UBI - das zentrale Kundenbindungsinstrument der Zukunft

Datenspeicherung in deutschen Datacentern gesucht

Abbildung: UBI-Standardscore Quelle: Akquinet SLS Logistics GmbH

Thomas Henning - Der Autofahrer steht sowohl im Fokus der Hersteller als auch der Versicherungen. Beide möchten ihm möglichst nah sein. Er soll ihnen vertrauen und sich bei Problemen und Wünschen an sie wenden. Dabei ist das Auto der zentrale Kontaktpunkt. Wer etwas über Nutzung und Fahrweise weiß, erfährt zusätzlich einiges über den Fahrer und hat so die besten Chancen auf eine fruchtbare Kundenbeziehung. Kfz-Versicherer wollen deshalb ihren Kundenkontakt über die Usage based Insurance1) (UBI) auf neue Bahnen lenken. Die Wahl eines geeigneten IT-Partners ist dabei ausschlaggebend für das Gelingen.

Schon seit Jahren werden Autos mit immer mehr Kameras, Computerchips, Applikationen und einer IP-Adresse2) ausgestattet. Diese fortschreitende Technologisierung des Autos bietet die Chance, viel über die Fahrweise und den Fahrer zu erfahren und mit ihm in Kontakt zu treten. Hierbei haben die Kfz-Hersteller derzeit die Nase vorn. Der einzige Kontakt zwischen den Versicherungsunternehmen und dem Kunden ist dagegen oft nur der jährliche Prämien bescheid per Post. Selbst einfache Daten wie E-Mail-Adresse oder Mobilnummer ihrer Kunden kennen Versicherer nur selten. Von Unfällen erfahren sie Tage später. Diesen Informationsrückstand können sie nun mit der Usage based Insurance3) aufholen.

UBI bietet ihnen in Echtzeit und in großer Menge und Qualität Informationen über den Kunden und dessen Fahrweise. Die Technik hinter dem im Ausland bereits gebräuchlichen Ansatz besteht aus einer GPS-fähigen4) Telematikeinheit, die in das Auto eingebaut wird. Sie sendet in kurzen Abständen Informationen an eine Plattform, unter anderem zu Position, gefahrener Geschwindigkeit, Beschleunigungs- und Bremsverhalten.

Dort werden die Rohdaten gesammelt und gespeichert und in Verbindung mit zusätzlichen Informationen wie Straßenart oder geltende Tempolimits ausgewertet. Schließlich können diese Informationen dem Fahrer und seiner Versicherung zur Verfügung gestellt werden.

Individuelles Daten-Scoring

Gemäß dem UBI-Modell zahlt der Versicherungsnehmer weniger, wenn er gut fährt. Zur Bewertung der Fahrweise dient ein Scorewert, der aus von der Versicherung individuell festlegbaren Kriterien und deren Gewichtung besteht. Die Abbildung auf Seite 167 zeigt, aus welchen Elementen ein solcher Score bestehen kann. Ein Standardmodell enthält unter anderem Geschwindigkeit, befahrene Strecken, Tempo und Uhrzeit.

Zusätzlich lassen sich aber beispielsweise die Wochentage, das Tempo in Relation zum Verkehrsfluss oder sogar das Wetter auf der befahrenen Strecke auswerten. Da ganz unterschiedliche Scoring-Modelle möglich sind, wird der Autofahrer künftig wahrscheinlich aus vielen UBI-Versicherungstarifen wählen können.

Fahrer wünschen mehr Sicherheit

Über die UBI-Technologie können Versicherer nicht nur maßgeschneiderte Tarife anbieten, die für Kunden wie Versicherer Vorteile bringen, sondern völlig neue Geschäftsmodelle aufbauen. Ihren Kunden können sie individuelle Webportale und Apps anbieten, die ihre Fahrweise über Statistiken und Grafiken anzeigen, Tipps für sparsameres und sichereres Fahren geben und zusätzliche Angebote einbinden, wie zum Beispiel die Suche nach günstigen Tankstellen in der Nähe.

