Perspektiven im Retailbanking

Die Postbank im aktuellen Marktumfeld: Wachstum und Integration

Wie kann eine Bank unter den aktuellen Rahmenbedingungen - Zinssituation, Regulierung, verändertes Kundenverhalten - Wachstum erzeugen, Wert schaffen und sich langfristig im Wettbewerb behaupten? Das ist die entscheidende Frage, der sich derzeit alle Marktteilnehmer stellen. Die Postbank, mit 14 Millionen Kunden, 19 000 Beschäftigten, rund 6 500 Filialen und Beratungscentern und einem Kundengeschäftsvolumen von mehr als 200 Milliarden Euro eine Bank für Privat-, Geschäfts- und Firmenkunden, hat die für sie passende Antwort gefunden.

Eine wichtige - wenn auch schmerzhafte - Erkenntnis für das zukunftsgerichtete Management von Banken ist die, dass die Umfeldbedingungen nicht nur aktuell widrig sind, sondern dies auch auf lange Sicht bleiben werden. Dies gilt am offensichtlichsten für das Marktumfeld. Die Finanzund Staatsschuldenkrise mag sich etwas stabilisiert haben, ist aber noch lange nicht ausgestanden. Eine Abkehr der Zentralbanken von der Niedrigzinspolitik, so sehr diese die Banken durch fehlende Zinserträge schwächt, ist nicht absehbar. Gleichzeitig steigt der Wettbewerb, nicht nur durch den Konsolidierungsdruck unter den Banken selbst, sondern auch durch neue Marktteilnehmer aus angrenzenden Branchen, sogenannte "Near Banks". Die demografische Entwicklung leistet ein Übriges dazu, dass der Wettbewerb intensiver wird.

Im regulatorischen Umfeld sehen sich Banken mit neuen Vorschriften in bisher ungekannter Zahl und Dichte konfrontiert. Verschärfte Regelungen, höhere Eigenkapital-, Leverage und Liquiditätsanforderungen sowie steigende Transparenz- und Informationspflichten auf europäischer wie nationaler Ebene schränken nicht nur den Bewegungsspielraum immer weiter ein, sondern erfordern in der Umsetzung auch den Einsatz erheblicher zeitlicher und finanzieller Ressourcen. Neben diesen Faktoren haben sich auch Einstellung und

Verhalten der Kunden in den vergangenen Jahren grundlegend verändert. Das Vertrauen der Kunden in die Finanzbranche hat im Zuge der Finanzkrise massiv gelitten und muss hart wieder erarbeitet werden. Bankkunden sind zugleich deutlich qualitätskritischer und sicherheitsorientierter geworden. Außerdem wandelt die zunehmende Digitalisierung des Alltags das Banking-Verhalten. Die Deutschen verbringen laut aktuellen Zahlen im Schnitt 169 Minuten täglich im Internet. Smartphones und Tablets treiben die Online-Nutzung unterwegs weiter an: Sie hat sich 2013 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. In dieser "Always-on-Kultur" werden Online- und Mobile Banking zunehmend zu einer Selbstverständlichkeit.

Orientierung durch klares Zielbild

Diese Rahmenbedingungen werden nicht mehr verschwinden. Im Gegenteil: Sie werden sich wahrscheinlich weiter verschärfen. Banken müssen sich daran anpassen, wenn sie langfristig überleben wollen. Die Postbank hat sich diesen Herausforderungen gestellt. Sie hat in den vergangenen 18 Monaten wichtige Weichen gestellt und sich in Geschäftsmodell und Strategie so ausgerichtet, dass sie nachhaltig erfolgreich bleiben und sich weiterentwickeln kann.

Zukunft braucht Herkunft, und auf die Herkunft ihrer Bank waren und sind die Postbanker stolz. Ohnehin eine Bank mit einer sehr langen Historie, hatte die Bank in den vergangenen 20 Jahren mehrere Phasen des tiefgreifenden Wandels erlebt: von einer "Behörde" zur Dax-notierten Bank, über das erfolgreiche Management der unmittelbaren Auswirkungen der Finanzmarktkrise bis zur Integration in die Deutsche-Bank-Gruppe.

Die ausgeprägte Identität der Organisation aufgreifend, formulierte die Postbank über die rein finanzielle Zielsetzung hinaus ein klares Zielbild dafür, wohin sich das Unternehmen weiterentwickeln soll: In Richtung einer weiterhin führenden Bank für Privat-, Geschäfts- und Firmenkunden, die ihren Kunden eine einzigartige Verbindung von Nähe und Online-Erlebnis bietet und für ihre Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitgeber mit einer partnerschaftlichen Kultur ist. In Richtung einer Bank, die die Interessen von Kunde, Aktionär, Mitarbeiter und Gesellschaft balanciert und sich als starker, gut vernetzter Teil der Deutschen Bank mit einer eigenen Identität versteht.

