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"Im Payment zeichnet sich ein Systemwettbewerb ab" / Interview mit Peter Barkow

Peter Barkow, Foto: privat

Wie die Payment-Welt unter PSD2 in Zukunft aussehen wird, lässt sich noch nicht prognostizieren, meint Peter Barkow. Bigtechs werden aber wohl eine stärkere Rolle spielen. Bei Payment-Fintechs rechnet Barkow mit einer Konsolidierung. Weltweit gesehen sieht er einen Wettbewerb der kartenbasierten Bezahlsysteme in der westlichen Welt mit den ohne Karten auskommenden System von Wechat und Alipay. Ob sich in diesem Spannungsfeld nationale Bezahlsysteme behaupten oder Instant Payments durchsetzen können, bleibt unklar. Auch diese müssen sich dem Systemwettbewerb stellen. Red.

Lange Zeit galt Zahlungsverkehr als langweilg. Wie spannend ist Payment heute? Und welche Rolle spielen Fintechs dabei?

Im gesamten Bereich der Finanz-Startups gibt es weltweit eine ungeheure Dynamik. Schauen Sie nur Richtung China, wo Ant Financial, die Tochter des chinesischen Internetunternehmens Alibaba, eine ungeheure Marktdurchdringung erreicht. Laut unterschiedlichen Schätzungen sind das etwa 500 Millionen Konsumenten, und zwar alle Bereiche: vom reinem Zahlungsverkehr, Kredite und sogar Anlagemöglichkeiten.

Auch hierzulande ist viel los. Laut der Comdirect Fintech Studie 2018 wurden in den ersten 9 Monaten des vergangenen Jahres über 778 Millionen Euro in deutsche Fintechs investiert. Im Gesamtjahr 2018 war es sogar erstmals mehr als eine Milliarde. Das ist nochmals signifikant mehr als 2017, das mit einem Investitionsvolumen von 713 Millionen Euro bereits als Rekordjahr in die Annalen einging. Damit summieren sich die finanziellen Engagements in heimische Finanz-Start-ups seit 2012 auf nunmehr deutlich über drei Milliarden Euro.

Das klingt zunächst recht viel, wenn man es allerdings im internationalen Kontext sieht, dann ist Deutschland nicht an der Spitze. Dann dominieren dort vor allem Fintechs aus Asien und den USA sowie Großbritannien in Europa.

Um auf Ihre ursprüngliche Frage zurückzukommen: Payment ist sehr sexy. Sowohl Fintechs als auch Bigtech, also Unternehmen wie Facebook, Amazon, Google oder eben Alibaba mit Ant Financial, haben es geschafft, die Nutzererfahrung - in Start-up-Sprache "User Experience" oder UX - zu vereinfachen. Sie treten nun gegen die traditionellen Banken an.

Es scheint mir, dass hier mehrere Faktoren hereinspielen:

1. Beim Zahlungsverkehr fallen viele Daten an, dies ist natürlich für die Internetunternehmen von enormem Interesse.

2. Fintechs wiederum sehen ihre Chance durch die neuen Technologien. Die Markteintrittsbarrieren haben sich hier verringert.

3. Und der letzte Punkt, den ich auch unter Teilaspekten unter einer Verringerung der Markteintrittsbarrieren subsummieren würde: Die Regulierung, beispielsweise in Form der Payment Services Directive 2 (PDS2), spielt hier eine wesentliche Rolle.

Was sind für Sie die wichtigsten Trends im Payment?

Was ich spannend finde, ist die Entwicklung, die der Zahlungsverkehr unter der PSD2 in Europa nehmen wird. Aber da ist es für mich noch zu früh, zu sagen, wie die Payment-Welt aussehen wird. Unter PSD2 ist allerdings im Gesamtfinanzbereich die Entwicklung von Ökosystemen zu erwarten, das heißt es werden Plattformen entstehen, auf denen dritte Dienstleister ihren Service anbieten. So wie wir das etwa von Apple oder auch Google kennen.

Ein zweiter Trend: Bigtechs werden sich immer stärker im Zahlungsverkehr engagieren und Angebote machen. Ein sehr prominentes Beispiel ist hier Apple Pay in Deutschland. Oder nehmen Sie die aktuelle Ankündigung von Facebook, eine eigene Kryptowährung zu planen und einzuführen.

Generell zeichnet sich derzeit auch eine Art Systemwettbewerb ab. In der westlichen Hemisphäre sind die meisten elektronischen Zahlungsarten an Karten geknüpft, seien es Kreditkarten oder eben Debitkarten. Selbst bei Apple Pay hinterlegen Kunden meist eine Karte. Im asiatischen Bereich, vornehmlich in China, beruhen elektronische Zahlungen auf den Systemen von Alipay und Wechat. Beide Systeme basieren auf unterschiedlichen Infrastrukturen und Prämissen.

