Es lebe die Beratung

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag GmbH

Am 18. November dieses Jahres jährte sich der Börsengang der Telekom zum 20. Mal. Die Berichterstattung darüber hat bei vielen Bundesbürgern ungute Erinnerung an die T-Aktie geweckt, die als "Volksaktie" beworben worden war und dann so viele Anleger so bitter enttäuschte. Ursprünglich als Instrument gedacht, die Deutschen von Sparern zu Anlegern zu machen, hat dieser Börsengang genau das Gegenteil erreicht, indem er Börsenneulingen drastisch die mit Wertpapieren verbundenen Risiken vor Augen führte. Auch wenn das Debakel mittlerweile 20 Jahre zurückliegt, hat es sich doch tief ins kollektive deutsche Bewusstsein eingebrannt. Von einem solchen Tiefschlag erholt sich eine ohnehin schwach ausgeprägte Wertpapierkultur wie die deutsche nur quälend langsam, zumal Jahrestage die Erinnerung immer wieder auffrischen.

Umso wichtiger ist ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für alle: Hier wird erklärt, welche Risiken mit der Wertpapieranlage verbunden sind, wie sie sich begrenzen lassen und wie wichtig beim Wertpapiersparen der lange Atem ist. In Zeiten stark anziehender Inflation in Kombination mit Verwahrentgelten muss die Beratung zudem noch eine ganz andere Rechnung aufmachen und den möglichen Verlusten der Wertpapieranlage die sicheren kalkulierbaren realen Verluste beim Parken der Sparguthaben auf Girokonto, Spar- oder Tagesgeldkonto gegenüberstellen. Denn dass das "sichere" Sparen inzwischen zu einem sicheren Verlustgeschäft geworden ist, müssen viele Menschen erst noch lernen. Und selbst, wenn ihnen das bewusst ist, ist das Wertpapiersparen allein schon aufgrund der Vielfalt der Angebote (und damit verbunden auch der vielfältigen Möglichkeiten, Fehler zu machen) vielen zumindest so suspekt, dass sie sich ohne Beratung nicht darauf einlassen würden.

Ein Verbot der provisionsbasierten Beratung, wie es die Ampel-Sondierer noch in ihr Positionspapier aufgenommen hatten, würde der Wertpapierkultur in Deutschland deshalb einen Bärendienst erweisen. Niedrigschwellig heißt nämlich - gerade bei der preissensiblen deutschen Kundschaft - vor allem eins: Die Beratung darf nicht mit einem Preisschild versehen sein. Ein Beratungshonorar auf Stundenbasis, das fällig wird, egal wofür der Kunde sich letztlich entscheidet und ob es überhaupt zu einem Abschluss kommt, wirkt auf den Durchschnittskunden abschreckend - und das teilweise sogar zu Recht. Denn sofern die Honorare auch nur einigermaßen kostendeckend sein sollen, besteht zumindest bei Kleinsparern die Gefahr, dass die Honorarsätze in keinem angemessenen Verhältnis zum Anlagevolumen beziehungsweise der erwartbaren Rendite stehen. Es ist deshalb gut, dass das Provisionsverbot es nicht in den Koalitionsvertrag geschafft hat. Es wird aber gewiss ein Dauerthema bleiben. Das zeigt nicht zuletzt die Reaktion des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der genau hier einen Schwachpunkt des Papiers ausmacht.

Mehr Kapitalmarkt soll es zu Recht auch bei der Alterssicherung geben. Wie sehr die Deutschen immer noch mit diesem Thema fremdeln, zeigt jedoch auch hier die Reaktion des vzbv. "Die angedeutete Garantieabsenkung wird nur Versicherungsunternehmen nützen, nicht Verbrauchern", heißt es zu den Plänen, die bAV zu stärken. Und in der privaten Altersvorsorge bleibt alles ungewiss. Hier konnten sich die Verhandlungsführer der Ampel-Koalition lediglich auf Prüfaufträge einigen. Für Riester soll es Bestandsschutz geben, daneben will man die "gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester" prüfen. Ob (und vor allem wann) es also die Riester-Reform geben wird, bleibt weiterhin fraglich. Auch die Prüfung eines "öffentlich verantworteten Fonds mit einem effektiven und kostengünstigen Angebot mit Abwahlmöglichkeit" ist im Grunde nichts Neues - und vermutlich der Punkt, an dem die Lobbyisten der Branche jetzt ansetzen. Berater werden einstweilen weiterhin im Nebel stochern müssen. Die Unsicherheit ihrer Kunden, ob Vorsorgeentscheidungen, die sie jetzt treffen, im Licht künftiger Weichenstellungen in Berlin immer noch klug erscheinen werden, können sie nicht auflösen. Sie können ihnen aber die Sicherheit geben, dass jede Vorsorgemaßnahme besser ist als keine. Riester-Verträge werden die meisten Berater bald ohnehin nicht mehr im Angebot haben. Die Entscheidung über eine Reform wird der Markt der Politik abnehmen - wenn auch nicht unbedingt zur Freude der Sparer. Doch gerade dann zeigt sich der Wert der Beratung.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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