Regulierung

PSD2 - die Zeit der Zögerlichkeit ist vorbei

Ralf Gladis, Geschäftsführer, Computop Wirtschaftsinformatik GmbH, Bamberg

Richtig gemacht, bietet die PSD2 mit Instant Payments den Banken beste Chancen, ihre Position im Zahlungsverkehr zu festigen und zum Beispiel ELV abzulösen, meint Ralf Gladis. Dafür wurden aber zu viele Fehler gemacht - darunter das fehlende Festschreiben eines verbindlichen Stichtags für die Einführung, den Gladis als Kardinalfehler bezeichnet. Die allzu zögerliche Haltung vieler Banken wiederum führt dann zu Skepsis beim Handel und macht Europa zum Paradies amerikanischer Payment Schemes. Denn Amazon oder Paypal werden nicht zögern, Nischen zu besetzen, an denen sich die Kreditwirtschaft nicht heranwagt. Red.

Und plötzlich ist PSD2 in aller Munde. Nach dem 21. November 2017, der die erste SCT Inst-Transaktion sah, nach dem 13. Januar, an dem die neue Direktive gesetzlich in Kraft trat, macht sich die Erkenntnis breit, dass eventuell doch ein gewisser Handlungsbedarf besteht. Erst einmal Clearing und Settlement checken: Wie schafft man es, die Notification in den geforderten 10 Sekunden auszutauschen und das Geld zu verrechnen? Dann: Wie bauen wir Instant Payments für unsere Kunden in das Online-Banking ein? Und dann ist da noch der Handel. Ach ja, der Handel ...

Irgendwann im Oktober 2018: Jorge S. sitzt im spanischen Alicante mit dem Tablet auf der Terrasse und freut sich. Endlich hat er die Sneakers, die er schon so lange sucht, auf der Website eines schwedischen Händlers entdeckt und hat im Checkout des Online-Shops, der sich rühmt, im Payment ganz weit vorn zu sein, diese neue Zahlungsoption gefunden, Instant Payments. Das probiere ich jetzt mal aus, denkt sich Jorge S. und bekommt ein ganz warmes Gefühl für Europa.

Und der Händler? Der hat jetzt wahrscheinlich ein Problem. Woher soll er wissen, bei welcher Hausbank Jorge S. ist und ob diese bereits zur Transaktion nach dem SCT-Inst-Protokoll abwickeln kann? Falls das der Fall sein sollte - nach welchem der etwa 20 Standards hat sie ihre Schnittstelle eingerichtet? Ist der Payment Service Provider des Händlers an diese Schnittstelle angebunden? Welche Authentisierung nimmt die Bank vor und woher weiß der Händler, ob sie den Regulatory Technical Standards (RTS) entspricht, die wohl erst im September 2019 wirksam werden?

Wahrscheinlich wird deshalb Folgendes passieren: Nach Eingabe der IBAN kommt eine freundliche Nachricht auf dem Bildschirm: Lieber Kunde, Instant Payments ist mit Ihrer Bankverbindung leider nicht möglich, bitte wählen Sie eine andere Zahlart. Schade, denkt sich Jorge S. und klickt auf das Logo mit den zwei blauen P, wie sonst auch.

Unrealistischer Zeitplan

Genau diesen Anwendungsfall hatten die europäischen Institutionen vor Augen, als sie am 25. November 2015 die "Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlament und des Rates über Zahlungsdienste im Binnenmarkt" veröffentlichten.

Schnelle europaweite Geldtransfers, mehr Wettbewerb unter den Finanzdienstleistern und dazu noch ein höherer Sicherheitsstandard dank Zwei-Faktor-Autorisierung. Das ganze ab Ende 2017. Eigentlich.

Dieser Zug ist abgefahren, sein Fahrplan war auch von vornherein ziemlich eng getaktet. Denn für eine wirklich schnelle Einführung waren die Lücken zu groß: Clearing und Settlement wurden von vornherein aus der Regulierung herausgenommen, um die Entwicklung von Standards durch die Marktteilnehmer zu forcieren. Dass solche Prozesse lange dauern, Verlierer und verbranntes Geld hinterlassen und trotzdem nicht zwingend zur technisch innovativsten Lösung führen, wissen wir spätestens seit Verbreitung der VHS-Kassette.

