Längst keine Zukunftsmusik mehr: Industrie 4.0

Herausforderungen meistern und Chancen nutzen

Kai-Otto Landwehr

Kai-Otto Landwehr - Um auf die Marktumwälzungen in Zeiten von Industrie 4.0 effizient reagieren zu können, sind Fertigungsunternehmen weltweit immer mehr auf verschiedene Formen der Finanzierung angewiesen. Investitionsfinanzierer stehen deshalb vor der Herausforderung, zeitgemäße Angebote zu entwickeln, die den Unternehmen im wechselhaften Marktumfeld der Digitalisierung Flexibilität und Sicherheit zugleich bieten. Der Autor erläutert hier ein Praxisbeispiel. Eine Autostunde südlich von Stuttgart, umgeben von weiten Feldern, Wiesen und Hügeln, steht das hochmoderne Produktions- und Entwicklungszentrum der Schwäbische Werkzeugmaschinen GmbH (SW).

Fernab von der Geschäftigkeit der Großstadt stellt der Maschinenbauer hier seine weltweit renommierten mehrspindligen Bearbeitungszentren her und setzt dabei globale Standards. Hinter der schwarz spiegelnden Fassade macht sich einer von Deutschlands heimlichen Gewinnern, den sogenannten "Hidden Champions", dabei auch zunehmend fit für das digitale Zeitalter.

Von innen hat die Produktionshalle des Unternehmens kaum noch etwas mit den Fabriken gemein, die einst das Gesicht des Industriezeitalters prägten. Die hohen Räume sind weiß und lichtdurchflutet, kein Quäntchen Schmutz ist am Boden oder an den Wänden zu sehen. Die meterhohen Werkzeugmaschinen, eine Kolonie kastenförmiger Kolosse, stehen in Reih und Glied angeordnet. Mit einem dieser Bearbeitungszentren können bis zu vier Werkstücke parallel zerspant werden. Deshalb sind sie äußerst effizient und kostensparend im Betrieb. Auch der Service der Firma überzeugt, denn jeder Kunde erhält eine individuell auf ihn abgestimmte Lösung. So wird sichergestellt, dass jede Maschine die spezifischen Kundenanforderungen optimal erfüllt.

Mit diesem Erfolgsrezept verwundert es kaum, dass SW auch international zu den Spitzenreitern der Branche zählt. Das heißt jedoch nicht, dass sich der schwäbische Maschinenbauer nicht an neue Marktanforderungen anpassen muss, um wett bewerbsfähig zu bleiben. Denn in Zeiten von Industrie 4.0 sehen Fertigungsbetriebe wie SW neuen Chancen, aber auch Herausforderungen, entgegen.

Unternehmen rund um den Globus haben erkannt, dass die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung der Produktion enorme Umwälzungen zur Folge hat. Dadurch entsteht nicht nur in der Fertigungsindustrie großer Handlungs- und Investitionsbedarf. Denn einerseits können Firmen ihre Produkte schneller im Markt einführen und die Flexibilität in der Produktion mithilfe modernster Technologien erhöhen sowie andererseits Ressourcen schonen und die Energieeffizienz steigern.

Anlagenfinanzierung

Das gelingt beispielsweise durch den Einsatz fortschrittlicher PLM-Software1) zur Verkürzung der Markteinführungszeiten, Bewegungsoptimierung von Industrierobotern zur Senkung des Energieverbrauchs, digitale Produktionsüberwachung zur Verringerung der Fehlerquoten sowie Verbesserung der Effizienz der Massenfertigung und Herstellung maßgeschneiderter Produkte in Kleinserien. Doch aufgrund des verschärften internationalen Wettbewerbs stehen Fertigungsunternehmen unter dem Druck, kontinuierlich ihre Produktivität zu erhöhen und gleichzeitig den Verbrauch von Energie, Ressourcen und Kosten zu verringern. Ihre Kunden verlangen nach innovativen, maßgeschneiderten und günstigen Produkten in immer kürzeren Zeitintervallen.

Diesen neuen Marktanforderungen können Firmen nur durch den Einsatz modernster und hochgradig effizienter Maschinen und Anlagen gerecht werden. Daraus folgt: Produktionsbetriebe mit unzureichendem Zugang zu den neuesten Technologien gefährden ihre Wettbewerbsfähigkeit. Investitionen in neue Plattformen und digitale Technik sind daher notwendig, um international Schritt halten zu können. Das bedeutet jedoch auch, dass Maschinen und Software häufiger aktualisiert und ausgebaut werden müssen. Die Finanzierung dieser Maßnahmen stellt eine weitere Herausforderung dar, denen fortschrittliche Mittelständler nur mit flexiblen Lösungen begegnen können.

