Viel zu geheim

Quelle: wikipedia

sb - Wenn Internetkonzerne wie Facebook oder Amazon oder Gerätehersteller wie Apple oder Samsung ein neues Produkt oder eine neue Anwendung auf den Markt bringen, dann weiß der Markt in der Regel davon, lange bevor es offizielle Verlautbarungen dazu gibt - vielleicht noch nicht im Detail, so doch in groben Zügen. Beispiele sind Apple Pay oder der P2P-Bezahldienst in der neuen Messenger-Funktion von Facebook.

Die öffentliche Diskussion zumindest im Netz weckt im ungünstigsten Fall ein gewisses Interesse, das die Markteinführung begünstigt; wenn es gut läuft, bewirkt sie einen regelrechten Nachfrageansturm, der eine beträchtliche Sogwirkung nach sich zieht. Man denke nur daran, wie der DSGV schon kurz nach der Vorstellung von Apple Pay in Cupertino nach dem richtigen Ansprechpartner suchte.

Von einer vergleichbaren Breitenwirkung ihrer Innovationen kann die Kreditwirtschaft nur träumen. Das liegt natürlich nicht zuletzt an der Natur ihrer Produkte. Finanzdienstleistungen - und der Zahlungsverkehr bildet da keine Ausnahme - sind nun einmal nicht sexy. Niemand steht Schlange für eine neue Anwendung, mit der er sein Geld, das er doch eigentlich lieber behalten möchte, beim Einkauf auf möglichst leichte und sichere Art loswerden kann. Und doch wäre es zu einfach, sich auf diese gleichsam schicksalsgegebene Erklärung darauf zurückzuziehen, dass Innovationen der Kreditwirtschaft mitunter auf sehr schleppende Akzeptanz stoßen. Zum großen Teil ist dieser Umstand auch hausgemacht. Zwar gehen die Neuentwicklungen nur selten so sehr am Kundenbedarf vorbei wie die Geldkarte. Aber im Marketing würde sich der Blick über den eigenen Tellerrand hinaus, hin zu anderen Branchen und insbesondere den neuen Wettbewerbern, zweifellos lohnen.

Natürlich ist es verständlich, wenn sich die Branche bei den Details ihrer neuen Anwendungen und Produkte nicht vorab in die Karten schauen lassen möchte. Aber warum muss deren Entwicklung - selbst wenn Termine für die Markteinführung bereits in Planung sind - immer gar so geheim sein? Warum darf der deutsche Paypal-Nutzer, der erklärtermaßen seiner Bank in Sachen Zahlungsverkehr immer noch am stärksten vertraut, nicht wissen, dass auch die deutsche Kreditwirtschaft und mithin auch seine Hausbank demnächst einen vergleichbaren Service herausbringen wird? Und warum lässt man Girocard-Inhaber, die sich mit Girogo nicht anfreunden können (oder allen Bemühungen zum Trotz noch immer nichts davon gehört haben), nicht wissen, dass sie mit ihrer Karte künftig auch kontaktlos zahlen können, ohne sie dafür erst aufladen zu müssen?

Sicher wäre auch bei mehr Vorabinformation nicht zu erwarten, dass Bankenserver plötzlich ob eines übergroßen Kundenansturms zusammenbrechen, weil jeder der erste sein will, der sich eine neue Zahlungs-App herunterlädt oder für eine neue digitale Wallet registriert wird. Aber zumindest ein gewisses Grundinteresse bei den relevanten Zielgruppen ließe sich damit wecken. Und jene Verbraucher, die die entsprechenden Botschaften aufnehmen, könnten dann als Multiplikatoren wirken. Die Wirkung des "Buzz", also der Kommunikation im Netz, ist an dieser Stelle nicht zu unterschätzen. Die Effizienz der eingesetzten Marketinggelder ließe sich auf diese Weise somit deutlich erhöhen.

Und noch einen wichtigen Nebeneffekt könnte ein solcher Strategiewechsel haben. Wenn dem Kunden eine bereits am Markt platzierte Neuheit nicht erst angeboten werden muss, sondern er im Idealfall schon im Vorfeld neugierig darauf ist oder gar bereits darauf wartet, dann steigert das in seinen Augen auch die Wertigkeit des Produkts - sei es nun die physische Karte oder auch eine digitale Anwendung. Die angesichts der Interchange-Regulierung im Zahlungsverkehr so bitter nötige Preisakzeptanz ließe sich dann sicher besser erreichen.

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