Weiterentwicklung eines differenzierenden Geschäftsmodells

Wesentlicher Erfolgstreiber der Postbank ist ihr einzigartiges Geschäftsmodell: Eine bekannte, vertrauenswürdige Marke vereint vier starke Vertriebskanäle für einen breiten Kundenzugang und fünf einfache Kernprodukte für den finanziellen Grundbedarf. Postbank und Deutsche Bank nutzen eine gemeinsame State-of-the-Art-Plattform für IT- und Operations-Funktionen, die hohe Qualität bei geringen Stückkosten liefert und so erhebliche Effizienz- und Kostenvorteile schafft.

Mit dem Zielbild im Blick wurde dieses Geschäftsmodell fokussiert und konsequent weiter auf die Kundenbedürfnisse ausgerichtet. Dazu wurde das Kerngeschäft ausgebaut und zukunftssicher gemacht - das Filialgeschäft der Norisbank wurde eingegliedert, BHW Bausparkasse und DB Bauspar wurden für einen einheitlichen Auftritt näher zusammengeführt und die Kooperation mit der Deutschen Post DHL langfristig verlängert. Gerade diese Kooperation bildet nicht nur eine Wurzel der Postbank Identität, sondern hat auch hohe strategische Bedeutung für die Zukunft: Rund eine Million Kunden kommen täglich in die Filialen der Postbank, die zugleich Agentur der Deutschen Post ist. Dies bietet nicht nur erhebliche Cross-Selling-Potenziale, sondern erschließt mit dem um jährlich zehn Prozent wachsenden E-Commerce-Geschäft auch ein attraktives Kundensegment. Die Verlängerung der Kooperationsverträge verschafft Planungssicherheit und sichert auf Dauer ein entscheidendes Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb.

Auf der anderen Seite hat die Postbank ihr Geschäftsmodell um Randaktivitäten bereinigt. Beispiele sind die Einstellung des Zweigs Vermögensberatung, sowie der Verkauf der Asset-Management-Aktivitäten an die Konzernschwester DWS. Mit der Gründung des heute erfolgreich operierenden Segments "Non-Core Operations", dem Verkauf der US-Tochter PB Capital und dem Abbau des SCP-Portfolios hat die Postbank ihr Kundengeschäft sicherer gemacht.

Fünf strategische Handlungsfelder

Das ganz auf das Kundengeschäft konzentrierte Geschäftsmodell bildet die stabile Basis für die gezielte Weiterentwicklung der Postbank. Hierfür hat sich das Unternehmen eine strategische Agenda mit fünf Punkten gegeben, die die verbindliche Richtschnur für die Ausrichtung in den kommenden Jahren bilden. Erste Maßnahmen der Agenda wurden bereits abgearbeitet und entfalten Wirkung.

1. "Wachstum und Qualität steigern" lautet der erste Punkt. Die Bank generiert Wachstum im Kundengeschäft insbesondere online und im Kreditgeschäft. So verzeichnet die Postbank in der Immobilienfinanzierung und im Ratenkreditgeschäft deutliche Zuwächse im Neugeschäft. Und: Rund 25 Prozent der Girokonten und rund 35 Prozent der Ratenkredite wurden im ersten Halbjahr 2013 bereits online abgeschlossen. Voraussetzung für weiteres Wachstum ist eine hohe Kundenzufriedenheit, die weiter gestärkt werden sollen. Daher steht das Thema Qualität mit einem klaren Management-Fokus im Mittelpunkt. Infolge dessen wurden unter anderem neue Zielvereinbarungen im Vorstand und bei Führungskräften abgeschlossen, ein Reputations-Komitee eingeführt und wird der Kundenbeirat aktiv eingebunden. Stetige Qualifizierungsmaßnahmen oder eine Erhöhung der Kapazitäten in den Filialen sind weitere Stichworte in diesem Zusammenhang.

2. Der zweite Punkt der Agenda lautet "Ergebnis sichern", was insbesondere angesichts des Niedrigzinsumfeldes von erheblicher Bedeutung ist. Die Postbank konnte ihr operatives Ergebnis vor Steuern im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahr deutlich steigern und legte auch bei den Erträgen zu.

