Zahlungsverkehr und Wertpapierabwicklung

Quo vadis Transaction Banking in Deutschland?

Die Ereignisse im Spätsommer und Herbst des Jahres 2008 werden die deutsche Bankenlandschaft nachhaltig prägen. Grundlegende Änderungen der Rahmenbedingungen durch die Finanzmarktkrise und die staatlichen "Rettungspakete" - in Deutschland auf Grundlage des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes - werden uns auf Jahre begleiten. Genaue Wirkungen lassen sich noch nicht konstatieren. Klar ist jedoch: Es gilt, das Vertrauen in die Wertpapiermärkte, insbesondere bei Privatkunden, wieder aufzubauen und zu stärken.

Seit Jahresmitte ist zudem durch Akquisitionen Bewegung in die hiesigen Marktverhältnisse gekommen. Innerhalb nur weniger Wochen im Sommer des Jahres 2008 hat sich mehr verändert als in mehreren Jahren zusammen: Die französische Genossenschaftsbank Crédit Mutuel erwarb die deutsche Privatkundentochter der Citigroup, die Commerzbank übernahm die Dresdner Bank, die Deutsche Bank erwarb Anteile an der Postbank, DZ Bank und WGZ Bank unterzeichneten ein Memorandum of Understanding mit dem Ziel der Verschmelzung beider Institute.

Der Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Kreditwirtschaft gibt nachvollziehbare Begründungen für diese unternehmerischen Entscheidungen. Eine sich verschlechternde Aufwand-Ertrag-Relation der inländischen Institute befördert die Tendenz, strukturelle Nachteile im Vergleich zu europäischen Wettbewerbern auszuräumen. Diese Quote stieg laut Erhebungen der Bundesbank im Durchschnitt aller Bankengruppen in Deutschland von 61 Prozent auf 65 Prozent im Zeitraum zwischen 2005 und 2007.

Bei ausschließlicher Betrachtung von Groß-, Regional-, Landes- und genossenschaftlicher Zentralbanken sowie von Sparkassen und Kreditgenossenschaften lag die Aufwand-Ertrag-Relation im Jahr 2007 bei 70 Prozent. Die Situation dürfte sich im Jahr 2008 aufgrund der Verluste und Wertberichtigungen auf Finanzinstrumente im Zuge der Finanzmarktturbulenzen weiter verschärfen. Welche Auswirkungen sind aus diesen vielfältigen Entwicklungen für Transaktionsbanken im Bereich der Wertpapierservices zu erwarten?

Bündelung der Nachhandelsprozesse in schwachen Marktphasen

Die Rahmenbedingungen für die Marktteilnehmer im Wertpapiervertrieb und Backoffice sind herausfordernd. Aktuelle Zahlen zu Depots und Aktionären im deutschen Markt zeigen: Die seit Anfang dieses Jahrtausends bestehende Tendenz der Anleger, sich von Investments in Wertpapieren abzuwenden, setzt sich fort. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzmarktkrise für viele Kleinanleger einen Beweggrund liefert, sich bis auf weiteres von ihren Engagements zu verabschieden. Die Zurückhaltung breiter Aktionärsschichten wird sich in den Provisionserträgen aus dem Wertpapiergeschäft niederschlagen.

Gleichzeitig steigen regulatorische und gesetzliche Anforderungen, die teilweise erhebliche Investitionen in IT-Systeme bedingen. Die Umsetzung der MiFID und der Abgeltungsteuer belastete die Kreditwirtschaft jeweils mit Budgets im Multi-Millionen-Euro-Bereich. Darüber hinaus bedarf es ständiger Weiterentwicklung der IT-Anwendungen an neueste technische Standards, Kunden- und Marktanforderungen. Die im Umfeld der Finanzmarktkrise angekündigten Initiativen zur Marktregulierung lassen zusätzlichen Aufwand erwarten.

Weiterhin entstehen für Institute, die ihre Wertpapierabwicklungsprozesse in Eigenregie betreiben, Opportunitätskosten durch die Unterlegung operationeller Risiken mit Eigenkapital. Das operationelle Risiko zum Betreiben dieser Prozesse kann professionell gesteuert und reduziert, jedoch nicht eliminiert werden.

Aus der Erkenntnis dieser Entwicklungen bleibt der rationale Ausweg: die Bündelung der Nachhandelsprozesse in einer spezialisierten Transaktionsbank. Insbesondere in Phasen schwächerer Marktaktivität zeigt sich die Überlegenheit dieses Modells. Die Konzentration auf Kernkompetenzen wird durch die aktuelle Ertrags- und Aufwandssituation zusätzlich beschleunigt. Vormals bestehende Fixkostenblöcke für Verwaltung, Personal, Prozesse und IT entfallen bei den auslagernden Instituten und lassen sich variabilisieren.