Intelligente Finanzierungen

In der Industrie 4.0 spielen somit die unterschiedlichen Formen der Finanzierung eine wachsende strategische Rolle. Das zeigen auch die Ergebnisse einer neuen Studie von Siemens Financial Services (SFS).2) Darin nennen die befragten Finanzverantwortlichen aus der Fertigungsindustrie intelligentes Finanzmanagement als einen von fünf zentralen Faktoren für den Geschäftserfolg. Die anderen Erfolgsfaktoren sind

- der Einsatz von Technologien der neuesten Generation,

- höhere Betriebseffizienz,

- erweiterte Produktionskapazität und -flexibilität sowie

- wettbewerbsfähige Preisstrukturen.

Die Finanzmanager haben erkannt, dass sie ihre Fertigung modernisieren müssen, um die Chancen der Industrie 4.0 nutzen zu können. Mehr denn je ist dafür intelligentes Finanzmanagement gefragt. Weltweit sind die Finanzverantwortlichen in den Produktionsbetrieben deshalb zunehmend auf der Suche nach Finanzierungslösungen, die über die klassische Kreditfinanzierung hinausgehen. Auf diese Weise können sie Betriebskapital flexibler einsetzen und den Cashflow des Unternehmens verbessern. Laut Studie, zählen zu den genutzten alternativen Finanzierungsformen:

- Anlagenfinanzierungen,

- Rechnungs- und Lagerbestandsfinanzierungen ebenso wie

- Beteiligungskapital.

Am stärksten verbreitet ist dabei die Anlagenfinanzierung, auf die bereits 70 Prozent der Befragten setzen.

Und dafür gibt es einen guten Grund: Die Befragten gaben an, dass die Finanzierungslösungen für die Industrie 4.0 vor allem vielfältig, einfach und flexibel, fachkundig, sachgemäß und transparent sowie zuverlässig und nachhaltig sein sollen. Die verschiedenen Formen der Anlagenfinanzierung bieten genau diese Vorteile. So ermöglichen sie den Unternehmen diese dann abzurufen, wenn sie tatsächlich benötigt werden. Zudem können die Vertrags- und Zahlungsbedingungen in der Regel an das Geschäftsumfeld des Kunden angepasst werden. Dabei verstehen vor allem herstellernahe Finanzierer die Branche und ihre Herausforderungen sehr gut. Deshalb können sie den Geschäftsvorteil, der sich aus der Nutzung der neuen Ausrüstung und Technologie für den Kunden ergibt, in die Bewertung mit einbeziehen.

Auf diese Weise können sie maßgeschneiderte Finanzierungslösungen anbieten, die mit den gewünschten Ergebnissen verknüpft sind und damit die Finanzplanung effizient unterstützen. Prozesse rund um die Investitionsfinanzierung können hier außerdem häufig schneller und unbürokratischer abgewickelt werden, als das bei traditionellen Kreditgebern der Fall ist. Oft sind solche Finanzierungspartner zudem seit vielen Jahren mit dem herstellenden Gewerbe verbunden. Deshalb streben sie langfristige Geschäftsbeziehungen an und garantieren ihren Kunden Zuverlässigkeit und Nachhaltigkeit.

Absatzmärkte erschließen

Auch SW hat auf die Zusammenarbeit mit einem herstellernahen Finanzierer gesetzt, um den Herausforderungen rund um Industrie 4.0 zu begegnen. Denn im internationalen Wettbewerb muss sich das Unternehmen gegen eine wachsende Zahl von Konkurrenten aus aller Welt behaupten. Deshalb nutzt der Mittelständler Absatzfinanzierung von SFS. Mit flexiblen Lösungen hilft SFS dem Unternehmen, seinen Endkunden ein Komplettpaket aus Finanzierung und Technologie anzubieten. Die Finanzierungsmodelle können dabei auf die jeweilige Situation und Kundenbedürfnisse zugeschnitten werden. So kann der Endkunde die benötigte Maschine budgetschonend nutzen, und SW verbessert den Vertriebserfolg.

Aus Sicht von SW wurde es immer wichtiger, Absatzfinanzierung in das eigene Angebot zu integrieren und Kunden damit eine praktikable Lösung zur Finanzierung der Bearbeitungszentren zu bieten - insbesondere vor dem Hintergrund, dass viele Endkunden des Unternehmens mittelständische Betriebe aus der Automobilzulieferindustrie sind, die größere Investitionen ohne passende Finanzierungangebote kaum stemmen können. Das liegt unter anderem an den immer kürzeren Innovationszyklen und dem oftmals enormen Zeitdruck innerhalb der Branche.