Wenige Vorreiter in Europa

Schnell war die EBA Clearing mit ihrem RT1-Standard, die sich auf die Fahnen schreiben kann, die erste Instant-Payments-Transaktion ermöglicht zu haben und zu Beginn Banken wie ABN Amro, Banco Santander und Unicredit angebunden hatte. Österreich, Italien und Spanien waren die Vorreiter, aber der Rest von Europa? Vielleicht wartet man dort auf Tips, das Protokoll der EZB, das auf Target2 basiert und immerhin den Vorteil mitbringt, direktes Settlement zu ermöglichen.

Die Anrechnung der Netting-Überschüsse auf die Mindestreserve ist ein weiteres Plus und der günstige Transaktionspreis von 0,2 Cent für die ersten zwei Jahre klingt auch nicht schlecht - aber Banken, die sich hier anschließen wollen, müssen noch bis November 2018 warten, um ihren Kunden die neue, schnelle Zahlung anbieten zu können.

Technische Regulierungsstandards tragen zur Verzögerung bei

Die RTS, im Februar 2017 von der European Banking Authority vorgestellt und durch die EU-Kommission am 27. November 2017 mit Änderungen veröffentlicht, trägt durch die lange Umsetzungsfrist ebenfalls zur Verzögerung bei. Auch sind diese Vorschriften nicht deutlich genug gefasst und lassen Raum für Interpretationen:

- Unter welchen genauen Voraussetzungen können Banken das Screen Scraping unterbinden?

- Können die Aufsichtsbehörden der EU-Länder diese Voraussetzungen bewerten?

- Sind sie sich darin einig oder entsteht ein Flickenteppich unterschiedlicher Bedingungen?

Auch bei der Risikobewertung von Transaktionen fehlt Klarheit im Detail. Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Vorgang von der Zwei-Faktor-Authentisierung befreit werden. Das gilt zum Beispiel dann, wenn der Paymont Service Provider aus der Risikobewertung seiner Kunden auf ein geringes Risiko für die Einzeltransaktion schließen kann.

Darf er dazu einzelne Kunden, zum Beispiel mit besonders geringem Risiko, herausrechnen und diesen ihre Transaktionen zu besseren Konditionen anbieten - während der Pool der verbliebenen Händler dadurch ein statistisch höheres Risiko mit höherer 2FA-Quote erhält?

Fehlende Verbindlichkeit war der Kardinalfehler

Ein Kardinalfehler in der Konstruktion von Instant Payments war sicherlich, die Bereitstellung durch die Banken nicht verbindlich vorzuschreiben. Auf Kongressen und in Gremien, die sich mit Instant Payments beschäftigen, hören wir Banker sagen, dass "Instant Payments nicht mandatorisch sei". Und man werde nicht mehr tun als vorgeschrieben. Die Decke über den Kopf ziehen und hoffen, dass das Gewitter vorüberzieht und die Kunden zufrieden bleiben mit dem, was man ihnen schon immer geboten hat - ist das innovativ?

Wenn die Bank von Jorge S. keine Instant Payments abwickeln kann, obwohl das bei seinem Kumpel gestern funktioniert hat, der eine andere Bank nutzt, dann ist das nicht nur irritierend, sondern schadet auch dem Ruf von Instant Payments insgesamt.

Unsicherheit führt zu Zurückhaltung des Handels

Die Unsicherheit darüber, wann welche Bank in Europa Instant Payments abwickeln kann, führt im Handel zu einer abwartenden Haltung. Händlerverbände, Händler und Netzbetreiber warten "bis die Banken ihre Hausaufgaben gemacht haben".

Andere sind schon mit Hochdruck an der Arbeit. Amazon und Paypal gehen mit amerikanischem Unternehmergeist an diese Aufgabe. Kein Wunder. Denn sie sind bestens etabliert und haben die Hausaufgaben für die Akzeptanz ihrer Marke längst gemacht.

