäft der Direktbanken nahezu durchgängig ein beratungsloser Ansatz. Bei einigen Anbietern wird dieser allerdings durch in Tochterunternehmen ausgelagerte Beratungsangebote ergänzt.

Ausgehend vom beschriebenen Ansatz erfordert ein erfolgversprechendes Modell im Firmenkundengeschäft für Direktbanken demnach eine Konzentration auf wenige standardisierte Produkte mit weitgehend automatisierten Prozessen, um die genannten Kostenvorteile zu erzeugen.

Im Inlandszahlungsverkehr ist dies sicherlich möglich, im Zahlungsverkehr außer halb der EU schon diffiziler. Auch das Einlagengeschäft ist relativ einfach standardisiert abbildbar. Also bleibt nur das Kreditgeschäft als möglicher kritischer Faktor.

Distanzgeschäft verhindert umfassende Risikoanalyse

Dem erfolgreichen Kreditgeschäft geht eine umfassende Risikoanalyse des Antragstellers voraus. Beim Privatkundengeschäft erfolgt diese heute weitestgehend automatisiert. Die Vergabe von Krediten an Unternehmen gestaltet sich in dieser Hinsicht deutlich komplexer. Unabhängig von den Dimensionen der einzuräumenden Kredite und Kreditlinien auf Kontokorrentkonten und Betriebsmittelkrediten erfordert die Bewertung der Risiken intensive Kenntnisse auf Seiten der Bank: Von den Märkten über die Ziele bis hin zu Chancen des Geschäftsfelds des Firmenkunden spielen unterschiedlichste Faktoren eine Rolle und fließen in die Entscheidung mit ein. Dies erfordert deutlich mehr personelle Ressourcen und gänzlich andere Backoffice-Strukturen als im Privatkundenkreditgeschäft.

Gerade im Distanzgeschäft der Direktbanken kann der notwendige intensive Austausch mit dem Kreditnehmer, zu dem in der Regel auch der Besuch von Warenlagern, Maschinen und Räumlichkeiten gehört, deutschlandweit kaum effizient aus einer Zentrale heraus abgebildet werden. Alternativ kann die Direktbank regionale Einheiten für diesen Zweck schaffen. Doch ist eine derartige Bank dann noch eine Direktbank mit allen ihren Vorteilen? Eher nein.

Selektion statt "alles aus einer Hand" für Unternehmen oft schwierig

Das Kreditgeschäft im Firmenkundensegment ist durch Direktbanken demnach nur mit einem relativ hohen Aufwand oder gar nicht realisierbar. Lediglich einige ausgewählte Dienstleistungen und Produkte wie zum Beispiel die Abwicklung des Zahlungsverkehrs können mit den von der Kundenseite erwarteten Kostenvorteilen angeboten werden. Unternehmen, die im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit darauf angewiesen sind, kostengünstige Bankdienstleistungen einzukaufen, stehen somit vor einem Dilemma: günstige Konditionen oder umfassendes Leistungsspektrum mit Beratung.

Diese Situation ist auch Privatkunden nicht unbekannt. Ihre Lösung sieht vor, verschiedene Banken zu beauftragen. Prinzipiell steht es ebenso jedem Unternehmer und Unternehmen frei, seine Bankgeschäfte dezentral abwickeln zu lassen. Es ist also denkbar, dass Firmenkunden ähnlich wie Privatkunden selektiv vorgehen: Zahlungsverkehr, Einlagen sowie Corporate Cards für die Dienstreisenabrechnung der Mitarbeiter bedient die Direktbank. Den Betriebsmittelkredit könnte die ortsansässige Filialbank liefern.

Diese im Privatkundengeschäft inzwischen übliche Praxis endet im tagtäglichen Bankgeschäft allerdings schnell dort, wo Kreditentscheidungen getroffen werden müssen. Anders als im standardisierten Privatkundengeschäft wird keine Filialbank das Firmenkreditgeschäft ohne Zahlungsverkehr und Einlagengeschäft durchführen können. Diese Bereiche sind intensiv verwoben und unabdingbar für die Beurteilung einer Kreditentscheidung. Ohne den Überblick über die laufenden Umsätze des Kreditnehmers wird deshalb keine Bank einen Kredit vergeben. So ist die Selektion der Bankgeschäfte in den meisten Fällen keine geeignete Möglichkeit für Unternehmen.

Angesichts der vorausgegangen Überlegungen scheint das Firmenkundengeschäft für Direktbanken wenig attraktiv, in Teilen sogar kaum realisierbar. Dreh- und Angelpunkt ist das Kreditgeschäft.

