BANKMARKETING

"Die Konfrontation mit Schadenfällen in der Werbung ist nur begrenzt gewünscht" / Interview mit Monika Schulze

Monika Schulze, Foto: Zurich Gruppe Deutschland

2020 hat die Assekuranz ihre TV-Werbeausgaben ausgeweitet. Monika Schulze sieht hierin jedoch keinen langfristigen Trend. Allerdings bleibt TV für die Versicherungswerbung mit Blick auf Reichweite und Zielgruppenabdeckung ein wichtiges Medium. Dabei sei der richtige Umgang mit der Darstellung von Schadenfällen eine Herausforderung. Eine wachsende Bedeutung vor allem, aber nicht nur für die Versicherer, hat das Thema E-Sport. Hier könne man als Sponsor von einer deutlich gesteigerten Sichtbarkeit profitieren, und das vor allem in Zielgruppen, die sich über klassische Above-the-Line-Werbung kaum oder schwerer erreichen lassen. Red.

In den letzten Jahren - auch schon vor Corona - haben die Versicherer in Deutschland ihre Werbeaktivitäten deutlich intensiviert. Im Schnitt liegen die Werbeausgaben der Versicherungswirtschaft in Deutschland heute doppelt so hoch wie vor fünf Jahren. Ist das auch bei der Zurich so?

Wir verfolgen die Entwicklung der Werbeaktivitäten des Wettbewerbs engmaschig und sehen ebenfalls eine deutliche Ausweitung der Aktivitäten sowie der damit verbundenen Media Spendings. Aus unserer Sicht wird diese Entwicklung durch eine Vielzahl an Aspekten begünstigt, neben sehr individuellen Motiven des Wettbewerbs zeigen sich hierin unter anderem die zunehmende Fragmentierung der Zielgruppen sowie das sich stark verändernde Mediennutzungsverhalten der Konsumenten. Insofern sprechen wir hier von einer generellen Entwicklung der letzten Jahre, die einher geht mit einer deutlichen Ausweitung des Kanalmix. Dies lässt sich beispielsweise auch in den Werbeaktivitäten anderer Branchen nachvollziehen. Bei der Zurich haben wir in den letzten Jahren eine andere Strategie verfolgt und sind diese Entwicklung sehr bewusst nicht mitgegangen, stattdessen stand die Konsolidierung und Fokussierung unserer Aktivitäten im Vordergrund.

Was für Trends im Versicherungsmarketing beobachten Sie sonst noch? Welche Themen stehen im Fokus? Wie verändert sich der Mediamix?

In der Kommunikation sowie dem zugehörigen Mediamix konnten wir zuletzt keine wirklich neuen Trends beobachten, der wachsende Anteil der digitalen Kanäle innerhalb des Mediamix ist ja bereits eine Entwicklung, die seit einigen Jahren Einzug erhält. Dies inkludiert dann beispielsweise auch das Engagement im Bereich Gaming und E-Sports, hier zählte die Versicherungsbranche sicherlich jedoch zu den First Movern. Hier ist auch gerade die Zurich zu nennen.

Wie hat die Corona-Pandemie die Kommunikation verändert?

Die Pandemie hat unserer Einschätzung nach vergleichsweise wenig grundlegenden Einfluss auf die Kommunikation sowie den Mediamix genommen, wenngleich sich erkennen ließ, dass gerade im letzten Jahr die Spendings bei der TV-Werbung gegenüber 2019 ausgeweitet wurden. Diese Entwicklung zeichnet sich bislang 2021 allerdings nicht in gleichem Maße ab, sodass wir auf Branchenebene tendenziell wieder auf dem Niveau von 2019 liegen.

Ganz allgemein: Hat durch Corona das Bewusstsein der Menschen für Risiken und die Absicherung zugenommen? Inwieweit kann die Assekuranz davon profitieren?

Das ist in der Tat auch unsere Feststellung. Das Risikobewusstsein der Kunden hat ganz generell zugenommen, ob dies jedoch einen nachhaltigen Effekt nach sich zieht, das muss sich zunächst noch zeigen.

Covid-19 wird in der Versicherungswerbung bisher nicht thematisiert. Weshalb?

Eine pauschale Antwort ist hier nicht trivial und mit Sicherheit stark abhängig vom jeweiligen Messaging beziehungsweise der Kreation. Ganz generell wissen wir aus verschiedenen Studien, dass die Konfrontation mit Schadensfällen durch Werbung im Alltag der Kunden nur begrenzt gewünscht ist. Insofern kommt einer geeigneten Kundenansprache und dem richtigen Messaging ein hoher Stellenwert in der Versicherungswerbung zu.

Worin muss sich Versicherungswerbung zum Beispiel von Bankwerbung unterscheiden?

Die grundsätzlichen Anforderungen im Bereich Werbung sind branchenübergreifend sehr vergleichbar, wenn es darum geht, den richtigen Effekt beim Kunden auszulösen. Der zuvor skizzierte Aspekt hinsichtlich des richtigen Umgangs mit der Darstellung von Schadensfällen in der Werbung stellt aber sicherlich einen spezifischen Aspekt dar. So ziehen es viele Konsumenten vor, im Alltag nicht mit dem Worst-Case-Szenario konfrontiert zu werden, insbesondere dann, wenn es sich um eine emotional belastende Unfall-, Schadens oder Leistungssituation handelt. Hier gilt es, dies in eine adäquate Kommunikation zu überführen.

