Schwerpunkt Bausparen und Bausparkassen

Bausparen im Zinstief: Neue Perspektiven für ein Traditionsprodukt

Ein Axiom der Kreditwirtschaft gilt nicht mehr uneingeschränkt: Wer einen Bausparvertrag abschließt, der bekommt günstigere Darlehenszinsen. Grundsätzlich stimmt das zwar auch heute noch. Doch in einer Zeit, in der die Kapitalmärkte von den niedrigsten Zinsen seit Bestehen der Bundesrepublik beherrscht werden, ist dies allein kein Grund, einen Bausparvertrag abzuschließen. Deshalb verschieben sich in der strategischen Positionierung des Produkts die Gewichtungen.

Der Zinssatz für ein Bauspardarlehen liegt zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in der Regel unter dem gerade am Kapitalmarkt üblichen Sollzins. Inzwischen ist die Zinsspanne zwischen Bauspar- und kapitalmarktabhängigen Annuitätendarlehen aber zusammengeschmolzen. Der durchschnittliche Effektivzins für Wohnungsbaukredite an private Haushalte mit einer Zinsbindung von über zehn Jahren lag 2013 meist um die drei Prozent - teilweise darunter, wie die Statistik der Deutschen Bundesbank zeigt. Dieses Niveau lässt für Bausparkassen nicht mehr viel Luft nach unten. Und aus der Perspektive der Kunden gibt es dafür auch keinen großen Bedarf. Schließlich werden die Kapitalmarktzinsen, die sich in den vergangenen fünf Jahren nahezu halbiert haben, bereits als außergewöhnlich niedrig empfunden. Eine weitere Zinsverbilligung mit einem Bausparvertrag ist angesichts allgemeiner Niedrigzinsen nur noch von untergeordneter Bedeutung. Phasen wie in den neunziger Jahren, in denen Baufinanzierungen mit zehnjähriger Zinsbindung bis zu acht Prozent Zinsen kosteten und Bauspardarlehen um die sechs Prozent, erscheinen heute wie aus einer anderen Welt.

Wenig Abstand zu Hypothekenzinsen

Und dennoch hat die Bausparbranche in den Jahren historisch niedriger Zinsen einen Neugeschäftsrekord nach dem anderen erzielt. 2013 wurden in Deutschland 3,3 Millionen neue Bausparverträge mit einer Bausparsumme von 105 Milliarden Euro abgeschlossen. Nie zuvor ist ein solches Volumen erreicht worden. Und das, obwohl der Bausparvertrag im Niedrigzinsumfeld nicht mehr im gleichen Maße wie in Phasen höherer Zinsen mit besonders günstigen Darlehenskonditionen punkten kann. Aber dafür gibt es andere starke Argumente.

An erster Stelle steht hier die langfristige Zinssicherheit. Noch ist kein deutlicher Anstieg der Immobilienfinanzierungszinsen erkennbar. Aber früher oder später ist mit einem Anziehen der Zinskurve zu rechnen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat erst kürzlich klargestellt: "Niedrigzinsen werden kein Dauerzustand sein." (Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Februar 2014). Davon sind auch Millionen Bausparer überzeugt. Je tiefer das Zinsniveau heute ist, desto weniger wahrscheinlich ist ein weiteres Absinken und desto wahrscheinlicher sind höhere Zinsen in der Zukunft. Wer sich das Zinsniveau langfristig sichert, macht also mit vergleichsweise hoher Wahrscheinlichkeit ein gutes Geschäft.

