Rechtsfragen

Negative Zinsen - viele Fragen offen

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Beim Thema negative Zinsen haben Banken und Sparkassen noch keine einheitliche (rechtliche) Linie gefunden. Die Entwicklung beschert Juristen neue unbekannte Themenfelder, so Lutz Tiedemann. Müssen Banken negative Zinsen an Kreditnehmer auszahlen? Können sie rechtswirksam einen Zero-Floor vereinbaren - oder ist das als unzulässiges Bearbeitungsentgelt zu werten? Und welche Auswirkungen ergeben sich für Swap-Verträge? Aus den gesetzlichen Regelungen geht die Antwort aus diesen Fragen nicht eindeutig hervor. Und eine Rechtsprechung dazu gibt es in Deutschland noch nicht, deshalb ist eine abschließende Bewertung bislang nicht möglich, so Tiedemann. Eine forensische Klärung ist deshalb zu erwarten. Insbesondere die Swap-Verträge werden seiner Einschätzung nach jedoch viele Gerichte beschäftigen. Red.

Negativzinsen sind inzwischen zur ökonomischen Realität geworden. Seit einiger Zeit sind wichtige Referenzzinssätze negativ. Dies gilt für den Eonia und nun auch für den 1- und 3-Monats-Euribor. Von diesen Referenzzinssätzen hängen die Zahlungen vieler Finanzprodukte, zum Beispiel Kredite und Anleihen mit variabler Verzinsung, allerdings auch Swaps ab. Was geschieht, wenn die Referenzzinssätze negativ werden, ist derzeit nicht klar. Dies liegt schlichtweg daran, dass dieser Fall an sich nicht geregelt wurde, wenn man die Muster-Swap-Verträge aus dem Jahre 2003 vom Bankenverband einmal ausnimmt.

Drei ungeklärte Fragen

Derzeit stehen drei juristische, ungeklärte Fragen im Feuer:

- Muss die Bank an den Kunden negative Zinsen zahlen?

- Kann die Bank rechtswirksam einen Zero-Floor von 0,0 Prozent vereinbaren?

- Und welche tatsächlichen Auswirkungen haben negative Referenzzinssätze auf Swaps?

Rechtsprechung gibt es in Deutschland - im Gegensatz zu Österreich - noch nicht. In diesem Artikel sollen deshalb lediglich Pro und Contra aufgezeigt werden. Eine abschließende Klärung der Rechtslage kann nicht erfolgen.

1. Muss die Bank an den Kunden negative Zinsen zahlen?

Spricht man mit Rechtsabteilungen der Banken und Sparkassen, wird schnell deutlich, dass absolutes Unverständnis darüber besteht, dass Kunden überhaupt fordern, negative Zinsen an sie auszukehren. Dies ist verständlich, da die Forderung aus heutiger Sicht völlig ungewöhnlich ist.

Insoweit wird argumentiert, dass ein negativer Zinssatz oder ein Zinssatz von Null grundsätzlich dem gesetzlichen Leitbild eines Kreditvertrages widerspricht. Dabei wird ausgeführt, zumindest redliche Parteien hätten nicht vereinbart, dass der Kunde auch noch Geld dafür bekommt, wenn er ein Darlehen aufnimmt.

Kreditgeber: Nicht im Sinne des Gesetzgebers

Folglich, so die Argumente gegen eine Auszahlung von Zinsen, hätten die Parteien eines Kreditvertrages solche Möglichkeiten nicht ins Kalkül gezogen. Ergo liegt eine Vertragslücke eines Darlehensvertrages bezüglich negativer Zinsen vor. Und diese Vertragslücke ist so zu schließen, wie es dem typischen Willen der Parteien entspricht. Dabei würde es dem typischen Willen eben entsprechen, dass der Darlehensnehmer selbstverständlich Geld zu zahlen und nicht zu bekommen hat. Dies ist auch - so die Verfechter der Einschätzung, dass Zinszahlungen nicht geleistet werden müssen - aus dem Leitbild des Darlehens gemäß § 488 BGB zu sehen. Denn zu den typischen Vertragspflichten - so die Gegner von Zinszahlungen - gehöre auch der typische Zins. So ist in § 488 Abs. 1 BGB die Formulierung zu finden: "[...] Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen [...]." Dies sei ein eindeutiges Indiz für eine Zahlungspflicht des Darlehensnehmers und nicht etwa, dass er Zinszahlungen erhält.

Schließlich wird in diesem Zusammenhang gern auf § 491 BGB verwiesen. Auch dort wird unter Absatz eins die Formulierung [...] entgeltliche Darlehensverträge [...] vom Gesetzgeber gewählt. Die Formulierung entgeltlicher Darlehensvertrag ist mithin ein eindeutiger Hinweis des Gesetzes, dass der Kunde selbstverständlich keine Zinsen erhält. Er muss diese vielmehr bezahlen.

