IM GESPRÄCH

"Wir haben den digitalen Härtetest durch Corona bestanden" Interview mit Rainer Hald

Rainer Hald, Foto: Sparkasse Göttingen

In Rekordzeit hat die Sparkasse Göttingen im vergangenen Jahr die Fusion mit der Sparkasse Münden vollzogen. Im Kreditgeschäft konnte sie so bereits von verbesserten Geschäftsmöglichkeiten profitieren. Ein Großteil der Kredit anfragen hatte dabei keinen Corona-Bezug, so Rainer Hald. Auch den Härtetest in Sachen Digitalisierung habe die Sparkasse Göttingen gut bestanden. Beim Blick in die Zukunft schaut man auf neue Geschäftsfelder wie den digitalen Safe oder auch neue Beratungskonzepte wie die Überallberatung und die Bestzeit-Filiale für die Generation 50 plus. Red.

Das Jahr 2020 war für die Sparkasse Göttingen nicht nur von der Pandemie, sondern überdies von der Fusion mit der Sparkasse Münden geprägt. Weshalb haben Sie sich gerade im Jahr der Pandemie für die Fusion entschieden?

Als Ende 2019 die ersten Gespräche über eine mögliche Fusion aufgenommen wurden, war noch nicht abzusehen, dass das Corona-Virus eine weltweite Pandemie auslösen würde, die auch uns mit massiven Auswirkungen trifft. Natürlich hat uns die Pandemie dann während der Zeit der Fusionsarbeiten das Leben noch ein wenig erschwert.

Umso höher ist das große Engagement aller Beteiligten einzuschätzen. Zwei Sparkassen in so kurzer Zeit zu vereinen, war eine komplexe Aufgabe, die mit viel Engagement und Know-how gemeistert wurde. Und das in nur sechs Monaten - rund der Hälfte der Zeit, die eine Fusion normalerweise in Anspruch nimmt.

Wurde der Zusammenschluss trotz oder gerade wegen des Lockdowns im Rekordtempo vollzogen?

Ein Großteil der Arbeiten - die immerhin über 1 300 Einzelaufgaben im Projektplan umfasste - sowie weite Teile der technischen Fusion wurden von unseren eigenen Mitarbeitern erledigt. Die Einbindung von externen Dienstleistern war deshalb nur punktuell erforderlich. Dadurch konnten wir so schnell und sogar unter dem vorab veranschlagten Budget für die Fusion bleiben. Rückblickend können wir ganz klar sagen: Die erfolgreiche Fusion war nur durch ein fast perfektes Zusammenspiel aller Projektverantwortlichen und -beteiligten sowie der Träger der Sparkassen möglich. Alle Mitarbeiter haben die Fusion von Anfang an mitgetragen und unterstützt. Das wird auch durch das Ergebnis einer Mitarbeiterumfrage deutlich, die wir nach der Fusion durchgeführt haben und bei der bemerkenswerte 94 Prozent unserer Mitarbeiter angegeben haben, dass sie gerne bei der fusionierten Sparkasse Göttingen arbeiten.

Konnten Sie im Pandemie-Jahr im Kreditgeschäft bereits von den verbesserten Geschäftsmöglichkeiten eines größeren Instituts profitieren?

Nach der Fusion gehören wir nun zu den größten Sparkassen in Niedersachsen. Als größeres und leistungsfähigeres Kreditinstitut kann unsere Sparkasse den bisher bereits erfolgreichen Wachstumskurs weiter fortsetzen. Besonders im Kreditgeschäft ergeben sich zudem in der Region Münden deutlich verbesserte Geschäftsmöglichkeiten. Nach der Fusion haben wir bereits viele sehr positive Gespräche mit Unternehmen aus der Region Hannoversch Münden geführt. Dank der Bündelung der Kräfte und wichtiger Synergieeffekte durch die Fusion haben wir zudem unsere betriebswirtschaftliche Basis gestärkt und Prozesse sowie Kosten optimiert.

Das Kreditgeschäft der Sparkasse Göttingen mit Unternehmen und Selbstständigen ist 2020 um mehr als ein Drittel auf einen neuen Rekordwert gewachsen. Ist das angesichts der schwierigen Lage vieler Unternehmen aufgrund des zweimaligen Lockdowns eine gute Nachricht - oder macht Ihnen das auch Sorge?

Ich sehe das zunächst einmal als eine gute Nachricht. Ungeachtet der Corona-Krise wächst unser Kreditgeschäft seit Jahren kontinuierlich an. Dieser erfolgreiche Wachstumskurs spricht für unsere gute realwirtschaftliche Verbindung mit den Unternehmen in Stadt und Landkreis und zeigt unsere detaillierte Kenntnis des regionalen Marktes und die Nähe zu den Firmenkunden.