Firmenkundengeschäft ohne Kreditvergabe keine echte Option

Was wäre aber, wenn sich die Direktbank auf Unternehmen fokussiert, die kein Kreditgeschäft benötigen? Kein Aval, kein Akkreditiv, keinen langfristigen Betriebsmittelkredit - theoretisch möglich, in der Bankpraxis kaum machbar. Denn der Bedarf auf Seiten eines erfolgreichen Unternehmens kann sich von heute auf morgen beispielsweise aufgrund einer geplanten Expansion in Übersee-Märkte kurzfristig ändern. Wird in diesem Moment die Direktbank ohne Kreditangebot gefragt, muss diese freundlich, aber bestimmt mitteilen "Das können wir nicht". Der Firmenkunde muss sich dann an eine Filialbank wenden.

Diese wird allerdings in einer derartigen Situation nicht auf die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und des Einlagengeschäfts zugunsten der Kreditvergabe verzichten können. Verloren haben schließlich beide Seiten: Der erfolgreiche Firmenkunde und die Direktbank, die ihren langjährigen zufriedenen Kunden verlieren wird.

Dieses Modell bietet demnach für Direktbanken, die langfristig planen und nicht kurzfristigen Profit fokussieren, ebenfalls keine echte Option.

Potenzial bei Freiberuflern und Selbstständigen ausschöpfen

Ein weiterer entscheidender Faktor zur Einschätzung der Potenziale des Firmenkundengeschäfts für Direktbanken ist bislang noch nicht betrachtet worden: die Definition eines Firmenkunden. Freiberufler beziehungsweise Selbstständige, kleine inhabergeführte Unternehmen (zum Beispiel im Handwerk oder im Dienstleistungsgeschäft) sowie mittlere und große Unternehmen sind in diesem Bereich zu unterscheiden. Das Anforderungsprofil von Ein-Mann-Unternehmen und kleinen inhabergeführten Firmen an die Bank ihres Vertrauens ähnelt dem des Privatkunden. Im Gegensatz zu großen Firmen kann eine Direktbank sich bei kleinen Unternehmen naturgemäß relativ schnell einen Überblick über die laufenden Geschäfte verschaffen.

Insgesamt betrachtet sind die Möglichkeiten bei dieser Gruppe von Firmenkunden sicherlich ähnlich dem reinen Privatkundengeschäft und eignen sich daher gut für das Direktbankgeschäft. Einige wenige Direktbanken, darunter die Netbank AG, haben dieses Potenzial erkannt und bieten ihre Produkte und Dienstleistungen für diese attraktive Zielgruppe an. Dies gilt für Zahlungsverkehr, Einlagen- und Kreditgeschäft. An ihre Grenzen stößt die Netbank allerdings auch hier, beispielweise im Ratenkreditgeschäft für gewerbliche Zwecke.

Als Fazit lässt sich festhalten: Die eingangs gestellte Frage nach dem Potenzial des Firmenkundengeschäfts für Direktbanken ist nicht einfach mit Ja oder Nein zu beantworten. Ausgangspunkt der Bewertung ist das Geschäftsmodell der Direktbanken, das klar auf das beratungslose Mengengeschäft der Privatkunden fokussiert ist und nur dadurch die bekannten Kostenvorteile realisieren kann.

Vergleichbare Anforderungen sollten demnach auch Firmenkunden an die Direktbank stellen, um von den günstigen Konditionen zu profitieren.

Generell gilt, dass beim "klassischen" Firmenkundengeschäft mit mittleren und großen Unternehmen mit zunehmendem Produkt- und Beratungsbedarf die Affinität zur Filialbank steigt. Den Spezialfall der meist konzerngebundenen Autobanken, die im B2B-Geschäft Absatzfinanzierungen für PKW-Händler darstellen, wird hier außen vor gelassen. Ein-Mann-Unternehmen und kleine inhabergeführte Firmen sind daher die attraktivste Zielgruppe für Direktbanken und bieten das meiste Potenzial. Im Kern findet sich im Kreditgeschäft mit Firmenkunden der Grund, warum es noch keine Direktbank gewagt hat, wirklich konsequent in das Segment der Firmenkunden vorzustoßen.

Die Direktbanken sind noch nicht so weit

Besonders interessant ist aus meiner Sicht, dass Marktstudien auf Basis von Be fragungen sehr deutlich den uneingeschränkten Bedarf am Direktbank-Firmenkundengeschäft bis hin zum Wunsch nach mobilen Banking-Apps aufzeigen. Meine These ist, dass die Teilnehmer im Moment der Interviews die aus dem Privatkundengeschäft "gelernten" Vorteile der Direktbanken sehen, aber nicht die Implikationen einer Gesamtkundenbeziehung wie oben aufgezeigt betrachten.

Stand heute sind die Direktbanken noch nicht soweit, eben diese Vorteile auch für Firmenkunden in Gänze abzubilden. Als Einstieg ist es durchaus denkbar, dass Filialbanken ausgewählte Teilbereiche ihres Firmenkundengeschäfts mit kanalspezifischen Preisen und Konditionen über eine "integrierte Direktbank" anbieten werden. So könnte die Beratungskompetenz einer Filialbank mit den Kostenvorteilen einer Direktbank ansatzweise vereint werden. Doch dies ist heute noch Zukunftsmusik.

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