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"Von einem deutschen Payment Champion profitieren alle" Interview mit Marcus W. Mosen

Marcus W. Mosen

Quelle: ConCardis

Die Marktdynamik im Payment ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Um hier mitzuhalten, brauchen Dienstleister nicht nur eine relevante Größe, sondern auch hohe Investitionsbereitschaft. Die Entscheidung der deutschen Kreditwirtschaft, Concardis zu verkauften, war deshalb goldrichtig, meint Marcus W. Mosen. Denn der ehemals reine Acquirer war für die neuen Formen der Kooperation, die künftig immer wichtiger werden, gar nicht aufgestellt. Mit den neuen Eigentümern steht genug Kapital zur Verfügung, um etwa die wichtige Hoheit über Kernplattformen zu erlangen. Mit der veränderten Aufstellung könne das Unternehmen seine Rolle als Partner der deutschen Kreditwirtschaft sehr viel besser wahrnehmen. Red.

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Ende Juli wurde die Transaktion zum Verkauf der Concardis vollzogen. Ab sofort haben Finanzinvestoren bei der Concardis das Sagen. Was ändert sich damit?

Unsere Spielräume erweitern sich. Die vor zwei Jahren mit dem Aufsichtsrat vereinbarte Strategie kann mit höherem Tempo fortgesetzt werden und die Internationalisierung wird vorangetrieben. Karten

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Das klingt eher nach Kontinuität.

Im strategischen Zielbild steckt tatsächlich viel Kontinuität. Wir verfolgen schon seit zwei Jahren das Ziel, einen deutschen "Payment Champion" aufzubauen und zu etablieren. Der Wechsel im Eigentümerkreis ist ein Baustein, man kann auch sagen eine wesentliche Voraussetzung dazu. Um das genannte Ziel zu erreichen, muss unter anderem stark investiert werden. Die Investitionsschwerpunkte der deutschen Kreditwirtschaft liegen aber in den Zeiten, in denen sich deren eigener Markt dynamisch verändert, verständlicherweise an anderer Stelle.

Unsere früheren Eigentümer standen aber hinter unserer Zielsetzung. Nicht zuletzt deshalb, weil sie von einem deutschen Payment Champion ebenfalls profitieren. Daher war ein Verkauf der Concardis an ein Konsortium von zwei im Payment sehr erfahrenen Finanzinvestoren, das diese Strategie unterstützt, eine logische Folge beziehungsweise Entscheidung.

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Was sollte die deutsche Kreditwirtschaft von einem Payment Champion haben, der ihr nicht gehört?

Diese Frage reflektiert die alte Welt. Eine Welt, in der man meinte, besitzen zu müssen, woraus man Nutzen ziehen will. Das ist rückwärtsgewandt und geht damit in die falsche Richtung.

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Die neue Welt sieht dem gegenüber wie aus?

Ein entscheidendes Asset der Finanzinstitute ist ihre Beziehung zum Kunden. Diese soll gesichert, nach Möglichkeit ausgebaut und ertragreich gestaltet werden. Das verlangt heute nach vielfältigen Kooperationen. Dazu zählt auch der Payment-Bereich. Und da kommt es schon darauf an, mit wem man kooperiert. Denn auch aus unserer Branche heraus wird die Beziehung der Banken zu ihren Kunden von dem einen oder anderen Payment Provider angegriffen.

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An welche Anbieter denken Sie dabei?

Concardis hat kein Interesse, die Kundenbeziehung auf der Kontoschnittstelle zwischen Händler und Bank anzugreifen. Hier sehen wir nicht die Veränderungen, die Händler dazu motivieren könnten, den Provider zu wechseln.

Es gibt jedoch Payment Player, die das anders sehen: Adyen oder Klarna beispielsweise, die mit einer eigenen Banklizenz jetzt in der Lage sind und angekündigt haben, Händlern neben Payment Services auch Kontoprodukte anzubieten, oder andere Finanzierungsprodukte. Deshalb nennen sie sich jetzt Bank. Dem wollen wir ein anderes Modell entgegensetzten, ein Modell des zukunftsfähigen Payment Partners für den Händler, in Kooperation mit Finanzinstituten.

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Was haben Sie denn den Geschäftskunden der Institute anzubieten, dass diese sich Ihrer Unterstützung bedienen sollten?

Auf der Handelsseite ist durch die fortschreitende Digitalisierung einiges im Umbruch. Das beherrschende Thema ist derzeit Omnichannel, also die nahtlose Integration aller Verkaufskanäle. Damit beschäftigen sich Groß und Klein. Ziel ist das Schaffen eines durchgängigen Einkaufserlebnisses der Kunden über alle Kanäle hinweg. Dabei spielen Payment und Checkout natürlich eine zentrale Rolle. Wir können den Handelsunternehmen hier Lösungen anbieten, die Teil der Interaktion mit dem Kunden sind und die ihnen helfen, ihre eigenen Omnichannel-Strategien zu realisieren.

