Vor Ort

Verbünde in Wien: mit Blick nach Osten

"Swing into spring. Vienna waits for you" - mit diesem Slogan wirbt die österreichische Landeshauptstadt und jahrhundertealte Habsburgerresidenz in diesem Jahr um Besucher. 17 Millionen Euro investiert der Wiener Tourismusverband 2009 in eine weltweite Kampagne. Und tatsächlich: Eigenheiten und Sehenswürdigkeiten der Stadt sind nahezu ungezählt. Schönbrunn, Stephansdom, Hofburg, aber auch der Judenplatz, alleine deren Namen atmen den Klang der Geschichte und verkörpern lebhaft eine reiche Kultur.

Doch so allgegenwärtig die schillernde Geschichte Wiens erscheint, auch in der Donaustadt und in ganz Österreich hat selbstredend die Moderne Einzug gehalten: Zwischen den Finanzdienstleistern wird ein rauer Wettbewerb um Privat- wie Geschäftskunden ausgetragen. Die traditionellen Bankengruppen hatten zwischen 1996 und 2006 landesweit Marktanteilsverluste von je zwei bis vier Prozent insbesondere zugunsten der Direktbanken zu verzeichnen.

Für die beiden Wiener Sparkassen - die 1819 entstandene Erste Bank und die 1905 gegründete Zentralsparkasse der Gemeinde Wien - war Wien im Privatkundengeschäft jahrelang "der" Bankenplatz. Doch die zunehmende Wettbewerbsintensität in dem relativ engen Markt trieb die regionalen Institute unter die Dächer international tätiger Konzerne. Die ehemalige Zentralsparkasse ist heute als Bank Austria Teil des Unicredit-Konzerns (siehe Kasten), die Erste Österreichische Sparkasse gehört zum Erste-Group-Konzern.

Die Erste Bank wurde 1819, nur wenige Jahre nach dem Wiener Kongress und somit in einer Phase der politischen Neuordnung Europas als "Erste oesterreichische Spar-Casse" gegründet und sollte als Einrichtung gegen die Verarmung der Bevölkerung und als Instrument der Vermögensbildung dienen. Kaiser Franz I. selbst hatte die Gründung nach deutschem und englischem Vorbild angeregt, Johann Baptist Weber, Pfarrer im Stadtbezirk Leopoldstadt griff den Gedanken auf. Bis 1856 folgten dann zahlreiche Sparkassengründungen in den Bundesländern. Für die österreichische Sparkassenorganisation spielt die Bank, die selbst Retailkunden in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland betreut, eine maßgebliche Rolle als Leitinstitut: Seit dem Jahr 1993 veränderte sich die Struktur der österreichischen Sparkassen-Gruppe kontinuierlich. Die damals aufgelegte Strategie sah einerseits eine verstärkte Sektorkooperation der Sparkassen und andererseits eine Expansion der Gruppe in die östlichen Nachbarländer vor. Beide Ansätze wurden strikt vorangetrieben. Heute bildet die Erste Group Bank AG ein börsennotiertes Holdingdach, unter dem neben der Erste Bank der österreichischen Sparkassen AG auch die verschiedenen Ländergesellschaften aufgehängt sind.

Verstärkte Sektorkooperation und Expansion nach Osteuropa

Im Zuge der verstärkten Sektorkooperation wurde eine Verknüpfung der damaligen Zentralbank Giro-Credit mit der im Retailgeschäft tätigen Ersten österreichischen Spar-Casse 1997 durch eine Fusion der beiden Unternehmen vollzogen. Unproblematisch verlief die Vertikalisierung aber nicht: Spannungen entstanden unter anderem deshalb, weil die Erste Bank in den Vorjahren in vielen Bundesländern mit eigenen Filialen in ein Konkurrenzverhältnis zu den Ländersparkassen getreten war.

Das Verhältnis in der Gruppe entspannte sich erst zwei Jahre später wieder ein wenig, als die Erste Bank begann, gegen eine Beteiligung an den großen Sparkassen beispielsweise in Salzburg, Oberösterreich und zuletzt Tirol ihre Geschäftsstellen in den jeweiligen Regionen abzugeben (mittlerweile etwa 100 Stück). Damit führte sie faktisch das 1979 durch eine Novelle des Kreditwesengesetzes abgeschaffte Regionalprinzip in der Gruppe wieder ein. Auch aufgrund dieser Vorgehensweise werden die Verbindungen zwischen den Sparkassen nun immer verschlungener: Die Erste Bank ist derzeit bei insgesamt zehn Sparkassen beteiligt, bei vieren als Mehrheitseigentümer. An weiteren sechs Sparkassen sind Regionalsparkassen beteiligt, in vier Fällen mehrheitlich.