Für diese Marktteilnehmer sind Instant Payments nur das Vehikel für mehr Sicherheit und mehr Marge: Können sie die teurere Kreditkarte und die unsichere Lastschrift durch eine sekundenschnelle, nicht rückholbare Überweisung zu Cent-Bruchteilen ersetzen, die sie auch noch selbst auslösen können - dann liegt das Paradies amerikanischer Payment Schemes in Europa. Unter diesem Aspekt ist das zögerliche Handeln europäischer Banken noch weniger verständlich.

Banken zu zögerlich

Denn sie könnten einen ähnlichen Weg gehen. An der Stelle der mit viel Werbung aufgebauten Markennamen steht die traditionell enge Beziehung der Kontoinhaber zu ihrer Bank, und dieses Vertrauen hat gerade in der Finanzbranche Siegerpotenzial.

Was hindert Banken, das eher schlichte Produkt Instant Payments mit zusätzlichen Services aufzuladen, mit einer Karte, mit der Integration in eine Banking-App, mit P2P-Zahlungen - und mit diesen Service-Add-Ons dann auch mehr Geld zu verdienen? Skandinavischen Banken gelingt diese Serviceoptimierung schon auf Basis von SCT, der Schritt zu Instant Payments ist dann nur noch halb so groß.

Mobile Instant Payments statt ELV?

Mehr als überfällig in diesem Zusammenhang: Mobile Payment für den PoS. Die NFC-Terminals stehen im Handel bereit, die Smartphone-Abdeckung ist europaweit ausgezeichnet. Und die Händler würden sich freuen, wenn die Banken wieder einmal an sie denken.

Der stationäre Handel wäre sofort dabei, wenn es darum ginge, das unsichere ELV zu preiswerten Konditionen gegen eine schnelle Überweisung ohne Chargeback-Risiko einzutauschen. Setzt sich erst einmal das Paypal-Angebot für den PoS durch, das im Moment noch in den Kinderschuhen steckt, dann ist auch diese Chance vertan.

Stichtag verbindlich festschreiben

Aus der Sicht von Computop muss jetzt schnellst möglich gehandelt werden. Es ist noch nicht zu spät, die verbindliche Einführung von SCT Inst durch die europäischen Banken zu einem (nicht zu weit entfernten) Stichtag verbindlich festzuschreiben.

Eine einheitliche Schnittstelle für die Zahlungsauslösung anstelle unterschiedlicher Standards würde die Marktakzeptanz weiter beschleunigen und, auch wenn es vordergründig gegen die "reine Lehre" zu verstoßen scheint, auf lange Sicht den Wettbewerb stärken. Denn einfache und praktikable Lösungen ermöglichen auch dem kleinen und mittelständischen Handel, von den Vorzügen der PSD2 zu profitieren. Je weniger Implementierungsaufwand den Händler trifft, umso größer die Vielfalt der Shops, die attraktive Zahlungsverfahren anbieten können, umso weniger Konzentration auf Amazon & Co.

PSD2 mit Instant Payments bietet, wenn es richtig gemacht wird, alle Voraussetzungen für den Omnichannel-Handel: Sicherheit über die Zwei-Faktor-Autorisierung im E-Commerce, schnelle und preiswerte Abwicklung am PoS zum Beispiel über die Karte oder ein Smartphone, einfache Integration in Mobile Shopping Apps und effiziente Prozesse in der Buchhaltung. Eine solche Lösung, inklusive biometrischer Authentisierung, erwarten Händler wie White-Label-Partner heute von ihrem Payment Service Provider. Und sie setzen dabei auf kooperative und aufgeschlossene Banken. Die Zeit der Zögerlichkeit ist vorbei.

Zum Autor Ralf Gladis, Geschäftsführer, Computop Wirtschaftsinformatik GmbH, Bamberg
Ralf Gladis , Geschäftsführer , Computop Wirtschaftsinformatik GmbH, Bamberg
Noch keine Bewertungen vorhanden


X