Zudem hatte der Großteil der Kreditanfragen keinen unmittelbaren Bezug zu den Auswirkungen der Corona-Krise. Bei Liquiditätsengpässen der Unternehmen haben wir vielmehr mit Stundungen und Tilgungsaussetzungen eine Soforthilfe geleistet und daneben noch bei der Beantragung staatlicher Corona-Hilfen unterstützt. Aber natürlich kontrollieren wir im Rahmen unseres Kredit-Risikomanagements laufend mögliche Ausfallrisiken.

Wir stellen aber fest, dass die Mehrzahl der Unternehmen in unserer Region bisher verhältnismäßig gut durch die Krise kommt. Als Hochschul- und Forschungsstandort haben wir zudem viele Unternehmen, die gerade jetzt aktiv an Möglichkeiten zur Bekämpfung des Corona-Virus mitarbeiten und zum Beispiel modernste Medizin- und Labortechnik in die ganze Welt liefern.

Das Jahr 2020 war in gewisser Weise eine Art Härtetest für den Grad der bisher erreichten Digitalisierung. Welche Erfahrungen haben Sie hier gemacht?

Sowohl was den engen Kundenkontakt auf digitalem Weg als auch unsere interne Arbeitsorganisation angeht, haben wir den "Härtetest" bestanden. Per Online- oder Mobile Banking können die Kunden unserer Sparkasse einen Großteil ihrer Geldangelegenheiten schnell und einfach selbst erledigen - und das 24 Stunden am Tag, sieben age die Woche und weltweit. Über 50 Prozent der Privatgirokonten und rund 70 Prozent der Geschäftskonten sind bereits für das Onlinebanking freigeschaltet. Fast die Hälfte der Onlinebanking-Kunden nutzt zudem ebenfalls die Sparkassen-App, um ihre Konten auch unterwegs per Smartphone oder Tablet im Blick zu haben. Dennoch haben wir seit Beginn der Pandemie auch den Großteil unserer Filialen weiterhin geöffnet. Wir sind für unsere Kunden also auf allen Wegen erreichbar.

Intern haben wir im vergangenen Jahr die Möglichkeiten des mobilen Arbeitens deutlich ausgeweitet. Daneben haben wir bereits 2019 ein spezielles Digitalisierungsteam berufen, das digitale Zukunftsthemen in unserer Sparkasse fachübergreifend begleitet und vorantreibt.

In Ihrer neuen Hauptfiliale setzen Sie auf "Überallberatung" statt Multikanal-Banking. Was ist der Unterschied?

Im Gegensatz zum sogenannten "Multikanal-Banking" bieten wir mit der Überallberatung kein Nebeneinander verschiedener Zugangswege wie Filiale, Onlinebanking oder Telefon an, auf denen der Kunde verschiedene Ansprechpartner erreicht, sondern ein vernetztes und personalisiertes Beratungs- und Serviceangebot, das so bisher einmalig ist. Denn durch die Überallberatung erreicht ein Kunde nicht nur die Sparkasse über alle Kommunikationskanäle, er kann auch immer seinen vertrauten Berater ansprechen und alle Bankgeschäfte vom Girokonto bis zur Wertpapieranlage schnell und unkompliziert abschließen - und das auf dem Weg, der ihm am liebsten ist: ob online, per Telefon, Videochat oder persönlich in der Filiale.

Woran liegt es, dass dieses Konzept nicht längst überall realisiert ist? Nur so macht der Multikanalansatz doch einen Sinn ...

Hier müssen wir zwischen Multi- und Omnikanal unterscheiden. Um ein Omnikanal-Beratungskonzept auf ein gesamtes Institut anzuwenden, müssen sehr viele Voraussetzungen erfüllt sein. Es reicht nicht, einfach nur die Technik anzuschaffen. Man braucht Räumlichkeiten, muss alle Mitarbeiter für alle Kanäle schulen und noch viel mehr.

Wir haben unser Konzept der "Überallberatung" mit ausgewählten Kunden sowie Mitarbeitern über zwei Jahre entwickelt, intensiv getestet und verschiedenste Erfahrungen gesammelt. Auf Basis dieses Erfahrungsschatzes wurde so zum Beispiel ein bisher einzigartiges Beratungsmöbel designt und gebaut, das speziell auf die Anforderungen einer Beratung ausgerichtet ist, die Telefon- und Videoberatung sowie Screen Sharing beinhaltet.

Die Digitalisierung bringt auch die Chance mit sich, neue Dienstleistungen jenseits des klassischen Bankgeschäfts anzubieten. Mit dem elektronischen Safe und der Online-Steuererklärung bieten Sie zwei neue Dienstleistungen an. Wie kommen die bei den Kunden an?

Die ersten Rückmeldungen von Kunden sind durchaus positiv. Insbesondere beim elektronischen Safe ist der Bedarf vorhanden, persönliche Dokumente sicher und trotzdem jederzeit verfügbar zu hinterlegen, wie wir an der Nutzung erkennen können. Daher entwickeln wir die technischen Möglichkeiten dieses Angebots bereits weiter.