Als äußerer Rahmen der Sektorkooperation trat 2001 der Haftungsverbund der Sparkassengruppe unter Führung der Ersten Bank in Kraft. Ziel des Verbunds war damals und ist heute neben der verbesserten Einlagensicherung auch die gemeinsame Produktentwicklung, der Aufbau einer einheitlichen Identität durch Einmarkenstrategie, die Standardisierung von Geschäfts- und Marketingstrategie sowie die Entwicklung gemeinsamer Managementinformations- und Kontrollsysteme.

Die im Jahr 2004 aus dem Sparkassenlager ausgeschiedene Bank Austria, die von der Ersten Bank ebenso wie die Raiffeisen als großer Wettbewerber wahrgenommen wird, begann jedoch einen jahrelangen Rechtsstreit um Haftungsfragen und die neue Struktur des Sparkassenverbundes. Die ursprüngliche Regelung lief deshalb 2008 aus und der "Haftungsverbund Neu" trat in Kraft. Ihm gehören die Erste Bank sowie 54 der 55 Regionalsparkassen an. Die Institute in Kufstein und Linz zögerten zunächst mit dem Zusammenschluss.

Bedeutungsverlust für die Ländersparkassen

Während Kufstein inzwischen mit dabei ist, wird mit den Linzern, also der Sparkasse Oberösterreich, an der die Erste Group einen Anteil von 26 Prozent hält, über eine gesondertes Modell zur engeren Zusammenarbeit verhandelt. Insbesondere die Furcht vor einem Bedeutungsverlust der Ländersparkassen im Zuge der voranschreitenden Konzernbildung und der intensiv betriebenen Osteuropa-Expansion dürfte für die ablehnende Haltung mancher Sparkasse eine entscheidende Rolle gespielt haben.

Dies gilt insbesondere deshalb, weil sich in den vergangenen Jahren abzeichnete, dass die Gruppe ertragsmäßig nicht mehr auf die Primärinstitute in Österreich angewiesen ist. Im Jahr 2008 erwirtschaftete die Erste Group knapp drei Viertel ihres operativen Ergebnisses von insgesamt 2,6 Milliarden Euro in Osteuropa. Mehr als zehn Banken wurden in Zentral- und Osteuropa bereits erworben und integriert. Auch die Kundenzahlen sprechen eine deutliche Sprache: Etwa drei Millionen Kunden betreuen die Sparkassen in rund 1 000 Filialen in Österreich. Insgesamt hat der Konzern aber rund 17,2 Millionen Kunden in acht Kernmärkten und betreut sie in 3 200 Filialen.

Und auch die Verknüpfung der Erste Group mit der Sparkassenorganisation in Westeuropa schreitet voran: Im Juni 2009 kündigte Spaniens größte Sparkasse La Caixa an, ihr Aktienpaket an der Erste Group von derzeit 5,1 Prozent auf bis zu 20 Prozent auszubauen. Im Rahmen einer Kooperation will sie ihren 10,6 Millionen in Zentral- und Osteuropa aktiven Kunden Zugang zu den Diensten und Zweigstellen des österreichischen Konzerns verschaffen. Dass der Preis der Erste-Goup-Aktie seit Januar 2008 um mehr als die Hälfte von rund 50 Euro auf 20 Euro gesunken ist, dürfte den Spaniern die Entscheidung zu einem Einstieg durchaus erleichtert haben.

Die Kursverluste der Aktie indes hängen auch mit den düsteren Aussichten für die osteuropäischen Märkte zusammen. Denn dort lauern - im Lichte der Finanzkrise gesehen - enorme Gefahren. Die Ratingagentur Moodys prognostizierte im Februar 2009, die Rezession treffe diese jungen Banksysteme besonders hart. Dort würden höhere Abschreibungen auf faule Kredite, steigende Kosten im Interbankenmarkt und die Abwertung vieler lokaler Währungen auf die Margen drücken und die ohnehin schon geringere Kapitalbasis angreifen.

