Kartendienstleister

"Wir stehen am Beginn eines globalen Real-Time-Payment-Marktes" - Interview mit Michael Steinbach

Michael Steinbach
Quelle: Worldline

Es sind vor allem die immer neuen Produkt- und technischen Anforderungen, die den Markt der Payment-Dienstleister verändern und strategische Allianzen und Partnerschaften erforderlich machen, meint Michael Steinbach. Dabei beobachtet er einen Paradigmenwechsel. Denn während die Konsolidierung bisher auf nationaler Ebene stattfand, hat sie nun die europäische Ebene erreicht. Dass immer mehr Finanzinvestoren den Zahlungsverkehr entdeckt haben, hält Steinbach für eine ungute Entwicklung. Denn der Zahlungsverkehr werde auch weiterhin ein strategisches Kerngeschäftsfeld der Banken bleiben. Red.

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Was sind aktuell die größten Herausforderungen für einen Payment-Dienstleister?

Die größte Herausforderung für uns besteht derzeit darin, die mit den aktuellen Entwicklungen wie Instant Payments und PSD2 einhergehende erheblich angestiegene Nachfrage an Produkt- und Serviceleistungen zu organisieren. Wenn wir die enorme Geschwindigkeit an Produktanforderungen, ganz zu schweigen von den technischen Anforderungen, mitgehen wollen, müssen wir auch über strategische Allianzen und Partnerschaften nachdenken. Das bedeutet, dass wir uns selektiv mit strategischen Partnern zusammenschließen, um die gesamte Wertschöpfungskette des Bezahlens abdecken zu können.

Damit kommt die zweite große Herausforderung ins Spiel: Der Bezahlvorgang wird bereits jetzt, und wird in der Zukunft noch stärker, nicht mehr als isolierter Prozess durchgeführt, sondern ist integraler Bestandteil eines Gesamtprozesses. So zum Beispiel das Suchen und Selektieren eines Artikels, der in der Folge dann auch bezahlt werden muss. Das heißt: In der Worldline Gruppe werden wir in Zukunft noch stärker gesamthafte Lösungen entwickeln und anbieten, wie beispielsweise einen komplett elektronischen/digitalisierten Hotelbuchungs- und -bezahlprozess, der auch das Einchecken, den digitalen Zimmerschlüssel, die Abrechnung der Extras und das Auschecken beinhaltet. Genau wie Banken und Handel machen auch wir einen Transformationsprozess durch und müssen lernen, wie die Dinge sich wandeln.

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In welchen Bereichen brauchen Sie strategische Allianzen? Was machen Sie selbst, was über Partner?

Zunächst schauen wir immer in der Gruppe - und damit meine ich nicht nur die Worldline-Gruppe, sondern die gesamte Atos-Gruppe. Denn Atos ist Haupt-Anteilseigner der Worldline. Atos ist heute der größte IT-Dienstleister in Europa mit einem großen Portfolio an IT-Dienstleistungen. Derzeit arbeiten wir am Ausschöpfen der in der Gruppe vorhandenen Potenziale. Denn die optimierte Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten und Skills erlaubt uns, Wettbewerbsvorteile zu generieren, die andere Wettbewerber im Umfang des Dienstleistungs- und Serviceangebotes so nicht erzielen können.

In der Worldline-Gruppe gibt es drei Geschäftsbereiche: Financial Processing, Merchant Services und unser Innovationslabor MTS, Mobile & Transactional Services. Dort werden innovative Lösungen nicht nur für den Finanzsektor, sondern zum Beispiel auch für den Handel entwickelt, die dann viel mehr als nur den Zahlungsvorgang beinhalten.

Durch den Zusammenschluss von Equens und Worldline sind wir nun in der im europäischen Markt einzigartigen Position, dass wir für alle Zahlungsarten und -instrumente über die gesamte Wertschöpfungskette Dienstleistungen und Services anbieten können. Sei es Debit-/Kreditkarte, Sepa, Währungszahlungen, Instant Payments, elektronisch oder digital. Das heißt von Endverbraucherlösungen über das gesamte Karten-Processing und Switching zu den großen Karten-Brands bis hin zum klassischen Clearing und Settlement der Zahlungsverkehrstransaktionen über Target 2, Tipps, das ab November von der EZB angeboten wird, oder RT 1 der EBA. Insofern sind wir ein White-Label-Komplettanbieter für Banken und die Banken suchen sich die für sie wertträchtigen Bausteine heraus.

