Bezahlen in Zukunft

Quo vadis Girocard?

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Noch führt an der Girocard in Deutschland kaum ein Weg vorbei. Auf diesen Lorbeeren darf sich die deutsche Kreditwirtschaft aber nicht ausruhen, warnen die Autoren. Zum einen hat die Girocard durch die Interchange-Regulierung ihr klassisches Alleinstellungsmerkmal - die vergleichsweise günstigen Akzeptanzkosten teilweise eingebüßt. Gleichzeitig stellt sich durch die fehlende Akzeptanz im Ausland sowie im E-Commerce für Verbraucher zunehmend die Frage nach der Alltagstauglichkeit. Und in Sachen Innovation ist die Debitkarte der deutschen Kreditwirtschaft weit hinter den Wettbewerb zurückgefallen. Ein "Weiter so" könne deshalb perspektivisch nur zu einem Bedeutungsverlust führen. Red.

"Praktisch. Überall. Willkommen." Pünktlich zum 25-jährigen Jubiläum hat die heutige Girocard - eine Erfolgsgeschichte der deutschen Kreditwirtschaft - einen neuen Claim samt modernem Webauftritt erhalten. Eingelöst wurde dieses Versprechen bisher auch: Konsumenten, Handel und Banken haben in der Vergangenheit viel Freude an der Girocard gehabt. Über 100 Millionen ausgegebene Karten, fast 800 000 Terminals und ein nahezu ungebrochenes Umsatzwachstum sind Zeugen dieses Erfolgs.

Doch soll der überarbeitete Markenauftritt der Girocard nicht über die zahlreichen Herausforderungen hinwegtäuschen. "Praktisch überall willkommen" zu sein heißt vor allem, sich nicht auf dem Status quo auszuruhen, sondern dem sich ändernden Markt zu stellen. Hierzu zählen:

- eine veränderte Regulierung (Stichwort Entgeltverhandlungen und Interchange-Fee-Verordnung),

- neues Konsumentenverhalten (Stichworte Ausland und E-Commerce,)

- neue Technologien (Stichworte kontaktlos und mobil).

Regulierung lässt Nutzung sinken

Diese Entwicklungen zwingen die deutschen Banken und Sparkassen sowie die Deutsche Kreditwirtschaft zum Handeln. Im Nachfolgenden werden die größten Herausforderungen dargestellt, um davon ausgehend grundlegende Handlungsoptionen zu diskutieren.

Eines der klassischen Alleinstellungsmerkmale der Girocard waren die vergleichsweise geringen Akzeptanzkosten für den Handel. Diese wurden nun gar in zwei Schritten weiter reduziert - zunächst durch die (recht aufwendige) Verhandlung der Händlergebühren sowie zuletzt durch die Anwendung der Interchange-Fee-Verordnung. Trotz teilweise findiger Preispolitik von Akzeptanzanbietern wurden hierdurch die Akzeptanzkosten um fast 30 Prozent gesenkt.

Marktökonomie ließe den Schluss zu, dass die Nutzung bedeutsam steigen müsste, was allerdings nicht der Fall war. Im vergangen Jahr ist die Nutzung, gemessen in Umsatz und Transaktionen, gesunken. Grund hierfür ist unter anderem die zeitgleich erfolgte Absenkung der Akzeptanzkosten der direkten Substitutsprodukte.

- So ist die Akzeptanz von regulierten Kreditkarten durch die Interchange-Fee-Verordnung um über 50 Prozent und

- die Akzeptanz von internationalen Debitkarten um über 20 Prozent günstiger geworden.

Alleinstellungsmerkmal partiell eingebüßt

Durch die reduzierten Kosten hat sich die Akzeptanz der Brands von Visa und Mastercard bedeutsam erhöht, sodass mittlerweile auch die großen Lebensmitteldiscounter diese Karten akzeptieren. Erste Händler gehen gar in die Richtung, die Akzeptanz der Girocard gänzlich infrage zu stellen. So lassen sich hier insbesondere die Einkaufspreise der Terminals um bis zu 50 Prozent senken, da die DK-Zertifizierung entfällt und von den Händlern eine internationale Einkaufsstrategie verfolgt werden kann. Zudem können Acquirer-Ausschreibungen zentralisiert und Reconciliation-Prozesse homogenisiert werden.

Dies alles führt dazu, dass die Girocard eines ihrer bedeutsamsten Alleinstellungsmerkmale partiell eingebüßt hat. Die Akzeptanz von Alternativen ist zumindest nicht mehr prohibitiv teuer und in bestimmten Fällen kann es für den Handel sogar sinnvoll sein, gänzlich auf die Girocard zu verzichten.

Fehlende Akzeptanz im Ausland und im Internet

Für Konsumenten stellt sich im zunehmenden Maße die Frage der Alltagstauglichkeit der Girocard. So ist es für Konsumenten noch immer nicht durchgängig möglich, im Ausland mit der Girocard zu bezahlen. Die europäischen Gemeinschaftsinitiativen EAPS (European Alliance of Payment Schemes) sowie Eufiserv/ Trionis haben die ursprünglich gesetzten Ziele nicht erreicht. Deutsche Institute sind weiterhin gezwungen, ergänzend konkurrierende internationale Akzeptanzbrands wie Maestro oder V-Pay auf die Debit karte zu bringen.