Das wirkt sich selbstverständlich auch auf die westeuropäischen Konzernmütter aus. Von den 220 Milliarden Euro, die österreichische Banken in Ost- und Zentraleuropa an Krediten vergeben haben, stammen 49 Milliarden von der Ersten. Im Gegenzug, so die Argumentation der Gruppe, hat das Institut dort aber auch Einlagen in Höhe von 51 Milliarden Euro eingesammelt.

Im Verlauf der Finanzkrise hat sich die Bank dennoch staatliche Hilfe gesichert: Ihr wurde im Dezember 2008 die Garantie für eine Emission von Partizipationskapital in Höhe von 2,7 Milliarden Euro gewährt. Im Gegenzug hat sich die Gruppe verpflichtet, in den kommenden drei Jahren Firmen- und Privatkunden in Österreich Kredite über mindestens drei Milliarden Euro bereitzustellen.

Sparefroh-Paket als erstes gemeinsames Produkt

Im Retailgeschäft Österreichs ist die Erste Bank in Wien, Niederösterreich und im Burgenland tätig. Mit 79 Niederlassungen betreibt sie das größte Filialnetz der Stadt Wien. In der Hauptstadt, in deren Großraum mit etwa zwei Millionen Menschen rund ein Viertel aller Österreicher lebt, beträgt die Zahl der Sparkassen-Kunden 689 460. Zum Jahresende 2008 betrug der Sparkassen-Marktanteil in Österreich gemessen an der Bilanzsumme etwa 16,5 Prozent, rund 18,1 Prozent sind es bei Kundeneinlagen sowie 16,1 Prozent bei den Krediten. Als Gruppenziel wird ein Wert von 30 Prozent angegeben.

Für Retailkunden ist die Umsetzung der Sektorkooperation am deutlichsten am vereinheitlichten Marktauftritt der Ersten Bank und der Sparkassen erkennbar. Im September 2008 wurde mit dem Sparefroh-Paket ein erstes gemeinsames Produkt bundesweit getestet. Es enthielt unter anderem einen Gutschein über die Eröffnung eines Sparkontos mit einer Verzinsung von fünf Prozent. 16 000 Pakete, die in den Filialen von Tchibo/Eduscho vertrieben wurden, waren innerhalb von vier Wochen ausverkauft. Durch solche und ähnliche Aktionen habe man im Jahr 2008 etwa 70 000 neue Kunden gewonnen, so die Bank.

Im derzeitig schwachen wirtschaftlichen Umfeld positioniert sich die Sparkassen-Gruppe als zuverlässiger Partner der Bürger. Mit der Initiative "s Österreich" soll Menschen geholfen werden, die aufgrund der derzeitigen Wirtschaftslage in Schwierigkeiten geraten sind. So wird das Girokonto der Ersten Bank bei Arbeitslosigkeit gebührenfrei gestellt und Kreditrückzahlungen werden flexibel gestaltet.

Um die Kundenzufriedenheit zu erhöhen, führte das Institut im vergangenen Jahr so wie es die Commerzbank in Frankfurt gerade getan hat - ein Kundenparlament als Gesprächsplattform ein. In diesem Rahmen wurde auch das Thema des Betreuerwechsels besprochen, das von den Kunden oft als heikel empfunden wird. An dieser Stelle hat die Bank offenbar Verbesserungspotenzial aufgespürt und verspricht eine Optimierung des Prozesses. In einer Studie wird künftig jährlich die Zufriedenheit der Kunden erhoben.

Das Institut sieht seine Stärken jedoch nicht nur im Retailbereich, sondern unter anderem in der gehobenen Veranlagung. Das "Erste Private Banking" ist - am Volumen der Assets under Management von 28 Milliarden Euro gemessen - einer der Marktführer in Österreich. Doch auch in diesem Bereich hat die Bank beziehungsweise haben ihre Kunden aufgrund der Finanzkrise Federn gelassen: Im November 2008 waren es noch 31 Milliarden Euro.

"Bank für Menschen ohne Bank"

Ihrer gesellschaftlichen Verantwortung kommt die Erste Bank nicht nur durch ein umfangreiches Sponsoringengagement nach: Sie gründete im Herbst 2006 eine Tochtergesellschaft namens Die Zweite Sparkasse. Diese bietet ein Konto auf Guthaben-Basis für Personen an, die in eine finanzielle Notlage geraten sind und keinen Zugang zu regulären Bankdienstleistungen mehr bekommen. Ein Betreuungsverhältnis zu einer der kooperierenden Partnereinrichtungen wie Caritas oder einer Schuldnerberatung ist Voraussetzung für die Vergabe der Konten.

