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Kommunikationsfehler in der "Spanien-Affäre"

sb - "Die Karte ist nach wie vor das sicherste Zahlungsmittel". Diese Botschaft haben Vertreter von Kartengesellschaften und Banken im Zusammenhang mit der vermutlichen Datenpanne in Spanien, die zum Austausch großer Mengen von Kreditkarten führte, immer wieder wiederholt. In der Sache ist dies gewiss korrekt. Ob die Verbraucher es glauben, steht auf einem ganz anderen Blatt. Der Austausch von etwa 200 000 bis 300 000 Karten in Deutschland scheint jedenfalls, obwohl er der Vermeidung von Betrugsschäden dient, bei vielen Verbrauchern einen schlechten Eindruck zu hinterlassen.

Dies liegt nach Einschützung von Hans-Werner Niklasch, dem Geschäftsführer von Euro Kartensysteme, vor allem an der unglücklichen Informationspolitik zum Thema. Kartengesellschaften und Emittenten, so meint er, haben die Dimensionen des Themas anfangs schlicht unterschätzt. Wäre man frühzeitig aktiv an die Öffentlichkeit gegangen, hätte es sich deutlich positiver vermitteln lassen: Ausgefeilte Frühwarnsysteme, so hätte man verbreiten können, haben ein mögliches Datenleck angezeigt. Um Betrugsfällen zuvorzukommen, werden deshalb potenziell gefährdete Karten präventiv ausgetauscht. Karteninhaber können deshalb ohne Sorge sein.

Stattdessen wurden neue Karten teilweise kommentarlos zugeschickt, Kundennachfragen nach dem Grund des Austauschs häufig unzureichend beantwortet. Auch Kartengesellschaften und ZKA antworteten nur reaktiv auf Medienanfragen - und auch dann dem Vernehmen nach in einer Art, dass sich der Verdacht aufdrängte, hier solle etwas verheimlicht werden. Das Medienecho war entsprechend negativ.

Auswirkungen auf das Neugeschäft?

Wie sehr sich dies auf das Kartengeschäft 2010 niederschlagen wird, ist in der Branche umstritten. Manche Marktteilnehmer rechnen mit dem Kurzzeitgedächtnis der Menschen und somit mit vergleichsweise geringen Auswirkungen. Bei bereits aktiven Kartennutzern mag dies vermutlich auch stimmen. Um Kartenmuffel in ihrer Skepsis zu bestärken, braucht es freilich keine Detailerinnerung an die Vorkommnisse. Die Berichterstattung trägt schlicht dazu bei, den Gesamteindruck von Unsicherheit zu verstärken. Allein die Assoziation "da gab es doch erst vor gar nicht langer Zeit wieder einen Vorfall" reicht dann aus, um Neukundenaktionen der Emittenten ins Leere laufen zu lassen. Zumindest im Neugeschäft der nächsten Monate könnte sich "Spanien" also recht deutlich niederschlagen.

Der wirtschaftliche Schaden durch die Fehler in der Kommunikation könnte somit weitaus höher ausfallen als die Schäden durch Betrugsfälle, die sich laut Euro Kar tensysteme "im unteren Hunderttausender-Bereich" bewegen, sowie die Kosten für den Kartenaustausch, die mit rund fünf Euro pro Karte zu Buche schlagen. Selbst wenn es gelingen sollte, einen Verantwortlichen ausfindig zu machen, der für Fraud und Austauschkosten haftbar gemacht werden kann, dürfte für die Emittenten dennoch ein Schaden verbleiben. Danach, dass tatsächlich jemand in Regress genommen werden kann, sieht es aber der zeit nicht aus. Der spanische Prozessor, von dem die Kartengesellschaften sprechen, ist lediglich der "gemeinsame Nenner" einer Reihe von Betrugsfällen, auf die die Sicherheitssysteme angeschlagen haben, so Ottmar Bloching. Ein tatsächlicher Datenabgriff konnte bislang nicht festgestellt werden. Und selbst wenn sich zweifelsfrei herausstellen sollte, dass sich ein Hacker Zugang verschafft hat, träte der Haftungsfall nur dann ein, wenn der Dienstleister gegen bestehende Regeln verstoßen und Vorschriften nicht erfüllt hat. Das aber ist in höchstem Maße unwahrscheinlich.

Kulanzangebot der Kartengesellschaften?

Und die Kartengesellschaften? Sie weisen selbstredend jede Verpflichtung, die Banken zu entschädigen, weit von sich. Um die deutschen Banken, die sich mit entsprechenden Forderungen an die Kartengesellschaften gewandt haben, nicht zu verprellen, wären freilich Maßnahmen denkbar, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Affäre stehen. So könnte man etwa für ein Jahr lang die Marketingkosten allein übernehmen oder temporäre Sonderkonditionen gewähren - rein aus Kulanz, versteht sich. Richtig war der massenhafte Kartenaustausch deutscher Karten übrigens in jedem Fall - so schlecht er auch kommuniziert wurde. Auf die Betrüger hat er offenbar abschreckend gewirkt - und der Fraud verlagert sich auf Karten aus anderen Ländern, die sich bislang mit Austauschaktionen zurückgehalten hatten, weil zunächst nur deutsche Karten betroffen waren. Ein klassischer Fall von Fraud-Migration also. Dass im Zuge des Austauschs der eine oder andere Emittent die Chipmigration ein wenig vorgezogen hat, ist insofern sicher auch kein Nachteil.

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