Karten und Technik

IT-Modernisierung im Payment-Business mit Augenmaß

Peter Hessler, Principal Consultant, SYNGENIO AG, Frankfurt am Main

Nur auf Basis moderner und flexibler Informations- und Kommunikationstechnologien lassen sich die nächsten Produktfelder im Payment Business im Zuge der Digitalisierung wirtschaftlich einführen und betreiben, so Peter Hesler. Doch eben daran hapert es bei vielen Unternehmen. Bei der Modernisierung der Systeme warnt er jedoch vor dem ganz großen Wurf, sondern plädiert für einen Mittelweg, der sich an dem in der eigenen Organisation technisch Machbaren orientiert. Red.

Die Unternehmen der Payment-Branche waren schon immer technologieorientiert und müssen es auch weiterhin sein. In der letzten Zeit lag der Fokus auf Produktfeldern wie Mobile Payment, Multi Channel Payment oder dem digitalen Kundenzugang. Nun ist es an der Zeit, verstärkt die Technologiefelder zu betrachten, damit die Karten- und Payment-Branche auch weiterhin technologisch eine führende Position halten kann und für Kunden wie Mitarbeiter gleichermaßen attraktiv bleibt.

Druck auf die Payment-Branche

Mehrere Entwicklungen üben - einzeln oder im gegenseitigen Zusammenspiel - Druck auf die Payment-Branche aus:

- Das Internet der Dienste und Internet der Dinge, moderne In-Memory-Technologien bei Datenbanken, agile Methoden oder auch die 4.0-Initiativen von Handel und Industrie führen zu einem Handlungsdruck. Die Unternehmen der Payment-Branche müssen diesen Druck vor allem technisch bewerten und mit halten.

- Immer kompliziertere Änderungen von seiten der Kartenorganisationen, derzeit zum Beispiel im Bereich Interchange und bei den Gebührenstrukturen, wirken in einer im Vergleich zu früher sehr hohen Frequenz auf die Branche ein.

- Weiterhin werden neue Schnittstellentechniken verlangt. Visa wird zum Beispiel das neue Claim Resolution auf API Basis anbieten. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die moderne API-basierte Technik auf weitere Prozesse ausgedehnt wird. APIs werden von den Kartenorganisationen als die neue Integrationsstufe von Zahlungslösungen angeboten.

- Die Anwender wollen alles schnell und bequem haben, Bezahlen per Knopfdruck soll das Kauferlebnis noch verstärken. Informationen über Umsätze und Kontostände in Echtzeit auf mobilen oder Tablet Devices überall verfügbar zu haben, ist eine selbstverständliche Anforderung. Die Informations- und Kommunikationstechnik der Zahlungsdienstleister muss das alles ermöglichen helfen und die digital getriebenen Benutzererwartungen erfüllen. Eine Alternative gibt es nicht.

- Technische Beschränkungen wegen Performance, Betriebssystem oder Hardwarebeschränkungen, das war einmal. Heutzutage spricht man über das Wann und nicht über das Ob - alles, was Zeit erfordert, dauert schon zu lange.

- Der Kosten- und Regulierungsdruck und die hohen Erwartungen der Eigentümer sind verstärkende Faktoren, welche die Unternehmen auf Trab halten, zum Beispiel Total Cost of Ownership für Hard- und Software als mögliche Kennzahl für IT-Kosten pro Karte.

Disruptive Welt für klassische IT-Systeme

Die Digitalisierung beeinflusst das Verhalten der Kunden in Sachen Bezahlung maßgeblich. Kaufen ist heutzutage ein digitales Erlebnis, Bezahlen sollte es auch sein.

Die reale und die virtuelle Kauf- und Bezahlwelt wachsen durch die Digitalisierung immer mehr zusammen. Daten gewinnen in der Zahlungsbranche immens an Bedeutung. Die Informations- und Kommunikationstechnologie - bislang ein eher als sekundär eingestufter Bestandteil - wird bald schon genauso wichtig wie das primäre Kerngeschäft werden.