Eine Filiale betreibt die Zweite in Wien, in ganz Österreich sind es derzeit sechs Niederlassungen. Die "Bank für Menschen ohne Bank" wird von 4 000 Mitarbeitern der Erste Bank und Sparkassen ehrenamtlich geführt. Etwa 4 300 Konten wurden durch die Zweite bereits eröffnet.

Neben der Ersten Bank sind zwei weitere Sparkassen aus ihrer Historie heraus mit je einer Filiale in Wien vertreten: die Dornbirner Sparkasse und die Weinviertler Sparkasse. Letztere ist seit Mai dieses Jahres zu 99 Prozent im Besitz der Ersten Bank. Über die Zukunft ihrer Filiale wird in den kommenden Monaten entschieden. Die Sparkassen Niederösterreich Mitte West und Sparkasse Waldviertel Mitte haben jeweils eine Repräsentanz in Wien.

Raiffeisenlandesbank betreut Retailkunden in Wien

Anders als in Deutschland sind die genossenschaftlichen Institute in Österreich getrennt nach Raiffeisenbanken und Volksbanken in verschiedenen Verbänden organisiert. Dabei haben die Raiffeisenbanken in Österreich bezogen auf die Kundeneinlagen etwa einen Marktanteil von 28,6 Prozent, in ganz Österreich verzeichnen sie 1,7 Millionen Mitglieder und etwa genauso viele Kunden. Die Volksbanken kommen auf 7,3 Prozent Marktanteil, zirka 670 000 Mitglieder und etwa 0,9 Millionen Kunden. Sie sind mit 5,15 Prozent am Aktienkapital der Raiffeisen-Gruppe beteiligt.

Aus ihrer Geschichte als ländliche Organisation heraus war die Raiffeisen in der Hauptstadt jedoch vergleichsweise spät vertreten und hat dort heute einen kleinen Marktanteil. Sie betreut in Wien rund 220 000 Kunden. Ihr Auftritt bildet in der österreichischen Hauptstadt auch in anderer Hinsicht eine Ausnahme: Während im übrigen Land 540 lokale Raiffeisenbanken die Betreuung von Privatkunden, Freiberuflern sowie kleinen und mittleren Unternehmen übernehmen, richtet sich in Wien die Raiffeisenlandesbank Nie-derösterreich-Wien AG direkt an diese Zielgruppe. Im Normalfall betreuen die Raiffeisenlandesbanken vor allem das mittlere Wirtschaftssegment, aber auch Großkunden. Über der Gruppe steht als Spitzeninstitut die Raiffeisen Zentralbank Österreich AG. Die Bank zählt sich zu den drei führenden Kommerz- und Investmentbanken Österreichs.

Die Raiffeisenlandesbank Niederöster-reich-Wien ist entstanden aus einer gemeinsamen Geldausgleichsstelle, die 400 niederösterreichische Raiffeisenkassen im Jahr 1898 gründeten. Zu dieser Funktion sind im Laufe der Jahre weitere Geschäftsfelder hinzugekommen: Firmenkunden, institutionelle Großkunden, öffentliche Hand. Heute bearbeitet sie unter anderem den Wiener Retailmarkt und betreibt dafür in der Stadt 48 Filialen, sieben Private Banking Center, sechs Handel- und Gewerbeteams und fünf Beratungsbüros. Dazu kommen ein Angebot für Kommerzkunden und eine Wertpapierbank.

Im Jahr 1961 hatte die Landesbank ihr Retailgeschäft in eine Tochtergesellschaft, die Raiffeisenbank Wien, ausgegründet. Vor allem in den achtziger Jahren trieb sie den Ausbau des Wiener Filialnetzes voran. Die Tochter wurde im Sommer 1997 nach 36 Jahren - mit der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich Wien verschmolzen, um den Wiener Markt verstärkt bearbeiten zu können. An den insgesamt 66 Standorten werden 220 000 Kunden betreut, im Jahr 2008 sind 20 000 Neukunden dazugekommen

Neben der Betreuung in den Filialen ist für die Kunden auch eine Beratung zu Hause möglich: 18 mobile Beraterteams sind für die Raiffeisen unterwegs. Zudem hat das Institut in einer Filiale im 15. Bezirk fremdsprachige Beratung eingeführt: Infomaterialien und Beratungsgespräche sind auf türkisch und serbokroatisch erhältlich. Vergleichbar ist das mit einem Angebot der Ersten Bank, die seit vergangenem Jahr in drei Filialen auf serbisch und kroatisch berät.