Auch bei der Kommunikation haben sich die Zeiten geändert. Zunehmend informieren sich Händler im Internet über neue Lösungen und nicht über den klassischen Kanal des Electronic Banking ihrer Hausbank. Ausländische Player bedienen sich gerade dieser Kanäle, um zu akquirieren. Wir haben deshalb unseren gesamten Online-Marketing-Bereich überarbeitet und testen verschiedene smarte Lösungen, um potenzielle Kunden dort abzuholen, wo sie stehen. Gleichzeitig erhöhen wir die Kundenbindung durch die Einführung eines neuen Kundenportals mit dem Namen "myConcardis". Wir sichern damit auch der Hausbank ihre Kundenbeziehung. Kunden, die bei uns sind anstelle bei ausländischen Wettbewerbern, können den Banken und Sparkassen schon nicht verloren gehen.

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Das könnte die Kreditwirtschaft aber mit einem eigenen Payment-Unternehmen auch verhindern.

Das glaube ich eher nicht, zumindest nicht auf mittlere, schon gar nicht auf lange Sicht. Wie gesagt: In den letzten Jahren ist die Marktdynamik im Payment enorm gestiegen. Neue Wettbewerber, zum Beispiel aus den USA, die auf Basis sehr fokussierter Geschäftsmodelle und darauf ausgerichteter Technologien agieren, das enorme Wachstum im E-Commerce mit seinem grundsätzlich internationalen Bezug, die regulatorischen Veränderungen und Verschärfungen und die zunehmende Digitalisierung der Geschäftsprozesse. Hier mitzuhalten setzt eine hohe Investitionsbereitschaft und eine relevante Größe voraus.

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Warum sollte das ein Payment-Unternehmen, das der Kreditwirtschaft gehört, nicht auch können?

Ich sage nicht, dass es das nicht kann. Ich sage nur, dass es immer schwerer wird und eine hohe Agilität, Investitionsbereitschaft und den Willen zur raschen Veränderung und Innovation voraussetzt. Deswegen war ich davon überzeugt, dass es richtig ist, Concardis aus der früheren Eigentümerstruktur herauszulösen. Nicht weil ich etwas gegen die deutsche Kreditwirtschaft habe. Ganz im Gegenteil.

Ich bin überzeugt, dass ein deutscher Payment Champion das Beste für die deutsche Kreditwirtschaft ist. Aber um ihn zu entwickeln, war es erforderlich, ihn aus der Gemeinschaftsstruktur herauszulösen. Das sahen im Übrigen auch die Gesellschaftervertreter so, sonst hätten sie den Verkauf nicht betrieben.

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Wenn ich Sie richtig verstehe, sagen Sie, Concardis musste aus dem Verbund mit der deutschen Kreditwirtschaft heraus, um ein attraktiver Kooperationspartner dieser Kreditwirtschaft zu werden?

Exakt. Concardis war früher für eine solche Kooperation gar nicht aufgestellt. Zum einen haben Banken oder Sparkassen - wenn überhaupt - nur die reine Kreditkartenakzeptanz von Concardis an Händler vermittelt und anderseits hatte der Acquirer gar nicht die Plattformen (PoS-Netzbetrieb und PSP-Plattform für Online-Händler), um für die Banken ein relevanter Partner zu sein.

Diese Lücke begann das Unternehmen in den letzten beiden Jahren weitgehend zu schließen: Mit der bald kompletten Übernahme der Cardtech und dem Bau einer eigenen, modernen PSP-Plattform verfügt Concardis über eine Ausstattung, um künftig mit Banken und Sparkassen auf Augenhöhe zusammenarbeiten zu können.

Ein Beispiel: Die Digitalisierung des PoS eröffnet neue Möglichkeiten, am PoS oder am Point of Checkout Kredite zu vergeben. Nun hat Concardis mit Ratepay eine Plattform für den E-Commerce erworben, aber die Bereitstellung des Kreditproduktes wird Concardis beziehungsweise Ratepay immer in Kooperation mit Banken oder Sparkassen umsetzen wollen. Die Standardisierung von API-Schnittstellen wird die Umsetzung solcher Innovationen noch deutlich vereinfachen.

Und die Revolution am PoS steht erst noch bevor. Künftig werden wir vielfältige smarte PoS-Terminal-Tablets im Handel antreffen, die dem Händler zugleich einen Marktplatz an interessanten Services anbieten, die über Apps bereitgestellt werden. Die Umsetzung solcher Lösungen wird mit dem Bereitstellen der klassischen PoS-Terminals nur noch wenig gemein haben. Sie werden den herkömmlichen DK-Netzbetrieb sehr stark verändern, wenn nicht sogar infrage stellen. Hier wollen wir ebenso auf Augenhöhe mit internationalen Wettbewerbern agieren und neue Formen der Kooperation mit Kreditinstituten entwickeln.