Die kürzlich verkündete Nachricht der strategischen Partnerschaft zwischen Worldline und Six und die damit verbundene Integration der Six Payment Services in die Worldline zeigen, dass wir als Gruppe auch die Möglichkeiten erfolgreich nutzen, die sich durch die Situation im europäischen Markt der Zahlungsdienstleister ergeben und dadurch weiterwachsen. Durch diesen nächsten Schritt und die Bündelung von Know-how und Lösungen wird das Service- und Produktportfolio der Worldline insgesamt, insbesondere im Kartenhändlergeschäft sowie dem Issuing- und Acquiring-Processing, noch weiter komplettiert. Dies erhöht damit noch zusätzlich unsere Wettbewerbsfähigkeit, nicht nur, aber besonders auch im europäischen Kontext.

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Welche Rolle spielt in diesem Umfeld heute Größe? Nimmt das nicht enorm an Bedeutung zu?

Ein ganz klares Ja. Größe, im Sinne von Anzahl an Transaktionen, spielt künftig in der Abwicklung des Zahlungsverkehrs eine noch größere Rolle. Wir stehen jetzt, was das Zahlungsprocessing angeht, am Beginn eines globalen Real-Time-Payments-Marktes, weil wir jetzt mit dem ISO-Standard 20022 eine technische Standardisierung für alle Zahlungsarten haben, die immer mehr auch weltweit zur Anwendung kommt.

Hinzu kommt, dass Instant Payments den Zahlungsverkehr revolutionieren werden und sie nicht nur Bargeld substituieren, sondern vor allem auch die Debitkarten. Deshalb gibt es ja schon Aktivitäten der deutschen Kreditwirtschaft, Funktionen auf die Girocard aufzuschalten, um sie Instant-Payment-fähig zu machen. Das ist die einzige Möglichkeit, um das Produkt aufrecht zu erhalten.

Grundsätzlich wird sich durch diese Entwicklungen der Druck auf Margen und das Erzielen von Skaleneffekten für die Abwicklung der Zahlungstransaktionen bedeutend erhöhen.

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Welche Zukunft hat ein nationales Bezahlverfahren wie die Girocard?

Die Zukunft für nationale Bezahlverfahren insgesamt liegt darin, diese in die globale, technisch standardisierte Real-Time- Welt zu überführen, sodass wir zum Beispiel künftig mit dem Produkt Girocard weltweit in Echtzeit bezahlen können. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erkennen, wie sich, hervorgerufen durch die beschriebenen Veränderungen, Geschäftsmodelle oder Abwicklungsprozesse in der Finanzindustrie verändern werden beziehungsweise verändern müssen.

Grundsätzlich gilt: Der Wettbewerb findet künftig noch mehr oder sogar ausschließlich an der Schnittstelle zum Kunden und auf Basis der dort angebotenen Dienstleistungen und Services der Banken statt. Im Hintergrund, das heißt im marktfernen Back-Office-Bereich, herrschen ein starker Verdrängungswettbewerb und eine Konsolidierung, die bereits einsetzt. Nur die Großen werden überleben. Denn es geht insbesondere um Skalen.

Die Diskussionen um Interchanges und Fees wird es künftig in der Form, wie wir es heute kennen, nicht mehr geben. Instant Payments werden perspektivisch kostenfrei sein. Der Kunde zahlt für die Leistungen, die er wahrnimmt, aber nicht für das Processing. Es bringt nichts, heute darüber nachzudenken, wie man nationale Verfahren sichern kann. Heute besteht die Chance, zu gestalten und sich für die Zukunft zu positionieren.

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Hat sich durch die Standardisierung das Problem zu großer Komplexität ab einer bestimmten Größe erledigt?

Die Technik hat noch nie verhindert, eine große Anzahl von Transaktionen abzuwickeln. Limitationen kommen durch unterschiedliche Standards, Regularien und Gesetze zustande. Die gibt es in den einzelnen Erdteilen und Ländern auch heute noch. Allerdings werden diese, was die Zahlung angeht, angepasst. Wie schnell das geht, wird sich zeigen. Es wird aber kommen.

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Wer ist für Equens Worldline Wettbewerber?

Hier muss man zwischen dem Zahlungsverkehrsgeschäft mit Überweisungen und Lastschriften und dem kartengestützten Geschäft unterscheiden. Zu Letzterem sind beispielsweise Unternehmen wie Concardis, Elavon, Nets und Sia unsere Wettbewerber.

