Prinzip der Vollamortisation bei einem Leasing-Vertrag mit Kilometerabrechnung?

Beschluss des OLG Braunschweig vom 21. März 2016 - Az. 7 U 31/14

Fabian Bernhardt

Fabian Bernhardt, Holger Leenen - Die Autoren beleuchten im Folgenden das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 25. April 2014, Az. 6 O 2536/12 und den entsprechenden Beschluss des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 21. März 2016, Az. 7 U 31/14, als Berufungsinstanz hinsichtlich der verspäteten Rückgabe des Leasing-Fahrzeugs durch den Leasing-Nehmer.

Vielfach wird aufseiten der Leasing-Nehmer angenommen, der Anspruch auf Vollamortisation der Finanzierungskosten bei einem Leasing-Vertrag sei eben auf die volle Amortisation der Finanzierungskosten zuzüglich des kalkulierten Gewinns begrenzt. Hier gilt es zu unterscheiden zwischen einem Kilometer- und einem Restwertvertrag. Während bei einem Restwertvertrag die Vollamortisation durch die Restwertgarantie stets erreicht wird, ist bei einem Kilometervertrag die Vollamortisation außer durch eine Rückkaufvereinbarung (RKV) mit dem ausliefernden Händler nicht gänzlich abgesichert. Zwar steht der Leasing-Gesellschaft ein Anspruch auf Rückgabe des Fahrzeuges in vertragsgemäßem Zustand zu und damit der Anspruch auf Ausgleich der Minderwerte, Verwertungsrisiko und -chancen liegen aber bei der Leasing-Gesellschaft.1)

Mögliches Ungleichgewicht

Bei einem Nebeneinander der Ansprüche auf Kilometerausgleich, Erstattung der Minderwerte und Leasing-Raten, insbesondere bei einem durch den Leasing-Nehmer verschuldeten Rückgabeverzug, kann unter Umständen ein deutliches Ungleichgewicht zugunsten der Leasing-Gesellschaft auftreten. Die Leasing-Gesellschaft erhält durch das Nebeneinander der einzelnen Ansprüche möglicherweise mehr als sie ursprünglich zur Finanzierung nebst Gewinn einkalkuliert hat. Umgekehrt kann sich für die Leasing-Gesellschaft bei einem Leasing-Vertrag mit Kilometereinstufung jedoch ebenfalls eine Finanzierungslücke auftun, wenn sich das Fahrzeug bei fehlender Rückkaufvereinbarung nicht entsprechend verwerten lässt.

Das Landgericht (LG) Braunschweig und das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig haben in selten deutlicher Weise das Nebeneinander der Ansprüche bestätigt. Demnach gibt es für sich genommen keine Obergrenze des Anspruchs auf "Vollamortisation". Das OLG stellt klar, dass bei selbst verschuldeter verspäteter Rückgabe des Fahrzeuges eine unbillige Härte für den Leasing-Nehmer nicht vorliegt, denn er selbst hat durch sein vertragswidriges Verhalten "das kalkulierte Gefüge des Leasing-Gebers aus dem Gleichgewicht gebracht".

Ein bestimmter Wert, für den der Leasing-Nehmer bei Vertragsende einstehen muss, besteht mithin nicht. Die Folge: Die Vorschrift des § 506 Abs. 2, Satz 1, Nr. 1 bis 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist nicht anwendbar. Dies entspricht nach der Gesetzesbegründung dem Willen des Gesetzgebers. Die Vorschrift des § 506 Abs. 2, Satz 1, Nr. 1 bis 3 BGB wäre somit nicht analog anwendbar. Dann aber unterliegt der Leasing-Vertrag mit Kilometerabrechnung nicht den verbraucherschützenden Vorschriften der §§ 491a, 492, 493, 495 BGB. Der Kilometervertrag unterläge damit insbesondere keinem besonderen Formzwang, und ein Widerrufsrecht stünde dem Leasing-Nehmer nicht zu.

Der Bundesgerichtshof (BGH) nimmt an, dass Kilometer-Leasing-Verträge dem Vollamortisationsprinzip unterliegen, wohl um die verbraucherschützenden Vorschriften für anwendbar zu erklären. Die Leasing-Gesellschaft erreiche über eine "Mischkalkulation" die Vollamortisation der aufgewendeten Finanzierungskosten.2)

Die hier zitierten Entscheidungen zeigen allerdings, dass die Vollamortisation bei einem Kilometervertrag nicht sicher ist. Die berechtigten Forderungen können die Finanzierungskosten gegebenenfalls deutlich übersteigen, aber ebenso unterschreiten. Es zeigt sich: Der Schwerpunkt des Kilometervertrags liegt in der Gebrauchsüberlassung, vergleichbar mit der Vermietung einer Sache. Es handelt sich anders als bei den in § 506 BGB genannten "Finanzierungshilfen" eben nicht um die Hilfe zum Eigentumserwerb. Wenn aber die Vollamortisation nicht als Anspruch existiert, dann gibt es bei dem Kilometervertrag auch kein Prinzip - keine Gesetzmäßigkeit - der Vollamortisation.

Dokumentation von Minderwerten

Den Dreh- und Angelpunkt in der Endabrechnung von Kilometerverträgen bildet demnach die Geltendmachung der Minderwerte. Hieran entscheidet sich, ob die volle Amortisation der Finanzierungskosten durch die Leasing-Gesellschaft erreicht wird oder nicht.

Die Beweislast für das Vorliegen und die Höhe der Minderwerte bei Rückgabe liegt bei der Leasing-Gesellschaft. Erhebliche praktische Bedeutung kommt indes der Fertigung eines aussagekräftigen, vom Leasing-Nehmer gegengezeichneten, Rückgabeprotokolls zur Dokumentation des Fahrzeugzustandes direkt bei Rückgabe zu sowie einer zeitnahen Erstellung eines zweckmäßigerweise einzuholenden Sachverständigengutachtens durch einen unabhängigen Kfz-Sachverständigen. Der Gutachter hat eine rechnerisch und technisch nachvollziehbare Abgrenzung von gebrauchstypischen Schäden, die mit der Leasing-Rate abgegolten sind, und solchen, die erheblich und übervertraglich sind, anhand einheitlicher Bewertungskriterien vorzunehmen. Bei gravierenden technischen Schäden sollten Kostenvoranschläge durch den Sachverständigen eingeholt werden.

Die gewissenhafte Einhaltung dieser Prämissen ist ein wesentlicher Bestandteil zur Durchsetzung des Anspruches auf Minderwertausgleich beim Leasing-Nehmer. <FT1>DER AUTOREN:

1) Vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2004, zu Az.: VIII ZR 367/03 in NJW 2004, 2823.

2) Vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2013, Az. VIII ZR 336/12, in NJW 2013, 2421.

Fabian Bernhardt, Hamburg, ist Rechtsanwalt und führt die auf Kfz-Leasing und -Finanzierung sowie Verkehrsunfallabwicklung spezialisierte gleichnamige Kanzlei.E-Mail: ra.bernhardt[at]t-online[dot]deHolger Leenen, Hamburg, ist angestellter Rechtsanwalt bei der Kanzlei Bernhardt. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Finanzierungs- und Leasing-Recht, im Kaufrecht sowie im Vertrags- und allgemeinen Zivilrecht.E-Mail:leenen[at]rechtsanwalt-leasingrecht[dot]de

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