Gerade für ältere und junge Verkehrsteilnehmer ist die Sicherheit ein wichtiger Aspekt. Dem 2018 europaweit geltenden Notruf "eCall" kommt hier eine zentrale Funktion zu. Er ist schon heute einsetzbar und dient dazu, dass bei schweren Unfällen der Standort des Fahrzeugs sofort an ein spezielles Servicecenter gemeldet wird, das dann den nächsten Rettungsdienst und die Polizei alarmiert. Darüber hinaus können Versicherer als Serviceleistung einen manuellen Pannennotruf, "bCall" genannt, anbieten, der bei einem Schaden sofort den zuvor angegebenen Abschleppdienst kontaktiert. Hierfür wird ein Pannenknopf im Innenraum des Fahrzeugs installiert. Über diese Funktion wird auch die Schadensregulierung mit der Versicherung automatisch angestoßen, was den Fahrer in der Unfallsituation entlastet. Weitere mögliche Zusatzleistungen wären ein elektronisches Fahrtenbuch oder ein Diebstahlschutz.

Umgang mit Daten

Datenschützer bemängeln, die persönlichen Daten bei UBI-Tarifen seien nicht ausreichend geschützt. Daher stellt sich die zentrale Frage, wo und wie die gewonnenen großen Datenmengen sicher verarbeitet und gespeichert werden. Die Versicherungsunternehmen selbst möchten und können dies nicht leisten. Denn neben dem Speicherplatz und viel Knowhow müssten sie hierfür den sehr hohen deutschen Sicherheits- und Datenschutzstandards genügen. Hierfür eignet sich ein Speicherort ebenfalls in Deutschland, schon allein deshalb, um alle Prozesse innerhalb eines rechtlichen Rahmens erfüllen zu können. Zu den zentralen Zertifizierungen für Rechenzentren, welche die sensiblen, personenbezogenen Daten verarbeiten können, zählen BSI5) IT-Grundschutz, ISO 27001 und TÜViT-Trusted Site.

Die Wahl eines geeigneten Lösungspartners ist für Versicherungen von zentraler Bedeutung, da der UBI-Ansatz weit mehr als ein rein technologischer ist. Neben Kenntnissen und Erfahrungen in der Telematik6) sollte der IT-Dienstleister in der Lage sein, die Versicherung bei Analyse und Planung beraten zu können.

Idealerweise hat die Versicherung nur einen Partner, der zugleich Datenverarbeitung, Speicherung, Auswertung und Aufbereitung der Informationen über Apps und andere Online-Plattformen anbietet. Nur wenn sich die Datenmengen über Business-Intelligence-Anwendungen zielgerichtet analysieren und mögliche Risiken angemessen bewerten lassen, profitieren Versicherungsnehmer undgeber. Bisherige Pilotprojekte der Hamburger Akquinet AG mit mehreren Kfz-Versicherern in Deutschland und der Schweiz zeigen: Die sehr unterschiedlichen Anforderungen der Versicherer sind voll erfüllbar.

Leasing und Autovermieter

Derzeit diskutieren und testen nahezu alle großen Autoversicherer, wie sie mit UBI Geschäfte generieren können. Verbraucher werden daher noch vor Jahresende aus mehreren UBI-Versicherungstarifen wählen können. Auch für Leasing-Unternehmen und Autovermieter kann die UBI-Technologie zentrale Fragen beantworten:

- Wie wird mit dem Auto umgegangen?

- Wie schnell fuhr der Wagen?

- Wie viele Kilometer wurden zurückgelegt?

- Kam es zu einem möglicherweise nicht gemeldeten Schaden?

Diverse Prozesse lassen sich automatisieren, wie beispielsweise die Rücknahme von vermieteten Fahrzeugen. UBI ist ein Ansatz, der umfassende Entwicklungen in Gang setzen wird, die alle Prozesse rund um das Fahrzeug beeinflussen werden, nicht nur diejenigen der Kfz-Versicherer.

1) Benutzungsbasierte Versicherung.

2) Internetprotokoll (IP).

3) Auch Payasyoudrive (PAYD) genannt: Zahle wie du fährst.

4) Global Positioning System (GPS); globales Positionsbestimmungssystem.

5) Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).

6) Telekommunikation und Informatik, kurz: Telematik.

DER AUTOR:

Thomas Henning, Bremen, ist seit 1998 Geschäftsführer der Akquinet SLS Logistics GmbH in Bremen, einem Tochterunternehmen der Akquinet AG.E-Mail: thomas.henning[at]akquinet[dot]de

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