Kreditnehmer: Zinsanpassungen nicht gesetzlich gedeckelt

Kredit- und Darlehensnehmer sind selbstverständlich mit obigen Argumenten nicht einverstanden. Vielmehr sind sie der Ansicht, dass negative Zinsen an sie ausgekehrt werden müssen. Sie führen an, dass keine Vertragslücke in einem Darlehensvertrag existiert. Dabei verweisen sie auf Zinsanpassungsklauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen beziehungsweise in den jeweiligen Paragrafen der Kreditverträge. Zinsen werden durch die Zinsanpassungsklausel nach oben oder nach unten angepasst. Wenn also die Anpassung negativ sein soll, entspricht es trotzdem noch dem Parteiwillen. Eine Lücke kann daraus nicht erkannt werden, so die Meinung der Befürworter der Negativzinsauszahlung.

Auch würde die Gesetzesauslegung nicht dazu führen, dass sich die Banken einer Zahlung negativer Zinsen verwehren könnten. Als Argument wird unter anderem § 247 BGB ins Feld geführt. In § 247 BGB ist geregelt, dass der Basiszinssatz sich stets zum 01. Januar und 01. Juli eines Jahres um die Prozentpunkte verändert, um welche die Bezugsgröße seit der letzten Veränderung des Basiszinssatzes gestiegen und gefallen ist.

Auch hier wird darauf verwiesen, dass hier keine Deckelung für einen negativen Basiszinssatz auf 0,00 Prozent in § 247 BGB geregelt ist. Vielmehr wird als Argument darauf verwiesen, dass bei Verzugszinsen derzeit auch nicht die gesetzlichen Verzugszinsen von fünf Prozent, respektive neun Prozent gezahlt werden, sondern dass diese gesetzlichen Zahlen durch den Basiszinssatz vermindert werden. Verzugszinsen liegen also unter fünf Prozent und neun Prozent. Warum soll dies dann nicht auch bei Darlehensverträgen gelten, so die Befürworter von der Auskehrung negativer Zinsen.

Sollte der Gesetzgeber es wirklich vorgesehen haben, dass Darlehenszinsen nicht negativ werden, hätte er dies geregelt, so die anschießende Argumentation.

Entsprechende Regelungen findet man unter anderem in Art. 46 Scheckgesetz (ScheckG). Dort ist geregelt: "[...] beträgt der Zinssatz zwei vom Hundert über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 des Bürgerlichen Gesetzbuches, mindestens aber sechs vom Hundert; [...]." Diese Regelung gilt nach wie vor inlandsweit bis heute (siehe hierzu Art. 48 Abs. 1 Nr. 2, 49 Nr. 2, Art. 45 Nr. 2, 46 Nr. 2 ScheckG).

Selbiges ist in der Pfandbrief-Barwertverordnung (PfandBarwertV) in § 5 zu sehen. Dort wird geregelt: "[...] sich ergebende negative Zinssätze sind auf null zu setzen."

Auch hier, so die Befürworter von Auszahlungen negativer Zinsen, wird deutlich, dass, wenn der Gesetzgeber es wollte, dass negative Zinsen auf null gesetzt werden, er das geregelt hat. Bei Darlehensverträgen hat er das nicht geregelt, ergo - so die Meinung - müsse man die negativen Zinsen hier auszahlen.

Als weiteres Argument wird ausgeführt, dass das Kreditwesengesetz (§ 1 Nr. 2 KWG), welches Gelddarlehen regelt, allerdings nicht die Voraussetzung für den Regelungsbereich ist, dass eine Verzinsung für das Gelddarlehen vorliegt.

Grundsatz der Vertragsfreiheit ermöglicht auch negative Zinsen

Auch das Argument der Banken gemäß § 488 BGB sehen die Befürworter als keine harten Fakten an. Denn die typischen Pflichten der Parteien aus dem Darlehensvertrag sind das Kapitalnutzungsrecht und die Rückzahlungspflicht. Die Zinszahlungspflicht soll dabei der privatautonomen Gestaltungsfreiheit der Parteien unterliegen. Aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ergibt sich daher, dass es im bestehenden System der Zinsfreiheit möglich sein muss, in einem Darlehensvertrag negative Zinsen zu vereinbaren. Dies sei auch § 345 HGB zu entnehmen. Denn dort steht, dass der Darlehensnehmer Zinsen verlangen kann, aber nicht muss.