Die Ansprüche an die IT-Systeme der Karten- und Zahlungsunternehmen sind enorm hoch. Doch wie soll man den Ansprüchen genügen, wenn man auf altgediente Klassiker des Kartenmanagements oder Merchant-Systeme setzt, die das Herz des Business abbilden und dessen Kernfunktionen schon gefühlt Jahrzehnte lang verlässlich arbeiten und nun zunehmend unter Modernisierungsdruck geraten?

IT-Strategie weiter entwickeln

Für die Zahlungsdienstleister ergeben sich folgende Handlungsfelder für die IT-Modernisierung.

Strategisch in der IT den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, also das zu machen, was die niedrigsten Kosten oder Risiken mit sich bringt, ist keine Lösung. Es sei denn, das Vorgehen ist rein taktisch motiviert. Den großen Wurf zu planen, mit enormen Investitionen zu hantieren und hohe Risiken aufzubauen, ist ebenfalls nicht sinnvoll. Zu groß ist die Gefahr des Scheiterns. Der Mittelweg ist sinnvoll.

Erfolg versprechende Vorgehensweisen basieren auf einer formulierten Strategie, mit einem Entwicklungsplan und mit Arbeitspaketen und Investitionen, deren Größe vom Projekt- und Linienmanagement kontrollierbar sind.

Nur wer sich digital weiter entwickelt, kann erfolgreich neue Kundengruppen ansprechen, Kooperationen eingehen, über Apps oder Tablets das Payment Business erweitern, die neuen APIs in Echtzeit bedienen oder mit den neuen nationalen und internationalen Initiativen, wie zum Beispiel Industrie 4.0, Schritt halten.

Unterstützungsgrad der IT evaluieren

Oftmals sind bestimmte Systemnamen eng mit dem Kern des Geschäfts und dem Unternehmen verbunden. Sie stehen für eine stabile, sichere und fehlerfreie Verarbeitung des Kerngeschäfts, auch weil sie enorme Erfahrung in sich tragen. Es stellt sich die Frage, ob man mit diesen Systemen den Anforderungen der fortschreitenden Digitalisierung gerecht wird.

Fintechs kümmern diese Themen nicht, da sie keine klassischen Systeme nutzen, sondern sich ihre Welt aus Kombinationen von maßgeschneiderten oder auch fertigen Services aus der Cloud oder mittels APIs zusammengestellt haben.

Eine gezielte Beantwortung der Frage, in welchem Grad die IT das Business abdeckt, ist unabdingbar:

- Inwieweit unterstützt meine IT die Funktionen und die digitalen Eigenschaften, die meine Produkte brauchen?

- Zu welchem Grad deckt meine IT die modernen Life-Anforderungen der Kunden ab?

- Wie erfülle ich die steigenden Anforderungen aus dem Regulierungsumfeld und der Compliance in Zukunft?

- Sind die IT Services modular aufgebaut und bin ich somit in der Lage, bestimmte Dienstleistungen, zum Beispiel Dispute Management, herauszulösen und durch bessere IT Services zu ersetzen?

Modulare IT-Systeme

Anwendungen, die mit Tools aus den Office-Produktfamilien erstellt wurden, müssen auf den Prüfstand, weil sie meist erhebliche Sicherheitslücken aufweisen. Auch Legacy-Kernsysteme, die fest zementiert das tägliche Business verrichten, sollten überprüft werden.

Die Mainframe-Rechnerarchitektur ist in sich nicht veraltet und unterstützt auch neue Betriebssysteme und Techniken, aber man muss realistischerweise sehen, dass das Personal mit Cobol-Kenntnissen und traditionellen Systemkenntnissen zunehmend in Ruhestand geht und die Nachwuchskräfte schon jetzt fehlen.

Technische Defizite verursachen technische Schulden, und diese wirken sich unmittelbar negativ auf die Wirtschaftlichkeit von Geschäftsprozessen aus und können geschäftliche Risiken bedeuten.

Wer auf zeitgemäße und vor allem modulare IT-Systeme setzt, in der Mainframe- Datenhaltung oder -Processing durchaus noch eine modulare Komponente sein kann, wird sein Geschäft an innovative Veränderungen einfacher anpassen können. Auch wird er signifikante Geschwindigkeitsvorteile bei der Umsetzung von neuen Anforderungen erzielen.