Und wie sieht das in Europa aus?

In Europa sehen wir generell, dass Bargeld nach wie vor dominiert. Aber das kontaktlose Bezahlen ist auf dem Vormarsch. Hier denke ich, dass Apple Pay, Samsung Pay und auch Google Pay, die die Akzeptanz nicht nur in Europa, sondern auch in Deutschland befördert haben.

Darüber hinaus dürften wir in nicht allzu weiter Zukunft auch weitere Akzeptanzstellen für Alipay und Wechat bei uns sehen. Dafür gibt es vornehmlich zwei Gründe: Zum einen die weiterhin steigende Zahl von Touristen aus China und zum anderen auch die wachsende Präsenz der chinesischen Anbieter. Denken Sie nur an die Ankündigung von Alibaba, ein großes Logistikzentrum in Belgien zu errichten.

Welche Zukunft haben da die nationalen Bezahlsysteme?

Ich glaube, dass wir hier in Europa einen Wettbewerb der Systeme erleben werden. In diesem Spannungsfeld wird es interessant sein zu beobachten, wie und ob sich Instant Payments in Europa durchsetzen. Die Infrastruktur für das Zahlen in Echtzeit ist in den vergangenen Wochen, Monaten und Jahren aufgebaut worden. Und wenn ich die Regulierer richtig verstehe, sind auch sie für eine europäische Antwort im Zahlungsverkehr.

Welche Rolle können Fintechs im Payment-Sektor spielen?

Der Trend bei Fintechs aus dem Payment-Bereich ist der gleiche, der auch generell bei Start-ups im Finanzsektor zu beobachten ist. Die Branche hat sich innerhalb der vergangenen drei Jahre enorm professionalisiert. Weiterhin fließt viel Risikokapital. Jedoch, und das ist ein entscheidender Unterschied zu früher: Immer weniger Fintechs erhalten immer höhere Investitionen.

Hier folgt der Bereich ganz klar der Grundidee des "The winner takes it all". Man ist bestrebt, Champions aufzubauen, sie zu einer zentralen Plattform für Finanzen oder zumindest Teilaspekte zu machen. Das folgt der Logik des Silicon Valley, wo die Plattformökonomie sozusagen geboren wurde.

Payment ist sicherlich eine der Ur-Fintech-Kategorien, wenn man in dem jungen Sektor davon sprechen kann. Viele der ersten Fintechs überhaupt kamen und kommen immer noch aus dem Bereich. Entsprechend ist das Wachstum von Payment-Start-ups mittlerweile schon deutlich zurückgegangen. Erstaunlich ist aber, dass Start-ups der Payment-Kategorie zahlenmäßig immer noch wachsen. Eine Konsolidierung im Sinnen von rückläufigen Anbieterzahlen ist also aktuell noch nicht zu erkennen.

Fintechs, die zunächst nur reines Payment angeboten haben, werden sich weiterentwickeln und weitere Angebote in ihr Leistungsportfolio integrieren, so wie das Paypal vorgemacht hat. Dabei werden sie eventuell versuchen, selbst eine Plattform zu werden und Dritt anbieter und deren Leistungen anzuschließen. Die Plattform werden sie dann wahrscheinlich über Provisionen oder andere Gebührenmodelle monetarisieren. Da entwickelt sich gerade sehr viel, Stichwort Open-Banking.

Andere Fintechs, die sich auf Anwendungen im Business-to-Business-Bereich fokussiert haben, werden ihre Lösungen vermutlich verfeinern und an Banken oder andere Finanzdienstleister auslizenzieren. In einigen Fällen ist sicherlich auch ein Weiterverkauf denkbar.

Ansonsten wird künftig im Fintech und dann auch im Payment-Bereich eine Konsolidierung stattfinden. Einige Gründungen mussten ja bereits aufgeben, beispielsweise Cringle. Aber das ist nun einmal Teil des Geschäfts: Es heißt ja nicht umsonst Risikokapital.

Abschließend sei noch hinzugefügt: Wir dürfen auch die Infrastrukturseite nicht vergessen. Viele der heutigen Anwendungen haben ihre Basis in der New Economy der später neunziger und der frühen 2000er Jahre. Damals wurde mit neuen Ideen und Technologien die Basis für unsere heutige Welt gelegt. Mit dem 5G-Mobilfunkstandard werden sicherlich Lösungen kommen, die wir heute noch gar nicht auf dem Radar haben.

Peter Barkow, Geschäftsführer, Barkow Consulting, Düsseldorf

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