Nach der Auftragsvergabe durch die Automobilhersteller müssen die Unternehmen meist kurzfristig in neue Maschinen investieren, um den festgesetzten Liefertermin einhalten zu können. Ein klassischer Kredit stellt hierbei oft nicht die ideale Lösung dar. Denn häufig ist es für die Unternehmen unrentabel, die Anlagen langfristig als Eigentum zu erwerben. Zudem können Vertragsdauer und Höhe der Raten bei alternativen Finanzierungen flexibler an die Situation des Kunden angepasst werden. Im Gegensatz zur Kreditfinanzierung erfordern Lösungen wie Leasing oder Mietkauf in der Regel keine zusätzlichen Sicherheiten, da die Maschinen selbst als Sicherheit dienen.

Für SW ist der Nutzen des Absatzfinanzierungsprogramms spürbar, denn damit konnte sich der Maschinenbauer bereits wichtige Geschäfte sichern - beispielsweise mit der Unternehmensgruppe HAL aus Leipzig. Der Anbieter von Gussteilen aus Aluminium hatte einen Großauftrag von einem deutschen Automobilhersteller erhalten, für den er zwei neue spezielle Werkzeugmaschinen benötigte. SFS erarbeitete deshalb in enger Zusammenarbeit mit SW und HAL eine maßgeschneiderte Leasing-Finanzierung mit einer Laufzeit von fünf Jahren. So musste HAL die Investitionssumme nicht auf einmal erbringen. Zudem wird der Betrieb nicht zum Eigentümer der beiden Maschinen, sondern bezahlt lediglich eine festgelegte Rate für die Nutzung, die sich projektspezifisch anpassen lässt. Im Gegensatz zu einer klassischen Kreditfinanzierung ist die Bilanz von HAL hier von der ersten Stunde an positiv. Auf diese Weise werden weder das Eigenkapital von HAL noch bestehende Kreditlinien bei den Banken beeinflusst.

Erfahrung ist Trumpf

Bei der Auswahl des Finanzierungspartners waren für SW die technologische Expertise und die Finanzierungserfahrung von SFS ausschlaggebend. Aufgrund der langjährigen Technologiepartnerschaft mit SW kennt SFS die Maschinen des Kunden und ihre Vorteile genau. Schließlich liefert Siemens wichtige Komponenten für die Maschinen, und SFS greift als Teil des Siemens-Konzerns auf dieses Knowhow zurück. So wurden bei der Angebotserstellung für HAL beispielsweise nicht nur das Risiko, sondern auch der Wert und die besonderen Eigenschaften der Maschine sowie die geschäftlichen Chancen berücksichtigt, die sich mit der Investition für das Unternehmen ergeben.

Die Zusammenarbeit eines Mittelständlers mit einem herstellernahen Finanzierer zeigt, welchen Nutzen ein Hand-in-Hand-Angebot von Technologie und Finanzierung bieten kann. Darüber hinaus gibt es aber noch weitere Vorteile. So können beispielsweise die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership, TCO) leichter erfasst und eine möglichst transparente Finanzplanung erstellt werden. Das ermöglicht Kunden wiederum, auf plötzliche Veränderungen im Markt zu reagieren und technologische Entwicklungen zeitnah in ihre Angebote zu integrieren. Dabei liegt die Stärke solcher Modelle darin, dass es sich nicht um "One-Size-Fits-All"-Konzepte handelt, sondern die Finanzierung individuell an die Kundenbedürfnisse angepasst werden kann. Um auf die Marktumwälzungen in Zeiten von Industrie 4.0 effizient reagieren zu können, sind Fertigungsunternehmen weltweit immer mehr auf verschiedene Formen der Finanzierung angewiesen.

Investitionsfinanzierer stehen deshalb vor der Herausforderung, zeitgemäße Angebote wie das Absatzfinanzierungsprogramm für SW zu entwickeln, die den Unternehmen im wechselhaften Marktumfeld der Digitalisierung Flexibilität und Sicherheit zugleich bieten. Wenn sie mit den neuen Marktanforderungen Schritt halten können, verschaffen sie sich und ihren Kunden einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil und werden so zu wichtigen Wegbereitern der Industrie 4.0.

1) Product Life Cycle Management (PLM).

2) Siemens Financial Services, "In Erfolg investieren", 2016.

DER AUTOR: Kai-Otto Landwehr, München,ist Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services (SFS) in Deutschland.E-Mail: communications.sfs[at]siemens[dot]com
Kai-Otto Landwehr , Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts der Siemens Financial Services GmbH, München, und Vorsitzender der Geschäftsführung der Siemens Finance & Leasing GmbH
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