Auch für Menschen mit beeinträchtigtem Hörvermögen will die Raiffeisen ein bevorzugter Ansprechpartner werden: In einem Pilotprojekt wurden 14 Filialen mit Beratungsplätzen versehen, die mit induktiver Höranlage ausgestattet sind.

In vielerlei Hinsicht ist die Bank recht findig in ihrem Öffentlichkeitsauftritt. Zum Weltspartag 2008 beispielsweise liefen 1 000 Mitarbeiter von der Staatsoper aus durch die Wiener Straßen und verteilten Geschenke. Im August des vergangenen Jahres arbeiteten 50 Mitarbeiter aus dem Bereich Handel und Gewerbe bei den von ihnen betreuten Kunden für einen Tag mit.

Als "Speerspitze" für ihren Eroberungskurs in Wien bezeichnet die Bank den Unternehmensbereich Private Banking. Sie bietet individuelle Vermögensverwaltung für Kunden mit einem Vermögen ab 150 000 Euro an und hat insgesamt 2,2 Milliarden Euro Assets under Management. Ihr Gebührenmodell in diesem Bereich beinhaltet eine Geld-zurück-Garantie, die der Kunde in Anspruch nehmen kann, wenn er mit den Leistungen der Bank unzufrieden ist. Eine Übertragung des Konzeptes auf den Retailbereich ist aber nicht geplant.

Raiffeisen expandierte als erste nach Osten

Die Raiffeisen-Gruppe hat sich - ebenso wie die Sparkassen-Organisation - in den vergangenen Jahrzehnten deutlich umstrukturiert. Durch eine 1978 erlassene Novelle des Kreditwesengesetzes sind seit 1981 für die Leitung einer österreichischen Bank mindestens zwei hauptamtliche Geschäftsleiter vorgeschrieben. Dieses Vier-Augen-Prinzip löste eine Fusionswelle bei den Raiffeisenbanken aus, wodurch die Anzahl der selbstständigen Institute innerhalb von fünf Jahren halbiert wurde. Bis Jahresende 2008 ist die Anzahl der österreichischen Raiffeisenbanken weiter auf 551 zurückgegangen.

Gleichzeitig forcierte die Raiffeisen Zentralbank ihre Tätigkeiten im Effekten- und Immobiliengeschäft, und mit der Raiffeisen International wurde eine Tochtergesellschaft gegründet, welche seit den späten Achtzigern die Expansion in den osteuropäischen Raum vorantreibt. Seit der Gründung der heutigen Raiffeisen Bank in Ungarn 1986 hat das Institut diverse Akquisitionen getätigt, unter anderem die russische Impexbank und die e-Banka in der Tschechischen Republik. Zum Jahresende 2008 gehörten Tochterbanken, Leasinggesellschaften und eine Reihe von Finanzdienstleistungsunternehmen in 17 Märkten zum Raiffeisen-Konzern. Etwa 63 000 Mitarbeiter betreuten rund 14,7 Millionen Kunden in etwa 3 200 Geschäftsstellen.

Doch auch die Raiffeisen-Gruppe ist von den jüngsten Finanzmarktturbulenzen nicht verschont geblieben. Sie hat im Dezember vergangenen Jahres 750 Millionen Euro an Kapital von den Eigentümern aufgenommen und begibt im laufenden Jahr Partizipationskapital in Höhe von 1,75 Milliarden Euro. Im Gegenzug hat sie sich zu einer verstärkten Kreditvergabe an die Wirtschaft verpflichtet.

Auch der dritte Finanzverbund, die Volks-banken-Gruppe, hat über sein Spitzeninstitut Staatshilfe in Anspruch genommen: Die Volksbank AG (VBAG) bezieht eine Milliarde Euro Partizipationskapital vom österreichischen Staat und verpflichtete sich im Gegenzug dazu, in den nächsten drei Jahren Kredite in Höhe von zwei Milliarden Euro an österreichische Privat- und Firmenkunden zu vergeben.