Welche Preisbereitschaft besteht für solche neuen Dienstleistungen bei den Kunden und welche Ertragsmöglichkeiten sind damit für die Sparkasse verbunden? Oder geht es primär um Kundenbindung?

Ich denke, die Bereitschaft der Kunden, einen fairen Preis für eine Dienstleistung zu zahlen, ist absolut vorhanden, solange sie vom Wert des Produktes oder der Dienstleistung überzeugt sind.

Die Qualität neuer Angebote muss also stimmen - das führt dann fast automatisch zu einer konstant hohen Kundenbindung.

Angesichts des Dauerniedrigzinsumfelds sind Kreditinstitute mehr und mehr darauf angewiesen, neue Geschäftsfelder zu erschließen. Wie gut sehen Sie die Sparkassen allgemein und speziell Ihr Haus für diese Entwicklung gerüstet?

Wir stellen uns den Herausforderungen des Marktes und haben uns schon sehr früh darauf ausgerichtet, immer wieder neue Wege zu gehen. So haben wir uns zum Beispiel schon vor Jahren zielgenau auf die Bedürfnisse unserer Kundengruppen ausgerichtet und haben 2013 mit unserem S-Spot - der Filiale für die jungen Kunden - und Anfang des vergangenen Jahres mit der neuen Bestzeit-Filiale für unsere Kunden ab 50 Jahren zwei innovative Filial- und Beratungskonzepte entwickelt, mit denen wir in der Finanzbranche durchaus Vorreiter waren beziehungsweise sind.

Zudem treiben wir auch weitere Geschäftsbereiche erfolgreich voran: Wir sind in unserer Region Marktführer in der Immobilienvermittlung und beteiligen uns mit verschiedenen Tochtergesellschaften auch an der Erschließung neuer Baugebiete sowie weiteren zukunftsorientierten Projekten. Zudem sind wir seit Jahren über unsere eigene Beteiligungsgesellschaft insbesondere an jungen Unternehmen unseres Wissenschaftsstandortes beteiligt. Außerdem sind wir einer der fünf Gesellschafter einer großen, international tätigen Beteiligungsgesellschaft.

Ist der regionale Antritt auf dem Weg zur Plattformökonomie eher ein Hindernis oder eine Stärke?

Als Sparkasse muss uns der Spagat gelingen zwischen Tradition und Innovation, zwischen Verlässlichkeit und Veränderung. Das heißt für uns: Die Bürger unserer Region können sich weiter auf ihre Sparkasse verlassen, wir bleiben ihnen nah.

Aber gleichzeitig entwickeln wir uns auch weiter und zeigen, dass der Ausbau der digitalen Beratungs- und Serviceangebote nicht mit der Vernachlässigung des persönlichen Kontaktes in der Filiale einhergehen muss. Im Gegenteil: Wir nutzen alle Kontaktwege, um unseren Kunden noch näher zu sein und sie in allen Lebenslagen zu unterstützen. Wenn wir die persönliche Nähe, die eine regionale Sparkasse ausmacht, auch in die digitale Welt übertragen können, ist das in meinen Augen natürlich ein großer Vorteil.

Nicht alle Kunden sind heute schon digital unterwegs - meist Ältere. Was bieten Sie diesen Kunden in ihrer "Bestzeit-Filiale"?

Die Bestzeit-Filiale ist speziell auf die Lebensthemen der Kunden insbesondere ab dem 50. Lebensjahr ausgerichtet. Das Beratungs- und Filialkonzept besteht aus mehreren Bausteinen, die nicht nur Bankdienstleistungen sondern auch andere Angebote abbilden. Das reicht von klassischen Vorsorgefragen über das Generationenmanagement bis hin zu Zukunftsthemen wie zum Beispiel der Frage: Wie werden wir in Zukunft wohnen?

Welche Ertragsmöglichkeiten sind hiermit verbunden? Die "Best Ager" gelten ja als besonders potenzialstark.

Vor allem ist es eine große Kundengruppe: In Deutschland gibt es aktuell mehr als 34 Millionen Menschen, die älter als 50 Jahre sind. Der Anteil wird in den nächsten Jahren sogar noch um mindestens 10 Prozent zunehmen. Und darunter ist natürlich auch ein relativ hoher Anteil an vermögensstärkeren Kunden. Noch dazu haben diese Menschen in ihrer Lebensphase eigene, ganz spezielle Themen. Wir haben festgestellt, dass es bisher keine passgenauen Angebote mit dem speziellen Fokus für diese Generation gibt - und das haben wir mit dem Konzept un serer Bestzeit-Filiale, an dem über 60 Kunden sowie Mitarbeiter aus dieser Altersgruppe intensiv mitgewirkt haben, geändert.

Rainer Hald, Vorsitzender des Vorstands, Sparkasse Göttingen
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