Versicherungen sind vergleichsweise stark in der TV-Werbung vertreten. Wie lässt sich das erklären?

Wenngleich der Stellenwert des Kanals in den letzten Jahren durch die flächendeckende Verbreitung von Streaming-Plattformen oder neuen digitalen Kanälen ein Stück weit infrage gestellt worden ist, bietet die TV-Werbung nach wie vor eine Reihe an Vorzügen. Insbesondere mit Blick auf die Kanalreichweite, die Möglichkeit des schnellen Reichweitenaufbaus, aber auch die Zielgruppenabdeckung ist das Medium weiterhin führend.

Auch die Pandemie hat diesen Status noch einmal verstärkt. Der starke Anteil im Mediamix unseres Wettbewerbs lässt sich neben den grundlegenden genannten Aspekten sicherlich stark über die gute Erreichbarkeit denjenigen Zielgruppen-Segmenten erklären, die aus Versicherungssicht besonders attraktiv sind. Hier bietet das Medium eine hohe Abdeckung.

Welche Rolle spielt das Sponsoring aus Sicht der Zurich?

Bei der Zurich haben wir die Sponsoring-Aktivitäten hinsichtlich des Umfangs zugunsten anderer Aktivitäten zuletzt zurückgefahren, beobachten allerdings den Markt und die sich ergebenden Möglichkeiten.

Ganz generell haben sich die Anforderungen an die Sponsoring-Aktivitäten in den letzten Jahren stark verändert, auch hier sind das veränderte Mediennutzungsverhalten und beispielsweise die parallel stattfindende Second-Screen-Nutzung ursächlich, sodass sich zum Beispiel die Aufmerksamkeitsspannen der Konsumenten reduziert haben. In gleichem Maße hat sich die Notwendigkeit verstärkt, die Sponsoring-Aktivitäten über einen Multichannel-Ansatz zu begleiten und zu vertiefen.

Wie hat sich das durch Corona verändert? Die Sichtbarkeit dürfte ja noch einmal deutlich abgenommen haben.

Eine derlei pauschale Einordnung teilen wir nicht, so gilt es hier zu differenzieren und dies auf spezifische Zielgruppen herunter zu brechen. Als konkretes Beispiel wäre hier der Bereich Gaming und E-Sports zu nennen, der in den letzten Jahren ganz generell, aber auch im Zuge der Pandemie im Speziellen durch starke Reichweitengewinne von dem veränderten Mediennutzungsverhalten der Kunden profitieren konnte. Als Sponsor konnte man von einer deutlich gesteigerten Sichtbarkeit profitieren.

Es sind vor allem Versicherer, die sich im E-Sport engagieren, so auch die Zurich. Woran liegt das?

Der Bereich Gaming und E-Sport hat sich in den letzten Jahren enorm reichweitenstark entwickelt. Das Segment der Gaming- und E-Sport-Interessierten repräsentiert eine hochinteressante jüngere Zielgruppe, die sich gleichzeitig aufgrund des Mediennutzungsverhaltens nur schwer über klassische Above-the-Line-Medienkanäle wie etwa Print-Anzeigen erreichen lässt. Insofern erscheint es attraktiv, die Marketingaktivitäten über die Ansprache eines solchen Segments abzurunden.

Wenngleich die Versicherungsbranche und insbesondere die Zurich diese Entwicklung früh mitgegangen ist, handelt es sich um einen Trend, der auch bereits stark branchenübergreifend für das Aufsetzen des richtigen Kanalmix genutzt wird. Neben Versicherern sind insbesondere eine ganze Reihe an Automotive-, Retail- oder Food und Beverages-Brands sehr aktiv.

Wie groß sind in diesem Bereich die Potenziale?

Bei dem Bereich Gaming und E-Sports handelt es sich längst nicht mehr um eine Nische, vielmehr handelt es sich um ein globales Massenphänomen mit enormen Reichweiten insbesondere in der Altersgruppe 16 bis 35 Jahre. Auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann man über das Engagement im Bereich Gaming und E-Sport attraktive Zielgruppen erreichen, die über die Präsenz frühzeitig an die Marke gebunden werden sollen.

Wie bewerten Sie Sponsoring nach Corona?

Eine Einordnung zum jetzigen Zeitpunkt erscheint noch verfrüht. Wir können uns aber durchaus Ansätze vor stellen, die den bestehenden Rahmenbedingungen entsprechen und damit weiterhin Potenzial bieten, um die Markenpositionierung zu unterstützen. Beispielsweise könnte ein flächendeckender Ansatz, über die Unterstützung vieler kleinerer Vereine, einen positiven Effekt in der öffentlichen Wahrnehmung mit sich bringen, um so den Folgen der Pandemie für die Vereine entgegenzuwirken.

Monika Schulze, Head of Customer & Innovation Management, Zurich Gruppe Deutschland, Köln
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