Verbände als Dienstleister

"Die strategische Dimension unserer Gruppe muss beim DSGV vorangetrieben werden"

Herr Hilse, die Bankenwelt verändert sich derzeit nahezu täglich. Müssen die Verbände in der S-Finanzgruppe ihre Aufgabenstellung neu überdenken, um die Primärinstitute fit für die Zukunft zu machen?

Die Verbände der S-Finanzgruppe sind Dienstleister für ihre Mitglieder, insbesondere die Sparkassen. Deshalb muss sich ihr Aufgaben-Spektrum an dem Bedarf der Sparkassen ausrichten und somit auch anpassen. Das geschieht auch.

Wo sieht der Vorstandsvorsitzende der Kreissparkasse Göppingen die Kernaufgaben eines modernen Verbandes, gleich ob Regionalverband oder Zentralverband?

Die Kernaufgaben eines modernen Verbands liegen in der Bildung der Mitarbeiter, in der Prüfung der Geschäfte der einzelnen Häuser durch die Prüfungsstellen und in der Beratung und Information über Gesetzes- und Marktveränderungen sowie in der speziellen Unternehmensberatung. Zu den Kernaufgaben zählt auch die Interessenvertretung bei den Regierungen im Land, im Bund und bei der Europäischen Kommission, die immer wichtiger wird. Ein wichtiges Element ist der Erfahrungsaustausch in den Gremien der Verbände mit den Kommunalvertretern, die unsere Träger sind. Diese Rückkoppelung zur Basis der Sparkassen dient der kommunalen Verankerung. Auch die Gemeinschaftswerbung der Sparkassen, die Pflege des genetischen Codes unserer Marke, wird durch die Verbände organisiert.

Wie zufrieden sind Sie mit dem Dienstleistungsangebot des baden-württembergischen Verbandes? Könnte mehr zur Unterstützung Ihres Haus getan werden?

Mit dem Dienstleistungsangebot des Regionalverbandes bin ich sehr zufrieden. Für die Bedarfssituation der 54 badenwürttembergischen Sparkassen ist unser Verband hervorragend aufgestellt. Alle Kernaufgaben werden professionell erfüllt. Zudem in einem vorbildlichen Preis-Leistungs-Verhältnis. Mehr Unterstützungsbedarf besteht aus meiner Sicht nicht.

Stichwort Outsourcing: Kann das ein Weg zu mehr Effizienz vor Ort sein?

Das will ich nicht ausschließen. Im Vordergrund steht jedoch die Entbürokratisierung in den Sparkassen. Durch das aktive Einholen von Kosten-Senkungs-Potenzialen kann in jedem Haus noch einiges erreicht werden. Die Erfahrungskostenkurve, die einen Zusammenhang von Stückzahlen bei Arbeitsvorgängen und Senkung der Stückkosten herstellt, ist noch längst nicht ausgeschöpft. Sie besagt nämlich, dass jede Verdoppelung der Stückzahl von Posten oder Vorgängen ein Kostensenkungspotenzial von zehn bis 20 Prozent ermöglicht.

Was muss mittelfristig getan werden, um die Marktanteilsverluste der Platzbanken wieder in Kundenzuwächse umzukehren?

Wir müssen die Kunden und Neu-Kunden mit Innovationen überraschen. Darin sehe ich die größte unmittelbar vor uns stehende Aufgabe. Dabei meine ich nicht bloß Ideen, sondern Veränderungen - insbesondere im Kundenservice und in der systemischen Beratungsqualität - die im Markt wirksam werden, also einen Kundennutzen erzeugen. Dann werden wir wieder einen USP-Faktor erzeugen im Sinne einer Unique-Selling-Proportion. Die Verbindung des Multikanals Internetfiliale mit unserer persönlichen Betreuung und Kenntnis vor Ort wird eine wesentliche Rolle dabei spielen. Dann sehe ich wieder originäre Geschäftszuwächse kommen.

Welche Maßnahmen brauchen die Sparkassen schnell?

