Wirecard-Insolvenz - viele Händler im Ungewissen

Swantje Benkelberg, Quelle: Fritz Knapp Verlag

Der Bilanzskandal bei Wirecard hat bei den Kunden des Zahlungsdienstleisters verständlicherweise für Unruhe gesorgt. Dabei dürfte zum einen das generell erschütterte Vertrauen eine Rolle gespielt haben, zum anderen jedoch auch die Sorge um die Folgen für das eigene Unternehmen, sollte der Zahlungsdienstleister nicht mehr in der Lage sein, sein Geschäft abzuwickeln. In gewisser Weise scheint es, als hätte eben diese Sorge dazu beigetragen, das befürchtete Szenario in Reichweite zu rücken. Dass große Händler offenbar begonnen haben, Wirecard den Rücken zu kehren, dürfte mit zu der für einen Dax-Konzern bislang undenkbaren Anmeldung der Insolvenz geführt haben.

Unsicherheit für kleine Händler und Fintechs

Ganz so einfach ist es für Händler natürlich nicht, den Payment-Dienstleister zu wechseln - schließlich muss erst ein Vertrag mit einem anderen Anbieter ausgehandelt werden und vermutlich muss vor einer Umstellung auch an den eigenen Systemen die eine oder andere Anpassung vorgenommen werden.

Sollte Wirecard seine Geschäftstätigkeit einstellen, könnte das für die Kunden des Unternehmens im schlimmsten Fall dazu führen, dass sie für einen Zeitraum von vielleicht mehreren Wochen keine bargeldlosen Zahlungen im Ladengeschäft vor Ort oder im Online-Shop mehr akzeptieren können. Im E-Commerce würde das den kompletten Stillstand bedeuten. Doch auch im stationären Handel würde zumindest die Kundenzufriedenheit leiden, mit Umsatzrückgängen wäre zu rechnen. In Corona-Zeiten, in denen viele Händler noch unter den Umsatzeinbußen durch die Wochen der Zwangsschließung leiden und überdies Kunden mehr denn je bargeldlos bezahlen, gilt das vermutlich in verschärftem Maße.

Ebenso stark betroffen, wenn nicht noch härter, dürften Fintechs sein, deren Geschäftsmodell oder Produkte auf den Leistungen von Wirecard inklusive E-Geld, Acquiring- und Issuing-Lizenz der Wirecard Bank beruhen. Jüngste Beispiele sind hier Paywahk oder Stocard, die erst im Juni Paymentlösungen mit Wirecard gestartet haben, die nun auf wackligen Füßen stehen. In all diesen Fällen dürfte viel davon abhängen, ob es der BaFin gelingt, die Wirecard Bank wirklich aus dem Insolvenzverfahren herauszuhalten.

Bei großen Händlern sieht das ein wenig anders aus. Während kleine oftmals ganz auf einen Dienstleister setzen, allein schon deshalb, weil die entsprechenden Transaktionsvolumina eine Aufsplittung auf mehrere Anbieter gar nicht rechtfertigen würden, haben große Unternehmen in der Regel Verträge mit zwei oder sogar drei Dienstleistern.

Geringer Marktanteil in Deutschland

Sie können somit vergleichsweise einfach Volumina vom einen auf den anderen Anbieter verlagern. Einige von ihnen haben das offenbar auch zulasten von Wirecard getan, auch wenn das in Deutschland offenbar weit weniger waren, als es in Medienberichten zunächst angedeutet wurde. Dem Vernehmen nach betrifft das - verständlicherweise - vor allem Händler aus dem asiatischen Raum. Das allerdings ist durchaus relevant, da laut Halbjahresbericht 2019 in der Region Asien/Pazifik 47,6 Prozent des gesamten Umsatzes erwirtschaftet wurden. Zum Vergleich: Europa inklusive Deutschland trug 45,3 Prozent zum Umsatz bei.

In Deutschland selbst dürften vergleichsweise wenige Händler betroffen sein. Denn der jüngst veröffentlichten EHI-Studie Zahlungssysteme zufolge haben hierzulande sowohl unter den großen als auch unter den mittelständischen Unternehmen jeweils lediglich 2,1 Prozent eine Vertragsbeziehung zu Wirecard, um die sie sich derzeit Sorgen machen müssen. Einer der großen Vertragspartner ist beispielsweise Aldi. Der Discounter gibt gemeinsam mit Wirecard auch Gutscheinkarten heraus

Wie es für die Kunden von Wirecard weitergeht, hängt nun in erster Linie vom Fortgang des Insolvenzverfahrens ab. Gut möglich, dass Teile des Wirecard-Geschäfts verkauft werden. Erste Interessenten sollen beim Insolvenzverwalter ja schon angeklopft haben. Die ohnehin laufende Konsolidierungswelle im Markt der Payment-Dienstleister dürfte durch die Wirecard-Pleite einen neuen Schub erhalten. Aus deutscher Sicht ist das insofern bedauerlich, als Wirecard der einzige deutsche Anbieter war, der international mitspielen konnte.

Sicher ist: Die gesamte Branche wird künftig stärker als bisher im Fokus der Aufsicht stehen, der es möglicherweise bisher am Verständnis des Geschäftsmodells von Payment-Dienstleistern gemangelt hat. Das wird sich nun wohl ändern - in Deutschland, aber auch auf europäischer Ebene. Das muss für die Branche nicht von Nachteil sein. Wenn die Aufsichtsbehörden verstehen, was die von ihnen Beaufsichtigten tun, kann das sicher nicht schaden. Allerdings zeigt die Erfahrung auch, dass spektakuläre Einzelbeispiele in der Regel neue Regulierung mit sich bringen. Wie sich das für die Payment-Branche auswirkt, wird sich erst zeigen müssen.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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