Konkrete Aufgaben bei der IT-Modernisierung

Der technologische Modernisierungsweg muss mit der Produkt- und Marktseite abgestimmt sein, damit bei aller Technik der Businessfokus nicht verloren geht. Ein entsprechender Prioritätenplan muss sich an dem in der Organisation Machbaren ausrichten. Weiterhin ist es sehr wichtig, sich dabei realistisch einzuschätzen und an den eigenen technischen Möglichkeiten zu orientieren.

Folgende konkrete Aufgaben, mögen sie auch trivial erscheinen, gehören in das IT-Modernisierungsprogramm:

Mit Blick auf die Plattform gilt es, das darunter liegende Betriebssystem und die Tools auf den neuesten Release-Stand zu bringen, Systeme zu virtualisieren und Upgrades auf das neuste DB-Release und die neueste DB-Technik vorzunehmen. Die Hardware muss auf den aktuellen technischen Stand gebracht und Ausfallsicherheit und Redundanz implementiert werden. Außerdem ist es erforderlich, sich durch entsprechende Maßnahmen gegen Datenmissbrauch und Datenverlust abzusichern.

Unter dem Aspekt Convenience ist die Anwendungssoftware auf den aktuellen Release-Stand zu bringen und die technische Wahrnehmung des Systems anzuheben. Das User Frontend muss durch Web-Technologie gestaltet und Auswertetools müssen an das System angedockt werden, damit der Benutzer einfacher an seine Daten kommt. Außerdem gilt es, die Benutzer schneller und sicherer durch die Anwendung zu führen.

Funktionen: Komponenten des Altsystems müssen durch moderne Teilkomponenten ersetzt, Teilprozesse durch neue Software abgebildet und neu und alt durch Schnittstellen verbunden werden. Funktionen gilt es serviceorientiert an die Business Anforderungen anzupassen. Ein Eins-zu-eins-Tausch wird selten den gewünschten Effekt haben. Die Funktionen der Standardsoftware sollten unbedingt auch im Standard betrieben werden. Individualgeschäft sollte durch eigene Implementierungen umgesetzt und mit Standardsoftware über definierte Schnittstellen verbunden werden. Funktionen lassen sich über API bereitstellen und sich somit mit externen Lösungen verbinden.

Von veralteten eigenen Systemen gilt es, auf modernere Systeme zu migrieren. Altgediente Systeme müssen von Providern durch neue Lösungen ersetzt werden, dabei sollte auch auf Inhouse- oder hybride Lösungen gewechselt werden. Außerdem sollte ein intelligentes Sourcing von Personal etabliert und Skill-Migration durchgeführt werden. Auch müssen wirtschaftliche Kombinationen von Lösungen gefunden und darauf migriert werden. Dabei lohnt es sich, auf workflow-orientierte IT-Komponenten zu setzen und damit interne Geschäftsprozesse zu optimieren und wirtschaftlich zu gestalten

Gar nichts zu tun wird teuer

Selbstverständlich gibt es immer die Unterlassungsalternative: Man hält an kaufmännisch abgeschriebener Hard- und Softwaretechnologie fest und vermeidet somit zum Beispiel schwer beeinflussbare Kosten für nicht verhandelbare Lizenzen von Software- und Hardwareherstellern. Doch die Opportunitätskosten, die dem Business durch systemgeschuldete Unwirtschaftlichkeiten zugefügt werden, sind auf lange Sicht untragbar. Nur auf Basis von modernen und flexiblen Informations- und Kommunikationstechnologien lassen sich die nächsten Produktfelder im Payment Business wirtschaftlich einführen und betreiben.

Die nationale Payment-Branche sollte zur eigenen technischen Performance zurückkehren. Technische Kompetenz muss wieder ins eigene Haus geholt werden. Diese Kompetenz sollte man wieder in Form von Systemnamen ausdrücken. Die technologische Kompetenz stellt in der Payment-Branche ein wesentliches Unternehmensmerkmal dar und wird bei entsprechender Betrachtung den Wert des Unternehmens auch entsprechend erhöhen.

Zum Autor Peter Hessler, Principal Consultant, SYNGENIO AG, München, Niederlassung Frankfurt am Main
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