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Neuer Beratungsbedarf durch Schenkungen

Nach der Erbschaftswelle kommt nun die Schenkungswelle. Das geht aus einer Yougov-Studie im Auftrag der Quirin Privatbank hervor. Repräsentativ wurden dafür im März 2018 in allen 16 Bundesländern Personen ab 18 Jahren in insgesamt 7 339 Online-Interviews zum Thema Schenkungen und Erbschaften befragt (Studienergebnisse im Research-Bereich unter kreditwesen.de).

Geschenke als vorgezogenes Erbe werden demnach in Deutschland immer beliebter. Schon mehr als jede fünfte Schenkung in Höhe von mindestens 1 000 Euro wurde bislang ausdrücklich als vorweggenommene Erbschaft vergeben. In Baden-Württemberg und Thüringen waren es sogar gut 30 Prozent.

Insgesamt geben dabei 43 Prozent der Befragten an, schon mindestens einmal ein Geschenk im Wert ab 1 000 Euro erhalten zu haben. Am häufigsten ging es dabei um Bargeld oder Überweisungen (60 Prozent). Fast jedes sechste Geschenk enthielt aber auch schon Immobilien (15 Prozent).

Insgesamt hatte mehr als jede vierte Schenkung in Deutschland (27 Prozent) bereits einen Umfang von mehr als 10000 Euro, in Bayern sogar jede dritte. Und die Häufigkeit sowie die Umfänge von Schenkungen können künftig weiter bundesweit stark zunehmen. Denn 59 Prozent der Befragten denken grundsätzlich daran, selbst größere Geschenke ab 1 000 Euro zu vergeben. Dieser Anteil ist in allen Bundesländern etwa gleich hoch, wobei Männer sich etwas spendabler zeigen als Frauen (61 zu 57 Prozent).

Bei den Umfängen gibt es aber deutliche Unterschiede. In Bayern geht es schon bei jeder vierten künftigen Schenkung um mindestens 100 000 Euro. In Berlin und Thüringen ist das nur in jedem zehnten Fall so. Bundesweit kann eine sechsstellige Schenkung in jedem sechsten Fall anstehen (17 Prozent). Zum Vergleich: Unter bisherigen Geschenken wurde diese Größenordnung in Deutschland nur in sechs Prozent aller Fälle erreicht.

Als wesentlichen Grund dafür, dass die Wahrscheinlichkeit von Geschenken im Wert sechsstelliger Euro-Beträge künftig auf fast das Dreifache steigen kann, macht die Quirin Bank Immobilien aus. Immerhin 40 Prozent der Probanden können sich vorstellen, in Zukunft Immobilien zu verschenken. In Bayern und Rheinland-Pfalz könnte Grundbesitz der Studie zufolge künftig sogar schon in jeder zweiten Schenkung enthalten sein.

Wachsender Beliebtheit bei der Wahl der Geschenke erfreuen sich auch Aktien und Fondsanteile. Bisher enthielten zwar nur sechs Prozent der Schenkungen im Wert von über 1 000 Euro Wertpapiere. Allerdings können sich 20 Prozent der Befragten vorstellen, künftig Aktien oder Fondsanteile zu verschenken. Damit liegen Wertpapiere gleichauf mit Schmuck und Diamanten.

Ein wichtiges Motiv für die Tendenz zur Schenkung scheint die Steuervemeidung zu sein. Zwar gehen nur vier Prozent der Befragten davon aus, dass dies bei größeren Geschenken, die sie bisher erhalten haben, als Motiv eine Rolle gespielt hat. Allerdings stimmen 27 Prozent der Aussage zu, dass sich mit Schenkungen im Vergleich zur Erbschaft Steuern sparen lassen. 39 Prozent der Befragten kennen die Steuerpflicht bei Schenkungen nicht und stolze 68 Prozent gehen davon aus, dass sie von kaum jemandem beachtet wird. Niedriger fällt diese Quote nur bei jungen Probanden zwischen 18 und 24 Jahren (57 Prozent) sowie bei Frauen (63 Prozent) aus.

Was heißen diese Erkenntnisse nun für Kreditinstitute? Zum einen könnte die Tendenz, eher zu Lebzeiten zu schenken als zu vererben, es Banken und Sparkassen schwerer machen, Beratungsbedarf zu erkennen. Das gilt vor allem dann, wenn Geldbeträge verschenkt werden, eventuell sogar mehrmals in kleineren Dimensionen. Während eine größere Erbschaft häufig nach einer Strategie verlangt, was mit dem Geld geschehen soll, werden Beträge um die 1 000 Euro gerade im derzeitigen Zinsumfeld ohnehin vermutlich häufig eher ausgegeben statt angelegt.

Dennoch sieht Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank, auch neue Möglichkeiten für die Anlageberatung entstehen - vor allem mit Blick auf die wachsende Bedeutung von Wertpapieren, die verschenkt werden. Denn bislang besaßen die über 50-Jährigen in Deutschland deutlich häufiger Aktien und Fonds als jüngere Erwachsene. Im Zuge der Schenkungs- und Erbschaftswelle kann sich das Verhältnis zugunsten der Jüngeren verändern. Und wer unerwartet, ohne sich näher mit dem Thema befasst zu haben, in den Besitz von Wertpapieren gelangt, der könnte einen besonderen Beratungsbedarf mit Blick auf die richtige Anlagestrategie haben.

Beratungsbedarf entstehen kann aber auch mit Blick auf die Steuerfrage. Die vergleichsweise große Unsicherheit bei der steuerlichen Behandlung von Schenkungen, wie sie in den Studienergebnissen zutage tritt, gibt Banken und Sparkassen Gelegenheit, sich hier mit ihrer Beratungskompetenz zu positionieren - und zwar gleichermaßen bei den Beschenkten wie auch bei den Schenkenden, die sich vielleicht die Frage stellen, ob Schenken für die Empfänger steuerlich günstiger ist als Erben und wie die Schenkung zu gestalten ist, um von Steuervorteilen wie den neuen Freibeträgen alle zehn Jahre profitieren zu können. Red.

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