Auch § 491 BGB, mithin das Argument der Entgeltlichkeit, ist kein tragendes Argument, so die Gegner. Schließlich steht das Entgeltlich für Darlehensverträge nur dafür, dass die Verbraucher erst dann besondere Informationen über den Kredit erhalten müssen, wenn er entgeltlich ist. Das heißt, sollte ein Darlehensvertrag nicht entgeltlich sein, muss der Verbraucher nicht besonders informiert werden. Das heißt allerdings nicht, dass die Formulierung "entgeltlich" meint, dass Zinsen stets zu zahlen sind und nicht negativ werden können.

Wie oben gezeigt, sind die Argumentationen vielseitig und in ihrer unterschiedlichen Art können sie sogar überzeugen. Wie sich letztendlich Gerichte in Deutschland entscheiden werden, ist völlig offen. In Österreich existieren bereits Tendenzen. Die dortige Rechtsprechung soll mit dem nächsten Thema angerissen werden.

2. Kann die Bank rechtswirksam einen Zero-Floor von 0,0 Prozent vereinbaren?

Es ist bekannt, dass Banken und Sparkassen nachträglich bei variablen Zinssätzen die Kunden auffordern, Folgendes zu unterschreiben: "[...] Da die zuvor beschriebene Entwicklung auf den Geldmärkten (unter anderem negative Indikatoren) nicht vorhersehbar waren, wurde dies bei Abschluss des Kreditvertrages nicht geregelt, sodass aufgrund dieser Umstände eine Vertragslücke entstanden ist. Um diesbezüglich Klarheit zu schaffen, werden wir Ihnen daher, solange der Wert des Indikators zum Zinsanpassungstermin unter null Prozent liegt, nur den Zinsaufschlag in Höhe von [...] als Mindestzinssatz verrechnen."

Die Frage ist, ob diese Regelung zulässig ist. Diese Standardschreiben zur Änderung des Zinssatzes sind in einer Vielzahl von Fällen verwendet worden. Insoweit sind dies vorformulierte Änderungsklauseln zu Kredit- und Darlehensverträgen. Sie unterliegen in Deutschland der AGB-Inhaltskontrolle der §§ 305 ff. BGB.

Grundsätzlich ist eine Vereinbarung auf null Prozent als ein sogenannter Floor finanzmathematisch zu werten. Dieser Floor lässt sich auch als geldwerter Vorteil durch Finanzmathematiker berechnen. Deshalb werfen Kritiker Banken hier vor, sie würden sich einen geldwerten Vorteil (ein Derivat als Floor) durch eine einfache Unterschrift des Darlehens- und Kreditnehmers schaffen. Die Frage ist mithin, ob dies zulässig ist.

Unzulässiges Bearbeitungsentgelt?

Der Vorsitzende des XI. Zivilsenats beim Bundesgerichtshof, Herr Prof. Dr. Ellenberger, hat in einer Festschrift für Hopt im Jahre 2010 geschrieben, dass jede Anpassung auf eine irgendwie geartete Zinsanpassungsklausel, die zu einem geldwerten Vorteil (Entgelt) wird, unzulässig nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist. Die Gegner der Zulässigkeit solcher Klauseln führen mithin an, dass letztendlich ein Floor wie ein Bearbeitungsentgelt zu werten ist. Folglich ist die Vereinbarung des Floors unzulässig. Da ein unzulässiges "Bearbeitungsentgelt" vorliegt.

Ferner ist spätestens seit dem Urteil vom Oberlandesgericht Frankfurt vom 25. Februar 2016 (3 U 110/15) klar, dass diese Rechtsprechung auch auf Unternehmerkredite anwendbar ist. Daher stehen Verbraucherschutzorganisationen auf dem Standpunkt, dass die Vereinbarung von Zero-Floor-Klauseln nichts anderes als ein Bearbeitungsgelt ist, welches gegenüber Verbrauchern und auch gegenüber Unternehmern unzulässig ist.

In diesem Zusammenhang ist die Lektüre eines Urteils vom 5. Juli 2016 zu empfehlen (OLG Innsbruck, Urteil vom 5. Juli 2016, 4 R 58/16 k). Dort hat der Verein für Konsumenteninformation gegen die Hypo Tirol Bank geklagt, womit sie feststellen lassen wollte, dass Zero-Floor-Klauseln unwirksam sind. In diesem Prozess spielen viele oben genannte Argumentationen zur Frage "Müssen Banken negative Zinsen zahlen" hinein.

Hauptargument des klagenden Österreichischen Verbraucherschutzvereins war, dass das Kriterium der Entgeltlichkeit nicht anhand einzelner Zinsperioden, sondern über die gesamte Laufzeit zu betrachten sei (Seite elf des Urteils aus Innsbruck). Deshalb sei insgesamt die Vereinbarung negativer Zinsen kein Widerspruch zu dem Leitbild eines Darlehensvertrages und insofern insgesamt die Vereinbarung einer Zero-Floor-Klausel unwirksam.

