Leitartikel

Aufschwung ohne Substanz

Wenn im März zum 25. Mal die Mipim in Cannes zelebriert wird, dann feiert die Immobilienwirtschaft eine Assetklasse, die derzeit so stark nachgefragt ist wie zuletzt unmittelbar vor Ausbruch der Finanzmarktkrise. Vier Tage lang dreht sich wieder alles um Mieten und Märkte, Renditen und Regionen, Flächen und Fazilitäten. Dabei ist die älteste Immobilienmesse nicht nur ein Schaulaufen der Anleger und Anwälte, der Developer und Dienstleister, sondern eben auch der Städte, Regionen und Länder. Denn es geht eben nicht nur um das Vermarkten einzelner Produkte, sondern auch um die bestmögliche Präsentation der eigenen Ökonomie und Jurisdiktion. Und erneut wird Deutschland dabei mit gewichtigen Pfunden wuchern können. Die hiesige Wirtschaft strotzt vor Kraft. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes wuchs das deutsche Bruttoinlandsprodukt in den letzten drei Monaten des Jahres 2013 um 0,4 Prozent gegenüber dem Vorquartal. Auf Jahressicht stieg die Wirtschaftsleistung um 1,4 Prozent. Dass dabei wieder wesentliche Impulse aus dem Außenhandel kamen und für 2013 ein beachtlicher Leistungsbilanzüberschuss von 201 Milliarden Euro zu verbuchen war, wird erneut Wasser auf die Mühlen jener sein, die den deutschen "Merkantilismus" bestraft und eingedämmt wünschen. Gleichzeitig ging der private Konsum, der das Wachstum in den vergangenen Jahren noch gestützt hatte, leicht zurück, weil trotz guter Konjunktur, niedriger Inflation und höheren Tarifabschlüssen die Reallöhne sinken. Dabei sind die Arbeitsmarktzahlen durchaus günstig. Ende Januar meldete die Bundesagentur für Arbeit einen saisonbereinigten Rückgang der Arbeitslosenzahl gegenüber dem Vormonat von 28 000 Personen, wodurch die Arbeitslosenquote mit 6,8 Prozent einen zyklischen Tiefststand erreichte. Das positive Umfeld bestätigte auch der Ende Februar veröffentlichte Geschäftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts. Demnach hat sich die Stimmung der deutschen Unternehmen von einem ohnehin schon hohen Wert aus gehend nochmals verbessert. Nach 110,6 Punkten steht der Index nunmehr bei 111,3 Punkten und damit so hoch wie seit Mitte 2011 nicht mehr. Doch dieser Glanz ist alles andere als schattenfrei. Denn verbessert hat sich nur die Lagebeurteilung, während sich die Geschäftserwartungen eintrübten. Beispielsweise ist das Bauhauptgewerbe trotz zuletzt steigender Investitionen in Bauten weniger zuversichtlich. Einerseits ist es gut möglich, dass die Unternehmen aufgrund der sehr positiven Lageeinschätzung dazu neigen, weniger Potenzial für weitere Verbesserungen zu sehen. Andererseits ist die exportabhängige deutsche Wirtschaft hinsichtlich konjunktureller Risiken in den USA oder Turbulenzen in den großen Schwellenländern sensibilisiert. So wuchs zwar die US-Wirtschaft im vierten Quartal 2013 kräftig, doch ging die Produktion des Verarbeitenden Gewerbes im Januar um 0,8 Prozent zurück und auch die Kapazitätsauslastung sank auf 78,5 Prozent. In China ging der HSBC-Einkaufsmanagerindex auf 49,5 Punkte zurück, die Produzentenpreise fallen seit 23 Monaten, was auf gewaltige Überkapazitäten hinweist. Derweil wird das Wachstum in der Eurozone noch immer maßgeblich von Deutschland getragen. Besserung scheint jedoch in Sicht. Zwar lag das BIP der Eurozone im Gesamtjahr 2013 um 0,4 Prozent unter der Wirtschaftsleistung des Vorjahres, doch war das vor allem dem schwachen Jahresauftakt geschuldet, während das Schlussquartal 2013 - in Frankreich ebenso wie in Italien, Spanien, Portugal und den Benelux-Staaten - schon wieder positive, wenngleich niedrige Wachstumsraten aufwies. Bei aller Freude über die feinen Zahlen darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es dem Aufschwung an Substanz und Eigendynamik mangelt. Denn es ist - auch in Deutschland -nur eine von den Notenbanken in den Industrie- und Schwellenländern mit einer gewaltigen Liquiditätsschwemme initiierte "Scheinkonjunktur". Abrupte Korrekturen an den globalen Finanzmärkten, wie die jüngsten Abwertungen einiger Schwellenländerwährungen, werden dadurch wahrscheinlicher. In diesem globalen Boom-and-Bust-Zyklus werden Investoren weiter und vielleicht noch intensiver nach substanzieller Sicherheit suchen. Kaum eine Anlageklasse dürfte diesem Wunsch so gut gerecht werden wie die Immobilie. Doch gefragt sind Objekte mit solider Ertragskraft, auskömmlicher Rendite und weitgehender Wertstabilität - also mit Liegenschaften, die möglichst wenig anfällig für die kurzfristigen Schwankungen der Weltwirtschaft sind. Das ist nicht nur eine Chance für gewerbliche Immobilien in den oft noch zu wenig wahrgenommenen Regionalstädten, sondern auch für die wenig konjunktursensiblen Wohnungsmärkte. Diesem Trend wird auch die Mipim folgen und neben den Regionen in diesem Jahr zu Recht (wieder) das Thema Wohnen stärker in den Fokus rücken. Die Redaktion wünscht allen Mipim-Besuchern erfolgreiche Messetage.

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