Eine schnelle Maßnahme ist der Aufbau eines Innovationsnetzwerks über die Verbände. Die Ideen kommen von den Sparkassen. Die Verbände geben Unterstützung durch Innovationsmanagement und -budgets. Dann kann es bald losgehen.

Wie viel Einfluss der Verbände auf Produktgestaltung und -entwicklung ist notwendig?

Der Einfluss der Verbände bei der Produktgestaltung ist zu umschreiben mit Wissenstransfer, Erfahrungsaustausch, Netzwerkbildung und Unterstützung bei der Chancen-Risiken-Abwägung. Diese Bündelung sehe ich als notwendig an. Hinreichend ist das aber nicht. Der unternehmerische Biss muss von den Sparkassen selbst kommen.

Mitarbeiter sind das Kapital der Sparkassen: Könnte der Know-how-Transfer und die Förderung der Mitarbeiter in der Gruppe insgesamt verbessert werden?

Es gibt in einem evolutionären System wie dem unserer Sparkassenorganisation immer wieder Chancen zur schrittweisen Verbesserung. Beim Know-how-Transfer und in der Mitarbeiterförderung leisten unsere Sparkassenakademien der Landesverbände und die DSGV-Einrichtung Lehrinstitut und Hochschule der Sparkassen-Finanzgruppe hervorragende Arbeit. Mein Vorschlag zur Verbesserung auf diesem Gebiet ist die Schaffung einer Führungsakademie des DSGV für das Top-Management. Unsere S-Finanzgruppe sollte sich der Aufgabe stellen, ein einheitliches Führungsverständnis für das richtige und gute Führen von Sparkassen zu entwickeln. Und dies in höchster Qualität.

Ist die Sparkassen-Finanzgruppe für die künftigen Herausforderungen richtig aufgestellt, oder ist das schwere Schiff zu schwierig zu steuern?

Die Sparkassen haben in den letzten Monaten ihre Geschäftsstrategie überarbeitet. Sie sind mit dem Fokus auf die Kunden hervorragend positioniert. Da infolge der Finanzkrise unser Geschäftsmodell von der Bevölkerung neu entdeckt wurde, spüren wir auch diese Antriebskräfte. Bei den Landesbanken muss nachgearbeitet werden. Dies geschieht gerade mit Hochdruck. Die öffentlichen Versicherer und die LBS-Organisation haben noch Optimierungsspielräume. Die von Ihnen angesprochene Steuerung ist sehr komplex. Das hat zur Folge, dass wir etwas länger brauchen als die Konzernlenker. Mein Eindruck und meine Hoffnung ist, dass wir auch weniger Fehler bei der Steuerung machen. Das dezentrale Unternehmertum in der Sparkassenorganisation ist manchmal ein Handicap, aber oft ein Schutzschild vor groben Strategiefehlern.

Wie sieht aus Sicht der Sparkassen die richtige Arbeitsteilung zwischen DSGV, Regionalverband und Landesbank aus?

Die strategische Dimension unserer Gruppe muss beim DSGV betreut und vorangetrieben werden. Die operative Umsetzung obliegt den Regionalverbänden. Das ist die richtige Arbeitsteilung, die auch heute so praktiziert wird. Unsere Landesbanken sind aus dieser Perspektive ein doppelter Zwitter. Sie gehören dem DSGV wie den Regionalverbänden an, sind also strategisch wie operativ Teil der Gruppe. Andererseits bilden sie mit dem VÖB einen zweiten eigenen Verband, mit dem sie Interessenvertretung betreiben. Das ist historisch so gewachsen, vielleicht auch verwachsen.

Wie viele Regionalverbände braucht die S-Finanzgruppe?

Letztlich so viele wie die Sparkassen an direkter Dienstleistung brauchen und auf Dauer bezahlen wollen und können.

Wo würden Sie eine weitere Konsolidierung am ehesten begrüßen: bei den Landesbanken, den öffentlichen Versicherern, den Landesbausparkassen ...?

Sie haben die richtige Reihenfolge schon genannt. Der stimme ich zu.

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