Gleichzeitig hat sie ihren Verwaltungsaufwand im Griff. Mit dem Abbau von kapitalmarktbezogenen Beständen und Risiken kommt die Bank weiterhin gut voran. So hat sie ihr strukturiertes Kreditportfolio abgebaut und ihre Bilanzsumme im ersten Halbjahr 2013 um 20 Milliarden Euro reduziert. Mit einer harten Kernkapitalquote von 10,2 Prozent weist die Bank eine zufriedenstellende Kapitalisierung und damit einen wirksamen Schutz vor Risiken aus dem Marktumfeld auf.

Ausbau der Direkt- und Online-Kanäle

3. Der dritte Agendapunkt "Zukunftsimpulse setzen" widmet sich Themen, die Keimzellen für zukünftiges Wachstum bilden. Dies meint zum Beispiel den deutlichen Ausbau der Direkt- und Online-Kanäle für ein überlegenes On-/Offline-Erlebnis der Kunden. Mit rund 8,6 Millionen onlinefähigen Kunden ist die Postbank führend und wurde allein im Jahr 2013 mehrfach als beste Online-Bank ausgezeichnet. Mit Innovationen wie der Finance App- und neuen Chat- und Video-Funktionen wird der weitere Ausbau des Online-Geschäfts vorangetrieben.

Bereits heute wächst der Absatz von Girokonten und Ratenkrediten über Direktkanäle mit hohen zwei- beziehungsweise dreistelligen Raten. Damit setzt die Bank Zukunftsimpulse und treibt innovative Ideen wie die Finance App voran. Die anhaltend hohe Attraktivität von Wohneigentum in der Niedrigzinsphase wird für weitere Zukunftsimpulse genutzt. Über verschiedene Kanäle mit hoher Kundenreichweite und mit der Stärkung der Zusammenarbeit von BHW Bausparkasse und DB Bauspar unter einer Marke wird die Bank zukünftig noch besser als bisher in der Lage sein, ihren Kunden attraktive Angebote zu machen.

Integration in die Deutsche Bank

4. Unter der Überschrift "Integration vorantreiben" forcieren Postbank und Deutsche Bank gemeinsam den Bau einer einheitlichen Plattform für beide Marken. Indem sie gemeinsame, markenübergreifende und einheitlich gesteuerte Servicebereiche mit standardisierten Prozessen schafft, ist die Deutsche Bank Gruppe führend in der Industrialisierung der Abläufe. Postbank und Deutsche Bank heben so erhebliche Synergien in Bereichen, die unter Qualitäts- und Preisgesichtspunkten auch für das Kundengeschäft enorm wichtig sind.

5. Eine Weiterentwicklung des Geschäfts kann nur gelingen, wenn dies mit einer Weiterentwicklung der Kultur einhergeht. Dieser Überzeugung trägt der fünfte Punkt der Agenda Rechnung, "Identität stärken". Historisch gewachsene "Teilkulturen", ein starker Wandel der Organisation, die neue strategische Ausrichtung und die gleichzeitige Integration in den Deutsche-Bank-Konzern waren erhebliche kulturelle Herausforderungen, die die Postbank aktiv und unter Einbindung der Mitarbeiter bewältigt hat. So hat die Bank in den vergangenen 18 Monaten durch neue Dialogformate eine Kultur des Austausches und der Zusammenarbeit gestärkt.

Bereits sehr früh, und dann parallel zum Kulturwandel der Deutschen Bank, wurde in einem partizipativen Prozess ein neues Leitbild entwickelt, dessen Werte nun bankweit implementiert und mit Leben gefüllt werden. Darüber hinaus wurde der Postbank-Award als konzernübergreifende Auszeichnung eingeführt, mit der Erfolge gemeinsam gefeiert und herausragende Leistungen für alle sichtbar gewürdigt werden. Mit dem Ausbau ihres gesellschaftlichen Engagements, zum Beispiel in Form von Projekten mit der Organisation "Save the Children", hat die Postbank außerdem gemeinsame Themen geschaffen, für die sich das gesamte Unternehmen begeistert.

Mit ihrem Zielbild, der Schärfung ihres Geschäftsmodells und der konsequenten Umsetzung einer klaren Agenda befindet sich die Postbank auf gutem Weg in eine erfolgreiche Zukunft. Dabei hat sie noch eine erhebliche Strecke zurückzulegen - und Management wie Mitarbeitern ist klar, dass es sich hierbei um eine Langstrecke handelt, keinen Sprint. Die bisherigen Ergebnisse stimmen aber mehr als zuversichtlich. Denn es zeichnet sich ab, dass die Bank in einem äußerst schwierigen Umfeld bewerkstelligen kann, was den wenigsten Unternehmen gelingt: eine erfolgreiche Weiterentwicklung in der Balance von Wachstum und Integration.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem Privatkundenforum 2013.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X