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Und was sollen Ihrer Meinung nach die beiden Institutsgruppen mit ihren verbliebenen Payment-Unternehmen machen?

Es ist nicht an mir, hier Ratschläge zu geben. Aber letztlich stehen auch diese Unternehmen vor der Frage, wie sie sich in einem Markt behaupten wollen, der immer mehr von Entwicklungen im Payment konfrontiert wird, die durch internationale Unternehmen bestimmt werden oder durch eine anhaltende Konsolidierung und damit auch Skalierung.

Hinzu kommt, dass sich der Wettbewerb mehr und mehr in Richtung des Aufbaus von Ökosystemen bewegt. Das beginnt mit Smart-PoS-Lösungen, die diese Entwicklungen auf der Hard- und Softwareseite unterstützen und endet in Marktstrategien wie bei Alipay und anderen, die eine ganze Lifestyle-Welt um das Payment herum aufbauen. In einem solchen Markt kann man die Position nicht halten, ohne sich beständig zu erweitern und zu verändern.

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Was sind die Ziele Ihrer neuen Eigentümer?

Exakt das: In der DACH-Region einen deutschen Payment Champion aufbauen. Unsere Eigentümer sind an skalierbaren Lösungen und Wertsteigerung interessiert und sie sehen für einen solchen Spieler einen attraktiven Markt. Concardis verfolgt das klare Ziel der Fokussierung auf den Händler und seine Bedürfnisse - am PoS und im E-Commerce. Und das in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz.

Künftig werden hier neue Produktakzente gesetzt werden, die es auch für den kleinen und mittelgroßen Händler interessant machen, Payment-Innovationen am PoS einzusetzen. Letztlich werden aber auch die KMU-Händler davon profitieren, wenn es Concardis schafft, über Skaleneffekte die Kostenstrukturen zu optimieren.

Dafür ist es entscheidend, dass das Unternehmen die volle Hoheit über Kernplattformen und Kundenprozesse erlangt. Das war in der Vergangenheit ein entscheidendes Defizit im reduzierten Geschäftsmodell der Concardis. Der seit vielen Jahren bestehende hohe Outsourcing-Grad limitierte zum Beispiel im Customer Service oder auch in der Gestaltung effizienter Geschäftsprozesse.

Um dieses Defizit zu überwinden, fließen jetzt erhebliche Investitionen in die eigenen Plattformen, Produkte und Prozesse. Dies ist übrigens eine wichtige Voraussetzung für die intelligente Nutzung von smarten Daten. Gleichzeitig besteht aber auch die hohe Bereitschaft und die Fähigkeit, eine aktive Rolle in der Konsolidierung zu spielen.

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Der deutsche Payment Champion ist für Sie also offensichtlich mehr als nur eine unternehmensstrategische Frage?

Ja, das ist es. Denn langfristig wird die zunehmende "Ver-Connectierung" unseres Lebens dazu führen, dass das digitale Payment in Bereiche vordringt, die heute noch analogen Gesetzen unterliegen. Um in diesen neuen vernetzten Lebensräumen - seien es Autos, Communities oder ganze Städte - im Payment mitspielen zu können, ist es für die Händler und für die deutsche Kreditwirtschaft gleichermaßen wichtig, zumindest einen starken lokalen Payment Player als Partner zu haben, der die lokalen Strukturen versteht und der gleichzeitig die Glaubwürdigkeit und das Standing hat, in einer internationalen Payment-Liga mitzuspielen. Alle anderen Optionen, die derzeit diskutiert werden, sind letztlich überholte Modelle oder solche, die in Headoffices gesteuert werden, die nicht in Frankfurt ihren Sitz haben.

Und das Dilemma hat sich für solche ehemals deutschen Payment-Unternehmen in den letzten zehn Jahren gezeigt: Keine oder kaum Investitionen, Mitarbeiterabbau, Entscheider nicht mehr vor Ort, neue Payment-Produkte der deutschen Kreditwirtschaft werden nicht wahrgenommen oder unterstützt - siehe Paydirekt, das von einigen ausländischen Payment-Service-Providern schlichtweg ignoriert wird, während Concardis der erste Händlerkonzentrator wurde und die Zahlungsmethode auch perfekt in die neue PSP-Lösung integriert hat.

Ich bin zutiefst überzeugt, dass es eines modernen, international agierenden deutschen Payment Champions bedarf, der im wahrsten Sinn des Wortes die Sprache spricht, die hier gesprochen wird, der die Usancen kennt, der die Bedürfnisse kennt, der vor Ort ist, sich kümmert und ansprechbar ist und der den Anschluss an die internationalen Entwicklungen hält. Das ist unser Ziel, das verfolgen wir konsequent mit unseren neuen Gesellschaftern und das werden wir erreichen.

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