Produktpolitik

Prepaid-Karten: unklare EU-Regularien als Hemmschuh

Sehr oft wurde in den letzten Jahren von Außenstehenden der Mangel an Innovation im Kartengeschäft angeprangert. Möglicherweise sind nun aber die Zeiten vorbei, in denen die begrenzten finanziellen Mittel ausschließlich in die EMV-Umstellung flossen. Denn wenn man sich heute auf Konferenzen der Branche umsieht und den Visionen von Experten folgt, dann sieht sich das Kartengeschäft derzeit einer Welle neuer Konzepte und Technologien ausgesetzt, die die Produktlandschaft und damit auch das Zahlungsverhalten nachhaltig verändern werden. Ganz weit oben auf der Liste stehen Prepaid-Karten, die erfolgreich die Transformation eines Produktes aus der Telekommunikationsbranche in das Bankengeschäft vollführt haben.

Was macht diese Prepaid-Karten so interessant und wie kann man den bereits erzielten Erfolg erklären? Um diese Frage zu beantworten ist es sinnvoll, sich das Produkt an sich einmal genauer anzuschauen. Dies ist allerdings nicht so einfach, da es das typische Prepaid-Kartenprodukt eigentlich nicht gibt. Prepaid-Karten gibt es in den unterschiedlichsten Formen wobei eine grobe Kategorisierung auf Basis der folgenden Charakteristika erfolgen kann:

Funktionalität (Open-Loop versus Closed-Loop; aufladbar versus nicht aufladbar),

Kundensegment,

Industriesegment.

Betrachten wir zunächst einmal die Funktionalität. Eine Prepaid-Karte mit Closed-Loop Funktionalität ist nur bei einer Organisation als Zahlungsmittel einsetzbar (in den meisten Fällen bei der herausgebenden Organisation, zum Beispiel ein Einzelhandelsgeschäft, wie die I-Tunes Pre-paid-Karte, die zum Download von Musik aus dem I-Tunes Music-Store genutzt werden kann).

Trend geht zum aufladbaren Open-Loop-Produkt

Im Gegensatz dazu ist eine Open-Loop-Karte bei allen Organisationen einsetzbar, die sich im Rahmen eines speziellen Akzeptanznetzwerks verbunden haben. In den meisten Fällen ist eine Open-Loop Karte durch ein Cobranding mit Visa oder Mastercard sowohl am Point of Sale als auch am Geldautomaten einsetzbar.

Vorteile gibt es für beide Varianten.

Während Closed-Loop-Programme von operativer Kostenseite deutlich billiger zu handhaben sind, stellt die begrenzte Einsetzbarkeit eine natürlich Limitierung dar.

Im Gegensatz dazu garantieren Open-Loop-Programme typischerweise höhere Transaktionsvolumina, öffnen aber auch die Interchange-Diskussion.

Eine weitere Unterscheidung bei der Funktionalität der Karte liegt in der Fähigkeit die Karte nach der Nutzung wieder aufzuladen. Wenn man sich die bisherige Entwicklung von Prepaid-Karten anschaut, kann man unschwer erkennen, dass der Trend zunehmend Richtung Open-Loop-Produkte geht, die wiederaufladbar sind.

Umworbenes sind vor allem: Kunden mit schlechterer Bonität

Eine zweite Unterscheidungsstufe bei Pre-paid-Produkten zielt auf das Kundensegment ab, für den das Produkt konzipiert wurde. Das am häufigsten genannte Kundensegment ist dabei das Segment der sogenannten unbanked oder underserved. Das sind Kunden, die in Folge einer Bonitätsprüfung normalerweise keine Zahlungskarte bekommen würden. Nach Schätzungen von Edgar, Dunn & Company gibt es in Europa mehr als 200 Millionen potenzielle Kunden in diesem Bereich.

Ein Produktbeispiel für dieses Segment ist die Reloadcard der Landesbank Berlin, die ausdrücklich auf die "Karte ohne Schufa" hinweist. Andere Kundensegmente, die sich für den Einsatz von Prepaid-Produkten eignen, sind der Jugendbereich (siehe Splash Plastic herausgegeben von Pre Pay Technologies in Großbritannien) oder Online-Shopper (siehe Paysafecard).

Das dritte Kriterium ist das Industriesegment, in dem die Prepaid-Karte eingesetzt werden kann. Es gibt hierfür interessante Daten einer von Mastercard in Auftrag gegebenen Studie, die untersuchte, aus welchen Bereichen die größte Nachfrage nach Prepaid-Karten stammt. Die Daten belegen, welch weitreichendes Spektrum Prepaid abdecken kann.

Die Abbildung 2 zeigt den für 2010 geschätzten Prepaid-Umsatz per Industriesegment in Europa auf. Größte Nachfrage bei Geschenkkarten Der Gift-Card-Bereich zeigt weiterhin die größte Nachfrage nach Prepaid-Karten, hauptsächlich um die traditionellen Geschenkgutscheine aus Papier zu ersetzen. Von besonderem Interesse ist aber auch der Bereich Travel. Das zeigt das Beispiel der Travelmoney-Card in der Schweiz, die inzwischen die Reiseschecks fast komplett ersetzt hat. Auch Benefits haben einen großen Anteil: hier werden im öffentlichen Sektor Prepaid-Karten genutzt, um Sozialleistungen (Arbeitslosengeld, Kindergeld und so weiter) auszuzahlen. Dies ist heute bereits in mehr als 30 US-Bundesstaaten der Fall.