In dieser Folge reduzieren sich die dafür notwendigen Kosten mit dem Rückgang des Geschäftsvolumens. Eigenkapital für die Unterlegung operationeller Risiken wird beim auslagernden Unternehmen für diese Zwecke nicht mehr gebunden und kann anderweitig eingesetzt werden.

Verbundgrenzen sind in marktfernen Bereichen überwunden

Für die deutsche Kreditwirtschaft stellen sich im Zuge der geänderten Rahmenbedingungen im internationalen und insbesondere im europäischen Maßstab gemeinsame Herausforderungen. Einheitliche Lösungen im Nachhandelsbereich für Institute jeglicher Couleur stärken die Chancen und die Handlungsfähigkeit am Finanzplatz Deutschland. Bereits heute sind Verbundgrenzen "hinter den Kulissen" der Kunde-Bank-Beziehung überwunden. Der aufwändige Parallelbetrieb gleicher Infrastrukturen im Nachhandelsbereich der Banken ist aufgrund steigender Komplexität in den Anforderungen und der damit verbundenen Kosten mehr denn je zu hinterfragen. Insellösungen für einzelne Institute oder Institutsgruppen sind vor dem Hintergrund der zunehmenden Verflechtung in den Nachhandelsstrukturen auf europäischer Ebene nicht länger wettbewerbsfähig.

Konzentration der aufsichtsrechtlichen Prüfung beim zentralen Dienstleister

Eine starke Nachhandelsindustrie für die deutsche Kreditwirtschaft bietet nicht nur Vorteile für die angeschlossenen Institute zur Verbesserung ihrer Aufwand-Ertrag-Relation. Sie ist zugleich Voraussetzung für den Aufbau grenzüberschreitender Strukturen. Die Bündelung von Abwicklungsvolumina auf europäischer Ebene mit entsprechenden Skaleneffekten benötigt einen Nukleus im heimischen Markt.

Diese Entwicklung wird durch die bereits heute bekannten und vor der Umsetzung stehenden Vorhaben auf europäischer Ebene flankiert, wie sich an den Beispielen des Aufbaus der gemeinsamen Settlementplattform Target2-Securities und des Sicherheitenverwaltungssystems CCBM2 zeigt. Eine stärkere Bündelung in den Nachhandelsbereichen erleichtert zudem das Management der operationellen Risiken und die Konzentration der aufsichtlichen Prüfung beim spezialisierten, zentralen Infrastrukturdienstleister. Damit ergeben sich Chancen mit Blick auf die avisierten Initiativen der europäischen und internationalen Aufsichtsbehörden für eine gesteigerte Transparenz im Wertpapiergeschäft.

Die Hemmnisse, die ein europaweites Agieren im Nachhandelsbereich bislang erheblich erschwert haben, werden innerhalb weniger Jahre der Vergangenheit angehören. Der Abbau von Barrieren, die im Rahmen der Giovannini-Reports identifiziert wurden, fördert den Aufbau grenzüberschreitender Strukturen. Nationale Besonderheiten in Europa dürften zunächst lediglich auf dem Gebiet der Steuerverwaltung erhalten bleiben.

Die Entwicklung der DWP-Bank zeigt, dass eine institutsgruppenübergreifende Zusammenführung von Backoffice-Prozessen auf einer zentralen Systemplattform möglich und ökonomisch sinnvoll ist. Allein im Jahr 2007 überführte sie Institute aus der Sparkassen-Finanzgruppe, dem genossenschaftlichen Finanzverbund und die Dresdner Bank mit insgesamt über zwei Millionen Depots auf das DWP-Bank-System WP2. Vier von ehemals sechs Abwicklungsplattformen wurden abgeschaltet.

Migration der Dresdner Bank als Blaupause für Integration

Innerhalb der kommenden zwei Jahre werden jene Mandanten der DWP-Bank migriert, die bislang noch nicht das System WP2 nutzen. Nach Abschluss dieser Vorhaben nutzen im direkten oder - über ein Zentralinstitut - indirekten Vertragsverhältnis über zwei Drittel aller deutschen Kreditinstitute das System WP2 für die Wertpapierabwicklung. Damit hat sich ein Marktstandard etabliert, der den Mandanten der DWP-Bank Planungssicherheit in der weiteren Entwicklung verschafft (siehe Abbildung).

Die erfolgreiche Umsetzung der Großprojekte zeigt, dass die damit einhergehende Komplexität beherrschbar ist. Insbesondere liefert die Migration der Dresdner Bank eine mögliche Blaupause für die Aufnahme weiterer größerer Institute.