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Wird die Konzentration im Bereich der Payment-Dienstleister zu Kartellsituationen führen?

Ich glaube nicht, dass nur zwei oder drei der Anbieter übrigbleiben werden. Trotz der gesteigerten Konsolidierung wird es weltweit weiterhin genug Anbieter geben, um noch Wettbewerb zu haben. Heute gibt es in Europa noch viel zu viele Zahlungsverkehrsabwicklungsdienstleister. Die angesprochene Entwicklung lässt sich nur mit entsprechenden Skalen bewältigen. Nur damit kann man effizient und wettbewerbsfähig bleiben.

Bisher hat die Konsolidierung immer auf nationaler Ebene stattgefunden. Zuletzt zum Beispiel auch in Spanien, wo sich die drei Karten-Schemes-Servired, Systema 4 B und Euro 6000 zu einem vereinigt haben. In den USA gibt es heute fünf bis sechs große Anbieter. Vor zehn Jahren waren es eher 50 oder 60. Diesen Weg werden wir in Europa auch beschreiten. Das hat gerade erst der Zusammenschluss von Six und Worldline und nun auch von Nets und Concardis gezeigt.

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Wie viele Anbieter könnten da langfristig übrigbleiben?

Mit einer solchen Aussage bin ich sehr vorsichtig. Sicher ist aber, dass die Konsolidierung kommt und wir versuchen, diesen Weg proaktiv zu gestalten. Wir glauben nicht, dass wir alles selber können, aber diese Wahrnehmung müssen wir auch lernen. In dem neuen Ökosystem des Bezahlens versuchen wir auch künftig einen führenden Platz zu besetzen.

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Die deutschen Banken haben immer weniger Einfluss auf Entwicklungen im Zahlungsverkehr. Sind die damit verbundenen Sorgen begründet?

Entscheidend wird sein, wie und in welcher Geschwindigkeit und insbesondere mit welcher Konsequenz der beschriebene Transformationsprozess im Zahlungsverkehr von den Banken durchgeführt beziehungsweise umgesetzt wird. Auch hier wird es Unterschiede, im Sinne von positiver und negativer Entwicklung, zwischen den einzelnen Banken und Bankengruppen geben.

Grundsätzlich sehe ich die Banken unverändert in einer zentralen Rolle, wenn es um das Angebot umfassender digitaler Dienstleistungen geht, auch über den Zahlungsverkehr hinaus. Auch geht es meines Erachtens nicht um die Frage Fintech oder Banken, sondern vielmehr um die Symbiose. Beide brauchen einander, was viele Banken ja mit ihrem Engagement und der Unterstützung von Fintech-Labs bereits erkannt haben.

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Wie stehen Sie zu dem Trend, dass sich immer mehr Finanzinvestoren in den Zahlungsverkehr einkaufen? Ist das ein guter Weg?

Ja und Nein. Ja, weil die Unternehmen dadurch kurzfristig Mittel zur Verfügung gestellt bekommen, um den Wandel zu vollziehen. Nein, weil die Finanzinvestoren (und Ausnahmen bestätigen hier immer auch die Regel) keine nachhaltigen strategischen Interessen verfolgen.

Unter dem Strich halte ich die Entwicklung nicht für gut. Denn Zahlungsverkehr ist immer noch und wird es auch bleiben, ein sensibles, strategisches Kerngeschäftsfeld der Banken. In keinem anderen Geschäftsfeld ist die Frequenz an Kundenkontakten höher als in zahlungsverkehrsbezogenen Dienstleistungen.

Commerzbank-Zahlungsverkehr migriert zu Equens Worldline Equens Worldline und die Commerzbank haben am 23. Juli 2018 eine strategische Partnerschaft im Bereich der Zahlungsabwicklung angekündigt. Dieser Verein barung zufolge wird Equens Worldline in den nächsten zehn Jahren alle Sepa-Echtzeit-, Multi-Währungs- und Inlandszahlungen für die Commerzbank abwickeln. Auch bei Google Pay setzt die Bank auf den Dienstleister.In einer ersten Phase, die jetzt schon läuft, wird der Diensleister die bestehenden älteren Zahlungsanwendungen be treiben. In einem zweiten Schritt sollen sie auf die Plattform-Technologie von Equens Worldline migriert und damit zukunftssicher gemacht werden. Nach Abschluss der Migration werden jährlich etwa vier Milliarden Payment-Transaktionen der Commerzbank über die Plattform von Equens Worldline laufen.

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