EUROPÄISCHES PAYMENT SCHEME

Gefahr im Verzug

Das Jahr 2021 wird für das Projekt der European Payments Initiative ganz wesentlich sein. Das sagte Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz anlässlich der Vorstellung der Bundesbank-Studie zum Bezahlverhalten der Deutschen im Jahr 2020. Sollte die Interimsgeselllschaft ihr Ziel, die Marktreife, nicht umsetzen können, werde sie nicht life gehen können. Und wörtlich: "Für mich ist klar, dass das dieses Jahr geschehen muss."

Der Zeitplan, den Martina Weimert, die Vorstandsvorsitzende der EPI Interimsgesellschaft, in einem Podcast von Finanzszene.de vorgestellt hat, wirkt demgegenüber wenig ambitioniert. Hier wird ein erster Marktauftritt für das kommende Jahr angekündigt. Von den vier Bezahlszenarien P2P, Bargeldbezug, stationärer PoS und Internet werde 2022 der Start wohl mit einer App für P2P-Payments erfolgen. Angesichts der Tatsache, dass die EU-Kommission stark auf mehr Echtzeitzahlungen drängt und dass die Position der Banken offenbar gerade im P2P-Bereich schwach ist, lässt sich ein solcher Ansatz nachvollziehen. Er wird auch sicher leichter zu realisieren sein als ein europaweites Kartenprodukt mit der passenden Infrastruktur.

Wer Burkhard Balz zugehört hat, kann sich angesichts des von Martina Weimert genannten Zeitplans dennoch nicht des Eindrucks erwehren, als seien die Erwartungen an die European Payments Initiative aktuell deutlich höher als das, was die Beteiligten realistischerweise anpeilen können oder wollen. Sicher ist die Deutsche Bundesbank nur eine von mehreren Institutionen, die das Geschehen in Sachen europäisches Payment Scheme genau beobachten. Doch auch seitens der EU-Kommission scheinen die Erwartungen eher höher gesteckt zu sein. Auch wenn die Politik mehr Druck machen wollte - welche Möglichkeiten hätte sie dazu? Die European Payments Initiative ist vermutlich derzeit dasjenige Projekt, das die größten Chancen verspricht, Europa im Zahlungsverkehr endlich zu mehr Souveränität und Gewicht im internationalen Payment zu verhelfen. Neue Regulierung oder ein aus Ungeduld aufgesetztes Projekt europäischer Behörden als Konkurrenzmodell könnten den so dringend benötigten Erfolg wohl kaum beschleunigen.

Natürlich ist jedes Jahr, das ins Land geht, bis Europa sich mit einem Gegenmodell zu den internationalen Schemes, vor allem aber zu den Bigtechs positioniert, ein Jahr zu viel. Und wenn nach dem Marktstart 2022 noch "mindestens drei Jahre" vergehen werden, bis die nationalen Bezahlsysteme sukzessive durch das EPI-Modell abgelöst werden, wie es Martina Weimert prognostiziert, dann scheint dieser Zeitraum gemessen am immer weiteren Vordringen des Wettbewerbs tatsächlich unvorstellbar lang. Angesichts der Tatsache, dass auch Weimert EPI als die vielleicht letzte Chance für Europa bezeichnet, besteht tatsächlich Gefahr im Verzug. Das ist allen Beteiligten mehr als bewusst.

Jetzt gibt es nur eines: Die gesetzten Ziele so zügig wie möglich weiterzuverfolgen und weitere Verzögerungen zu vermeiden. Deshalb ist es richtig, dass neben den acht derzeit beteiligten Ländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien, Belgien, Niederlande, Finnland und - als erstes Nicht-Euro-Land - Polen) erst einmal keine weiteren neuen Länder mehr dazu kommen sollen. Viele Köche verderben bekanntlich den Brei.

Wichtig ist aber auch die konstruktive Mitarbeit der zuständigen Behörden, von der EU-Kommission bis hin zu den europäischen Kartellbehörden. Denn eines muss klar sein: Ein einheitliches europäisches Payment Scheme geht natürlich ein Stück weit zulasten des Wettbewerbs - die Ersetzung des Wildwuchses an Schemes durch ein neues starkes System ist ja genau das erklärte Ziel. Wenn die Wettbewerbshüter hier nicht mitziehen, wird der Wettbewerb aber in einigen Jahren sehr viel stärker bereinigt - zulasten europäischer Anbieter. Red.

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