Auch hier soll keine Wertung gezogen werden. Als Argument für das Für und Wider wird - wie oben geschildert - die Lektüre vom Oberlandesgericht Innsbruck, allerdings auch vom Handelsgericht Wien (Handelsgericht Wien, 60 R 4/16 t) empfohlen.

3. Welche tatsächlichen Auswirkungen haben negative Referenzzinssätze auf Swap-Verträge?

Bei Swap-Verträgen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bereits die ersten Muster vom Bankenverband bezüglich Swap-Verträge vom 29. November 2003 negative Zinsen in ihren Swap-Verträgen geregelt haben. Dies ist deswegen interessant, da heute grundsätzlich keiner davon ausging, dass es jemals negative Zinsen gibt. Die Regel im Jahre 2003 allerdings schon.

Es ist bekannt, dass die Banken und Sparkassen mit einer ungeheuren Klagewelle aufgrund Verlusten von Swap-Verträgen überhäuft wurden. Dabei hat der Bundesgerichtshof im Jahre 2011 Bankkunden die Möglichkeit gegeben, über die sogenannte Rechtsprechung über die Aufklärung des anfänglichen negativen Marktwertes Schadenersatzansprüche geltend zu machen.

Der Bundesgerichtshof hat im Jahre 2016 ebenfalls am 22. März des Weiteren entschieden, dass Banken über den anfänglichen negativen Marktwert nur dann nicht aufklären müssen, wenn Swap- und Darlehensvertrag konnex sind, mithin ein synthetisches Festzinsdarlehen oder synthetisches, variables Darlehen durch Swap und Darlehen gebildet werden.

Swap-Rechtsprechung des BGH als Einfallstor für juristische Argumente

Nun ist es so, dass die negativen Zinsen dazu führen können, dass solch eine Konnexität nicht mehr vorliegt. Denn ein ursprünglich konnexer Swap-Vertrag (synthetisches Festzinsdarlehen), beispielsweise von Kommunen, könnte durch negative Zinsen nicht mehr konnex sein. Denn wenn der Kunde neben dem vereinbarten synthetischen Festzinssatz auch negative Zinsen zahlen muss, wird die von ihm ursprünglich gewertete Sicherheit durch den Swap-Vertrag nicht erreicht. Statt Planungssicherheit (nur Zahlung eines Festzinses) ist diese Planungssicherheit durch weitere Verpflichtungen über den Swap-Vertrag zur Zahlung negativer Zinsen nicht mehr existent.

Für diesen Themenbereich gibt es keinerlei Entscheidungen, auch nicht aus Österreich oder Europa. Allerdings dürfte die strenge Swap-Rechtsprechung vom Bundesgerichtshof hier ein Einfalltor für juristische Argumente sein. Denn über den anfänglich negativen Marktwert und dessen vermeintlich schwerwiegenden Interessenkonflikt muss aufgeklärt werden, wenn Swap- und Darlehensvertrag nicht konnex sind. Bei Auseinanderlaufen von negativen Zinsen liegt solch eine Konnexität nicht vor.

Banken können sich dann bezüglich einer fehlenden Aufklärungspflicht über anfängliche negative Marktwerte nur noch über die Rechtsprechung zur Kausalität und bei Swap-Verträgen, unter die noch § 37a WpHG fällt, über Vorsatz und Rechtsirrtum retten. Aber dieser Punkt wird in Zukunft höchstwahrscheinlich viele Gerichte in Deutschland beschäftigen. Nach Kenntnis des Verfassers werden diese Argumente derzeit schon in laufende Prozesse eingeführt.

Als Fazit lässt sich festhalten: Negative Zinsen sind nicht nur finanzmathematisch, sondern auch juristisch höchst interessant. Die negativen Zinsen bescheren Juristen neue unbekannte Themenfelder, die in Literatur und Rechtsprechung zu entscheiden sind.

Dies macht die Arbeit der Rechtsabteilungen von Kreditinstituten nicht einfach. Wie soll mit potenten und langjährigen Kunden umgegangen werden, die Negativzinsen fordern oder drauf pochen, dass entsprechende Zero-Floor-Klauseln unwirksam sind? Wie soll damit umgegangen werden, wenn plötzlich exorbitante Schadenersatzansprüche aufgrund Swap-Verträgen, die vorher noch konnex waren, geltend gemacht werden? Hier ist wahrlich guter Rat teuer. Es bleibt spannend.

Zum Autor

Lutz Tiedemann, Partner, GROENEWOLD TIEDEMANN Rechtsanwälte, Hamburg

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