Déjà vu vor Gericht?

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sb - Dass die EU-Kommission am 9. November 2016 vorgeschlagen hat, das Inkrafttreten der PRIIPS-Verordnung zum EU-weit einheitlichen Produktinformationsblatt um ein Jahr auf den 1. Januar 2018 zu verschieben, war sicher eine gute Entscheidung. Schließlich waren erst im September dieses Jahres die regulatorisch-technischen Standards an der Zustimmung des EU-Parlaments gescheitert. Jetzt hofft die Branche darauf, dass es zügig Rechtssicherheit gibt, wie die Informationsblätter aufgebaut sein und welche Kennzahlen sie enthalten sollen.

Die Forderung nach Rechtssicherheit, die die Kreditwirtschaft immer häufiger erhebt, ist dabei der zentrale Punkt. Grund dafür, dass die Branche sie vermisst, ist zum einen der zähe Fortgang bei der Konkretisierung von Regulierungsvorhaben, bei denen der Zeitplan oftmals steht, bevor die Rahmenbedingungen klar sind, sodass Projekte gewissermaßen "auf Verdacht" angestoßen werden müssen. Darüber hinaus sind die Vorgaben häufig so vage, dass letztlich erst die Rechtsprechung eine Linie herausbildet, an der sich die Kreditwirtschaft orientieren kann. Mit neuen Anwendungen im Rahmen der Digitalisierung kommen ohnehin neue Rechtsunsicherheiten hinzu.

Und dann sind da noch die höchstrichterlichen Eingriffe in die Konditionengestaltung. Sie werden zumindest gefühlt immer häufiger. Im Dezember 2015 beispielsweise hatte der BGH Entgelte für die Ausstellung von Ersatzkarten für unzulässig erklärt, selbst wenn der Kunde für den Verlust der Karte verantwortlich ist. Im Herbst dieses Jahres wurden Mindestentgelte für geduldete Kontoüberziehungen gekippt, kurz darauf die Darlehensgebühren in Bausparkassen-AGBs - beides mit einer ganz ähnlichen Argumentation, wie sie der BGH schon 2014 beim Verbot von Bearbeitungsgebühren beim Abschluss von Verbraucherkreditverträgen verfolgt hatte: Mit den Gebühren werde der Aufwand für Tätigkeiten auf den Kunden abgewälzt, zu denen der Anbieter verpflichtet ist oder die er überwiegend im eigenen Interesse erbringt. Bei all diesen Urteilen drohen der Branche Rückzahlungsforderungen, zumal Verbraucherschützer regelmäßig dafür werben, solche Forderungen geltend zu machen, und Musterbriefe verbreiten.

Ein Ende der Rechtsstreitigkeiten um Bankkonditionen ist vermutlich nicht abzusehen. Die Baustelle "AGB" mag nach den zahlreichen Urteilen der vergangenen Jahre vielleicht nicht mehr allzu viele Unwägbarkeiten bieten. An anderer Stelle könnte es dafür umso turbulenter werden: beim Wettbewerbsrecht nämlich. Mancher erinnert sich vielleicht noch an die Zeiten, als das kostenlose Girokonto in Deutschland aufkam: Damals wurde immer wieder darüber gestritten, was denn eigentlich als "kostenlos" kommuniziert werden dürfe. Vor Gericht landete damals zum Beispiel die Frage, ob ein Konto als "kostenlos" vermarktet werden dürfe, wenn dies nur für Kunden mit einem Mindestgehaltseingang gilt und diese Einschränkung in der Kommunikation nicht deutlich erkennbar ist.

Nun, da das Ende der Kostenlosära unübersehbar immer näher rückt, könnte sich dieses Szenario wiederholen. Die Verbraucherschützer haben (Beispiel Postbank) bereits gezeigt, dass sie sehr genau im Auge behalten, wer welche Konditionenversprechen nicht einhält. Aber auch Wettbewerber werden einander aufmerksam im Auge behalten. Wenn beispielsweise jene Sparda-Banken, die ab Januar 2017 nur noch online geführte Konten kostenfrei anbieten, in ihrer Kommunikation weiterhin auf das Wort "kostenlos" setzen, dann ist es nicht auszuschließen, dass andere Anbieter, die gemeinhin als teuer gelten, obwohl auch sie ein Gratis-Online-Konto anbieten, daran Anstoß nehmen und entsprechende Marketingmaßnahmen, aus denen die Einschränkungen nicht in aller Deutlichkeit hervorgehen, abmahnen lassen. Bei der Kommunikation ist deshalb Obacht geboten: Sicher hilft es im Wettbewerb, sich mit dem Prädikat "kostenlos" schmücken zu können. Es ist aber möglicherweise besser, darauf zu verzichten, als öffentlich als unredlich angeprangert zu werden. Und das bleibt kaum aus, wenn ein Anbieter - sei es nun Bank oder Fintech - die vermeintliche Gebührenfreiheit mit zu vielen Einschränkungen garniert.

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