Es gibt unzählige Kombinationen aus Funktionalität, Kunden- und Industriesegment, eine unglaublich große Anzahl an Einsatzgebieten und daher auch mögliche Produktdifferenzierungen von Prepaid-Karten. Das Nachfragepotenzial ist also da. Doch warum haben insbesondere die Großbanken das bestehende Interesse bisher nicht in handfeste Implementierungen umgesetzt?

Zwei Gründe stehen hierbei ganz oben auf der Liste: ein unsicherer Business-Case und Zweifel bei der Auslegung von europäischen Regularien.

Business-Case Prepaid-Karte: schwache Ertragsseite

Was den Business-Case angeht, so haben sich zwar viele Banken mit dem Pre-paid-Produkt auseinandergesetzt, dabei haben sie sich aber hauptsächlich auf die Zahlungsfunktion an sich konzentriert und dabei ganz schnell Probleme auf der Ertragsseite identifiziert. Wenn man sich die wichtigsten Ertragsquellen anschaut, so zeigt sich folgendes Bild.

Es zeigt sich ganz deutlich, dass die Ertragsseite durch die Transaktionsvolumina am Point of Sale und am ATM gesteuert wird; die Erträge aus Interchange oder Breakage sind nicht groß genug. In anderen Worten heißt dies, dass nur ein regelmäßiges Transaktionsvolumen das Pre-paid-Produkt profitabel machen kann. Die Prepaid-Zahlungsfunktion allein reicht dazu meist nicht aus. Es wird wichtig sein, einen wirklichen Zusatznutzen für den Kunden zu definieren und dies ist in vielen Fällen noch der Schwachpunkt. Eine gute Segmentierung des Kundenportfolios kann hier jedoch weiterhelfen.

Wie bereits oben erwähnt, gibt es das typische Prepaid-Produkt nicht. Es gibt viele unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten von Prepaid und eine Prepaid-Produktdefinition lässt sich nur aus den Einsatzmöglichkeiten in verschiedenen Segmenten ableiten. Die folgende Liste zeigt nur drei Segmente auf, die einer Prepaid-Karte aufgeschlossen sein könnten:

Jugendliche, die gerne reisen, aber noch nicht im Besitz eine Debit- oder Kreditkarte sind,

Gastarbeiter, die regelmäßig Geld in ihr Heimatland transferieren wollen,

Kleine und mittelständische Unternehmen, die ihren Teilzeitkräften ein effizientes Medium für die Gehaltszahlung anbieten wollen.

Diese Liste kann fast unendlich erweitert werden. In allen Segmenten geht es aber darum, spezielle Kundenwünsche durch ein klar definiertes Prepaid-Angebot anzusprechen. Dies sollte zumindest auf kurzfristige Sicht die benötigten Transaktionsvolumen garantieren und damit die entsprechenden Erträge gewährleisten. Auf lange Sicht sollte es dann jedoch auch das Ziel sein, nicht transaktionsbezogene Erträge in verstärktem Maße zu erwirtschaften.

Uneinheitlichkeit der Regulierung verschreckt die Emittenten

Das zweite Problem liegt in den oft unklaren und inkonsistenten Regularien bezüglich Prepaid im europäischen Raum. Dies fängt bereits damit an, dass es unterschiedliche Auslegungen gibt, wie das Thema Guthaben-Karten grundsätzlich reguliert wird beziehungsweise ob Prepaid-Karten der europäischen E-Money-Direktive unterliegen. Hier gibt es von Land zu Land unterschiedliche rechtliche Auffassungen. Und die Probleme hören bei der Lizenzierung nicht auf.

Bei so kritischen Aspekten wie Anti-Money-Laundering (Geldwäschegesetz) oder KYC (Know your Customer) gibt es auch wieder von Land zu Land unterschiedliche Regularien und Interpretationen. Dies ist alles andere als optimal und so lange es hier keine einheitliche Anpassung durch nationale Regulierungsbehörden oder die Europäische Kommission gibt, wird es immer wieder Organisationen geben, die vor einem Einstieg in das Geschäft mit Guthabenkarten zurückschrecken.

Festzuhalten bleibt allerdings, dass Prepaid sich immer weiter in die Zahlungslandschaft integriert und dabei auch immer weiter ausdehnt. Auch in Deutschland gibt es bereits eine immer größere Anzahl an Produkten - ob dies nun die Reloadcard von der LB Berlin ist oder die Vericard und Majorcard in Verbindung mit der Schwäbischen Bank. Die Prepaid-Landschaft in Deutschland blüht und gedeiht; mehr Wachstum ist jedoch definitiv möglich - für Banken als auch Nicht-Banken. -

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