Am Beispiel der Umsetzung von gesetzlichen Anforderungen aus der Abgeltungssteuer durch die DWP-Bank wird deutlich, welche Entlastung auf der Aufwands- und Kostenseite für die angeschlossenen Institute greift: Das Projektvolumen in Höhe von über zehn Millionen Euro geht ausschließlich zulasten der Ergebnisrechnung der DWP-Bank. Eine Umlage auf die Mandanten findet nicht statt. Angesichts weiterer regulatorischer und Marktanforderungen tritt ein signifikanter Effekt in der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der angeschlossenen Institute ein.

Mitwirkung an Weichenstellungen auf europäischer Ebene

Neben dem Mengendegressionseffekt und den Vorteilen aus der Übernahme operationeller Risiken kann die deutsche Finanzindustrie von der Bündelung des Spezialwissens für den Betrieb der Wertpapierabwicklungsprozesse profitieren. Nicht nur der demografische Wandel, sondern auch die Änderungen im Anforderungsprofil der Mitarbeiter führen die Knappheit der verfügbaren Ressourcen vor Augen. Das Tätigkeitsspektrum in der führenden Transaktionsbank wird zunehmend durch Projektmanagementqualitäten, die mit Spezialwissen kombiniert sind, geprägt.

Die DWP-Bank hat diese Herausforderungen frühzeitig erkannt und sich entsprechend darauf eingestellt. Hochqualifizierte Fachkräfte wurden im Zuge der Übernahme von Wertpapierabwicklungsprozessen auslagernder Institute in das Unternehmen integriert. So können Erfahrungen und Kenntnisse aus den unterschiedlichen Organisationen gebündelt eingesetzt werden.

Die DWP-Bank ist seit Jahren als Initiator, Berater und Umsetzer in bedeutenden Gremien auf nationaler sowie europäischer Ebene und in grenzüberschreitenden Projekten eingebunden. Sie nimmt die Verantwortung wahr, die Interessen von über 400 Mandanten in Abstimmung mit den kreditwirtschaftlichen Verbänden zu vertreten und die operative Umsetzung zu übernehmen. Diese Aufgabe gewinnt wegen der zu erwartenden weiteren Maßnahmen von Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden an Bedeutung. Die Mitwirkung an den Weichenstellungen in der europäischen Entwicklung bereitet zugleich die Grundlagen für die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens.

Das Geschäftsmodell der auf die Wertpapierabwicklung spezialisierten Transaktionsbank hat sich in Deutschland erfolgreich durchgesetzt. Seit dem Entstehen der ersten Transaktionsbanken vor etwa zehn Jahren hat die DWP-Bank einen entscheidenden Beitrag in der Entwicklung und Konsolidierung der Branche geleistet. Die Industrialisierung dieses Sektors hat sich zum Vorteil der nutzenden Institute fortentwickelt. Die DWP-Bank prägt hierbei die institutsgruppenübergreifende Bündelung der Backoffice-Prozesse.

Handlungsbedarf bei Privat- und Großbanken

Die beiden großen Verbünde im deutschen Markt haben bewiesen, dass eine weitgehende Konzentration in den marktfernen Bereichen möglich und betriebswirtschaftlich sinnvoll ist. Handlungsbedarf besteht vor allem in der weiteren Konzentration der Abwicklungsprozesse von Privat- und Geschäftsbanken.

Für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes Deutschland wäre ein wichtiger Schritt, das Momentum in der Bündelungsgeschwindigkeit von Prozessen im Wertpapierservice zumindest zu halten. Die DWP-Bank nimmt auf Basis ihrer erreichten Bündelungserfolge die Herausforderung an, weitere Abwicklungsvolumina von Banken und Kapitalanlagegesellschaften aufzunehmen.

Die Strategie ist klar auf Wachstum ausgerichtet. Die systemtechnischen und prozessualen Voraussetzungen des Unternehmens sind auf diese Entwicklung ausgelegt. Die sichere und korrekte Geschäftsabwicklung steht dabei insbesondere in Phasen volatiler Marktbewegungen im Vordergrund.

Mit einem starken Nukleus im heimischen Markt ist die Entwicklung im europäischen Raum vorgezeichnet. Die zunehmende Verflechtung in den Strukturen des Kontinents treibt die Entwicklung gemeinsamer Lösungen. Bislang existierende Barrieren weichen Standards in einem gemeinsamen Wirtschaftsraum. Das insbesondere im deutschen Markt etablierte Transaktionsbankenmodell gibt dabei die Perspektive für andere Märkte vor.

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