Im zunehmenden Maße problematisch für die Girocard ist die fehlende Akzeptanz im Internet. Schon heute besitzt der Online-Versandhandel in Deutschland ein Umsatzvolumen von über 45 Milliarden Euro, was einem Anteil von fast zehn Prozent am Einzelhandelsumsatz entspricht. Und der Handelsverband Deutschland erwartet, dass sich dieser Anteil bis 2020 auf über 15 Prozent erhöhen wird.

Zwar gibt es mit dem Projekt "Girocard im Internet" bereits seit längerem eine Initiative, um an dieser Entwicklung zu partizipieren, allerdings sind konkrete Ergebnisse bisher nicht absehbar. Im Status quo geht die sinkende Bedeutung der Girocard unter anderem mit der stark wachsenden Bedeutung des Online-Handels einher.

Innovationen sind an der Girocard vorbeigezogen

Aus technologischer Sicht hat sich seit dem Marktstart der Girocard nicht viel geändert. Die Girocard ermöglicht weiterhin lediglich die "klassische Kartenzahlung" an der Kasse. Innovationen wie kontaktloses Bezahlen, mobiles Bezahlen und Cross-Channel Funktionalitäten sind an der Girocard bislang spurlos vorbeigezogen.

Zwar bemüht sich die Deutsche Kreditwirtschaft, diesen technologischen Rückstand durch verschiedene Initiativen zu verringern, im Markt angekommen ist davon bisher aber nicht allzu viel. Häufig enden die Initiativen bei regionalen Piloten oder von der eigentlichen Girocard entfernten Lösungen wie Girogo.

Um die Erfolgschancen für zukünftige Weiterentwicklungen zu steigern, wurde der Innovationsstandort "Girocardcity Kassel" ins Leben gerufen. Aktuell wird dort erneut eine kontaktlose Form der Girocard getestet. Offen bleibt, wie es gelingt, diese weitere Initiative zum kontaktlosen Bezahlen mit den bereits vorhandenen Girocardfernen Lösungen zusammenzuführen.

Beim mobilen Bezahlen befindet sich die Girocard in einer noch früheren Phase. Bislang existiert lediglich eine Ankündigung vom Frühjahr dieses Jahres, in der die Volks- und Raiffeisenbanken auf eine Partnerschaft mit den drei großen Mobilfunkanbietern setzen. Ob Girocard mobile in der dort gewählten Form Marktreife erlangen kann und auch eine Chance gegenüber der Konkurrenz hat, ist fraglich, insbesondere wenn sich Teile der Deutschen Kreditwirtschaft öffentlich für eine Lösung mit Apple Pay aussprechen.

Für die Girocard stehen entscheidende Zeiten bevor. Die Kernfrage lautet, inwieweit man sich als führendes bargeldloses Bezahlverfahren auf seinen Marktanteilen im stationären Handel ausruhen oder auf Augenhöhe mit internationalen Kartennetzwerken und Technologieunternehmen um zukünftige Marktanteile im bargeldlosen Zahlungsverkehr kämpfen möchte.

Weiter so führt zu Bedeutungsverlust

Ein "Weiter so" aller Beteiligten wird zu einem zwangsläufigen Bedeutungsverlust der Girocard führen.

- Zwar wird die Girocard aller Voraussicht nach in der mittleren Frist, das heißt in den nächsten fünf bis sieben Jahren, weiterhin für einen Großteil der bargeldlosen Umsätze im stationären Handel sorgen und damit die Banken mit entsprechenden Transaktionsgebühren erfreuen.

- Perspektivisch wird sich allerdings der Preiskampf im nur relativ schwach wachsenden stationären Handel weiter verschärfen, Marktanteile kosten und damit sukzessive zu Umsatzeinbußen führen.

Um auch darüber hinaus das führende Bezahlverfahren in Deutschland zu sein, sind Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der Girocard unumgänglich. Das heißt im ersten Schritt vor allem Cross-Channel-Funktionalitäten zu ermöglichen, um auch zukünftig als relevantes Bezahlverfahren im Handel wahrgenommen zu werden. Anbieter wie Apple Pay und Paypal geben hier den Takt vor und arbeiten unter Hochdruck an entsprechenden Lösungen. Um hier mithalten zu können, müssen die beteiligten Parteien am Girocard-Verfahren ihre Kräfte sowie Initiativen bündeln und ihre Governance deutlich vereinfachen, um gemeinsam an marktreifen und konkurrenzfähigen Lösungen für die Girocard zu arbeiten. Mehrjährige regionale Pilotprojekte mit Technologien, die bereits seit längerem erfolgreich im Markt bestehen, stimmen aktuell wenig zuversichtlich.

Zu den Autoren

Jan Lettow, Manager, und Jakob Schniewind, Associate, beide INNO-VALUE Management Advisors GmbH, Hamburg

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