Doppelte Vertrauenskrise

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sb - Als Norbert Blüm sich 1986 ablichten ließ, wie er an Litfaßsäulen Plakate mit dem Motto "Denn eins ist sicher: die Rente" anklebte, da trat er noch nicht als Kabarettist auf. Die seitdem immer wieder zitierte Botschaft des damaligen Bundesarbeitsministers war durchaus ernst gemeint, so sehr sie heutigen Beitragszahlern der gesetzlichen Rentenversicherung als Witz erscheinen mag, die sich bei absehbar immer weiter steigenden Beiträgen mit einem immer weiter sinkenden Rentenniveau konfrontiert sehen.

Das berühmte Blüm-Zitat ist somit eine Wurzel des Vertrauensverlustes der Politik.

Sicherheit, das mussten die in bis dahin nie gekanntem Wohlstand aufgewachsenen Nachkriegsgenerationen in Deutschland inzwischen schmerzlich erfahren, gibt es weder bei der gesetzlichen Alterssicherung noch bei der privaten Altersvorsorge. Der Generationenvertrag - bei Gründung der Bundesrepublik noch als naturgegeben vorausgesetzt - funktioniert nicht mehr und damit auch nicht das darauf gründende Umlagesystem der sozialen Sicherungssysteme. Die Chance, beizeiten wenigstens zum Teil auf ein kapitalgedecktes System umzustellen, wurde vertan. Alle Nachbesserungsversuche der Politik können das bestenfalls auf Zeit verdecken, zumal Überschüsse alsbald wieder für Extra-Ausgaben wie die Mütterrente oder die Rente mit 63 ausgegeben werden, anstatt Rücklagen zu bilden. Die Notwendigkeit, selbst fürs Alter vorzusorgen, haben deshalb weite Teile der Bevölkerung mittlerweile verinnerlicht. Doch auch hier hat die Politik den Sparern einen Strich durch die Rechnung gemacht: Banksparpläne sind durch die Niedrigzinspolitik für die Altersvorsorge obsolet geworden. Auch die Lebensversicherung als wesentliches Vorsorgeinstrument in Deutschland ist längst unter Druck geraten, da die Verträge immer weniger abwerfen und es den Gesellschaften zunehmend schwerer fällt, gegebene Garantien zu erwirtschaften. Was das Thema Vorsorge so schwierig macht, ist also die Tatsache, dass an dieser Stelle der Vertrauensverlust der Politik mit dem der Finanzdienstleistungsbranche zusammenkommt. Selbst derjenige Verbraucher, der der Anbieterseite vertraut, muss sich also stets die Frage stellen, ob dies auch für die von der Politik geschaffenen Rahmenbedingungen und deren Verlässlichkeit gilt. Und diese Frage wird immer häufiger mit "Nein" beantwortet.

Zu allem Überfluss sehen sich Sparer, deren Vorsorgestrategien unter dem Einfluss der Politik zusammengebrochen sind, zudem noch als "Finanzanalphabeten" dargestellt, die obstinat aufs falsche Pferd setzen, anstatt sich endlich dem Wertpapiersparen zuzuwenden - und das, nachdem Politik und Verbraucherschutz alles dafür getan haben, das Vertrauen in die Wertpapierberatung bestmöglich zu erschüttern und die Beratung durch immer mehr Auflagen zu erschweren. Wen wundert es da noch, dass die Vorsorgebereitschaft der Generation Y, der 20- bis 29-Jährigen, immer weiter einbricht? Nur noch jeder Dritte aus dieser Altersgruppe sorgt einer aktuellen Yougov-Studie zufolge fürs Alter vor - nach immerhin noch 46 Prozent acht Jahre zuvor.

So ist das Vorsorgegeschäft, das angesichts der demografischen Entwicklung eigentlich beinahe ein Selbstläufer sein sollte, eine mühsame Angelegenheit geworden - für die Anbieterseite ebenso wie für den Vertrieb und die Verbraucher selbst. Ohne Unterstützung seitens der Politik beispielsweise in Form einer Anhebung der Freibeträge bei der Kapitalanlagesteuer können Banken, Versicherer oder auch die Fondsbranche das sich immer deutlicher abzeichnende Problem der Altersarmut künftiger Ruheständler somit kaum noch in den Griff bekommen. Doch die Lobbyarbeit der Kreditwirtschaft und der Assekuranz in diesem Sinne bewegt sich auf einem schmalen Grat: Einerseits sind die Mahnungen, die Sparkultur im Land nicht vollständig erodieren zu lassen, richtig und notwendig. Andererseits tragen aber eben diese Mahnungen zusätzlich dazu bei, beim Verbraucher den Eindruck noch mehr zu verfestigen, dass sich das Sparen nicht mehr lohnt.

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