Die VBAG orientiert sich seit den neunziger Jahren nach Osten. Der Startschuss für ihre Expansion nach Osteuropa fiel 1991 mit der Gründung einer Bank in Bratislava. Die Gruppe verzichtete jedoch - anders als die Sparkassen und Raiffeisenbanken weitgehend auf größere Akquisitionen und trieb ihr Wachstum organisch voran. Dennoch hat ihr Engagement in neun Ländern in Mittel- und Osteuropa (Slowakei, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Kroatien, Rumänien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Ukraine) derzeit schon einen großen Anteil an der Geschäftstätigkeit: Während die Gruppe europaweit etwa 13 600 Mitarbeiter beschäftigt, sind es in Österreich rund 4 000. Etwa einer Million Kundenkonten im Heimatmarkt stehen 1,5 Millionen Kundenkonten in Mittel- und Osteuropa gegenüber.

Im Jahr 1997 begann die VBAG, ihre Auslandsbeteiligungen in der heutigen Volksbank International AG (VBI) zu bündeln. Sowohl bei der Mutter Volksbank AG als auch bei der international agierenden Tochter ist der deutsche Genossenschaftssektor engagiert. Die DZ Bank hält 25 Prozent an der Mutter, DZ Bank und WGZ Bank besitzen gemeinsam 24,5 Prozent an der VBI. An dieser ist zudem die französische Volksbanken-Gruppe über die Banque Fédérale des Banques Populaires zu 24,5 Prozent beteiligt.

Insbesondere im Leasingbereich kooperieren die deutschen Kreditgenossen mit den Österreichern: Die VB Leasing International Holding GmbH ist ein Joint Venture von VBAG und VR Leasing AG. Ihre Holding sitzt in Wien, der Konzern betreibt neun Töchter in Mittel- und Osteuropa. Diese verzeichneten im Jahr 2008 ein Neugeschäftsvolumen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, was einem Rückgang von zehn Prozent gegenüber 2007 entspricht.

Und auch im Geschäftsbereich Kommunalkredit machen die von der Finanzkrise verursachten Turbulenzen der Volksbank AG zu schaffen: Sie musste ihre insolvenzgefährdete Tochter, die Kommunalkredit Austria AG im November 2008 für einen Euro an den österreichischen Staat abgeben. Der Verlust aus diesem Vorgang wird von der Volksbank auf 584 Millionen Euro beziffert.

Mehrmarkenstrategie im Retailmarkt

Im Retailmarkt Wiens tritt das Spitzeninstitut Volksbank AG unter verschiedenen Marken auf, darunter die Volksbank Wien AG, die Immo-Bank AG und die Bank für Ärzte und freie Berufe (siehe Kasten). Aktuell verzeichnet die Gruppe in ihren 546 Filialen in Österreich 810 000 Privat- und 100 000 Kommerzkunden.

Ebenso wie in den beiden anderen Finanzverbünden ist man aber auch in der Gruppe der Volksbanken einmal den Weg der Vertikalisierung gegangen. Der im Jahr 1922 als Zentralinstitut mehrerer regionaler Kreditgenossenschaften gegründeten Volksbank AG ermöglichte 1991 eine neue Verbandsverfassung die Umgestaltung von einem reinen Spitzeninstitut zu einem Spitzeninstitut mit Kommerzbank-Funktion.

Retailgeschäft in die Volksbank Wien ausgegründet

Während jedoch die Raiffeisen-Gruppe ihr Retailgeschäft zunächst ausgründete und später wieder eingliederte, wurde durch die Einbringung der Volksbank Wien in die Volksbank AG zunächst ein Zugang zum Primärgeschäft geschaffen. Dieses Geschäftsfeld wurde dann zehn Jahre später, im Jahr 2001 in die heutige Volksbank Wien AG ausgegründet, in die die VBAG ihren Filialbetrieb einbrachte. Der Bankbetrieb der bisherigen Volksbank für Wien und Klosterneuburg reg. Gen.m.b. H.ging zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in der Volksbank Wien auf. Zugrunde lag offensichtlich der Wunsch, ein gruppeninternes Konkurrenzverhältnis zu beseitigen.

Die Volksbank Wien, mit einer Bilanzsumme von 2,35 Milliarden Euro die größte Volksbank Österreichs, betreibt in der Stadt und deren Umgebung aktuell 32 Filialen. Ein neu angemieteter Standort in der Operngasse soll noch im laufenden Jahr als Flagschiff-Filiale eröffnet werden. Die Bank gibt ihren Marktanteil im Einzugsgebiet mit rund vier Prozent an. Als ihre wichtigsten Zielgruppen zählt sie ausgewählte KMUs, Privatkunden mit Wohnraumbedarf, Familien mit Kindern und anlageorientierte Kunden ab 30 bis 40 Jahren.

Der Wiener Markt sei, so verlautet aus der Retailbank, mit dem übrigen Österreich nicht vergleichbar: BA, Bawag und Erste Bank sind stark vertreten, die Wettbewerbsdichte ist hoch und diese Konkurrenz um den Kunden werde insbesondere über den Preis ausgetragen. Währenddessen seien die Sach- und Personalkosten jedoch höher als im Rest des Landes.

Wohl auch deshalb geht die Volksbank Wien im Vertrieb neue Wege: Beispielsweise gehört sie zu den österreichischen Vertriebspartnern der Nürnberger Teambank. Im Dezember 2008 haben Volksbank Wien und Teambank gar einen gemeinsamen Shop in der Innenstadt Wiens eröffnet.

Die 24 österreichischen Vertriebspartner der Teambank verkaufen den Konsumentenkredit unter dem Namen Eamy Credit (ausgesprochen wie "my credit"), das Produkt ist jedoch trotz verändertem Namen an der Werbefigur Fairman deutlich zu erkennen. Die Abweichung im Markenauftritt resultiert aus einem Rechtsstreit der Teambank mit der Bawag. Diese vertreibt den Verbraucherkredit ihrer 1997 gestarteten Tochter Easybank unter dem Namen Easy Kredit und sieht die Namensrechte am Easy Credit ebenfalls im eigenen Haus.

Wohnbaubank des Volksbankensektors

Eine weitere Tochter der Volksbank AG tritt mit drei Filialen in Wien auf, die Immobank AG. Das Haus mit einer Bilanzsumme von 1,28 Milliarden Euro betreibt schwerpunktmäßig die Finanzierung zur Errichtung und Sanierung von Wohnimmobilien beziehungsweise die Refinanzierung für Immobilieninvestments. Während sie Geschäfte im Bereich Wohnbau auf eigene Rechnung betreibt, werden andere, die gewerbliche Immobilien und Auslandsinvestments betreffen, für die Konzermutter abgewickelt. Im laufenden Jahr will das Institut einen Schwerpunkt auf die Kernzielgruppe Gebäudeverwaltungen legen sowie auf die Betreuung privater und institutioneller Anleger.

Gegründet wurde die Bank 1932 als Hausbesitzer Spar- und Darlehns Kassa reg. Gen.m.b. H. von den Mitgliedern des Zentralverbandes der Hausbesitzer. Der Einstieg der Volksbank AG als Großeigentümer bewirkte eine Ausweitung des Geschäfts. Seit 1993 liegt ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf der Emission von steuerbegünstigten Wohnbauanleihen in Form von Wandelschuldverschreibungen. Diese werden von den regionalen Volksbanken vertrieben, ihr Volumen betrug 2008 etwa 769 Millionen Euro.

Volksbank Baden mit fünf Filialen in Wien vertreten

Als weitere Volksbanken sind im Retailmarkt Wiens die Volksbank Baden sowie das Wiener Spar- und Kreditinstitut tätig. Die 1871 als Vorschuß- und Credit-Verein gegründete Volksbank Baden als größte Volksbank in Niederösterreich betreibt fünf ihrer 32 Filialen im 23. Bezirk Wiens. In den achtziger und frühen neunziger Jahren entstand das heutige Institut mit einer aktuellen Bilanzsumme von rund 990 Millionen Euro aus fünf Fusionen mit kleineren Volksbanken.

Die Bank arbeitet derzeit aktiv an der Modernisierung und Ausweitung ihres Filialnetzes, im Jahr 2008 wurden mehrere Standorte ausgebaut und einer neu eröffnet. Für 2009 sind weitere Umbauten und der Abschluss eines neuen Filialstandortes vorgesehen.

Das 1871 gegründete Wiener Spar- und Kreditinstitut (WSK), das für 2008 eine Bilanzsumme von 114 Millionen Euro auswies, betreibt drei Filialen und zwei Kredit-Shops in Wien. Die Bank, die zuvor noch unter dem Corporate Design der Volksbanken-Gruppe aufgetreten ist, hat sich im Jahr 2007 einen neuen Marktauftritt im Sinne des "Erlebnis-Banking" verordnet. Seit dieser Zeit fokussiert sich das auf Verbraucherkredite spezialisierte Unternehmen auch besonders auf Angebote für Frauen.

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