Für Immobilienfinanzierer kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Die niedrigen Zinsen erlauben es, höhere Kreditsummen aufzunehmen, weil die monatliche Zinslast geringer als in früheren Jahren ausfällt. Nimmt ein Bauherr einen Kredit über 100 000 Euro mit fünf Prozent Zinsen und ein Prozent Tilgung auf, muss er dafür über eine Laufzeit von zehn Jahren eine monatliche Rate von 500 Euro zahlen. In Summe fallen Zinsen von etwas mehr als 47 000 Euro an. Bei einem Zinssatz von 2,5 Prozent liegt seine monatliche Belastung lediglich bei rund 290 Euro. Insgesamt würde er dann weniger als 24 000 Euro Zinsen aufbringen - also rund 23 000 Euro weniger. Zwar ist die Restschuld nach zehn Jahren im ersten Fall etwas kleiner. Doch unter dem Strich lassen die niedrigeren Zinsen spürbar mehr Raum für eine höhere Tilgung und eine höhere Darlehenssumme.

Stark steigende Hauspreise

Auch wenn im langfristigen Vergleich - etwa mit den Niveaus der neunziger Jahre - kein erheblicher Anstieg der Immobilienpreise, sondern in erster Linie ein Aufholeffekt festgestellt wird, müssen von Erwerbern heute doch höhere Mittel aufgewendet werden als noch vor einigen Jahren. Von Sparkassen und LBS in Bayern vermittelte Häuser im Neubau kosteten 2003 noch durchschnittlich 252 000 Euro. Zehn Jahre später waren es mit 379 000 Euro etwa 50 Prozent mehr. In städtischen Großräumen sind die Preise für Wohnimmobilien zum Teil noch stärker gestiegen - und mit ihnen in vielen Fällen der Finanzierungsbedarf.

Aufgrund der überproportional gesunkenen Zinsen ist die für eine langfristige Finanzierung zu erbringende monatliche Zins- und Tilgungsleistung der Erwerber in der Regel dennoch eher geringer geworden. Doch mit den Finanzierungssummen erhöht sich auch das Risiko der Menschen, bei einer Anschlussfinanzierung von steigenden Zinsen überfordert zu werden. Unter dem Blickwinkel der finanziellen Absicherung kommt einer langfristigen Festschreibung der Darlehenszinsen also eine größere Bedeutung zu als je zuvor. Und genau dafür ist Bausparen das maßgeschneiderte Produkt. Der Bausparvertrag als Versicherung gegen steigende Zinsen, als Zinsswap des Häuslebauers, ist die ideale Lösung für fundamentale Kundenbedürfnisse.

Im europäischen Vergleich ist die Wohneigentumsquote in Deutschland mit 46 Prozent nach wie vor niedrig. Der EU-Durchschnitt liegt bei über 60 Prozent. Die niedrige Wohneigentumsquote in Deutschland wird in Zukunft mehr und mehr zu Problemen führen, wenn die Mieten weiter steigen, aber die Renten tendenziell sinken werden. Angesichts des historisch niedrigen Zinsniveaus in Deutschland bei gleichzeitig boomender Wirtschaft und guter Arbeitsmarktlage besteht für viele Schwellenhaushalte jetzt die vielleicht einmalige Möglichkeit, Wohneigentum zu erwerben. Gerade für diese Haushalte ist es angesichts begrenzter zu erwartender Renteneinkünfte besonders vorteilhaft, wenn sie im Alter keine Mietkosten aufbringen müssen.

Die staatliche Wohn-Riester-Förderung bietet insbesondere für dieses Kundensegment einen zusätzlichen wirksamen Hebel, um aus Mietern Eigentümerhaushalte zu machen. Der häufig geäußerte Vorwurf gegenüber Riester-Vorsorgeprodukten, dass diese wegen der niedrigen Kapitalmarktzinsen keine ausreichenden Renditen erwirtschafteten, trifft bei der Eigenheimrente nicht zu. Denn deren Rendite ist unabhängig von den Kapitalmärkten. Sie besteht in der ersparten Miete im Alter. Und die bedeutet einen enormen finanziellen Vorteil, zumal der Mietzins - im Gegensatz zu den Kapitalmarktrenditen - mit stattlichen Prozentsätzen wächst. Wenn aber erst niedrige Zinsen und staatliche Förderung den Weg ins Eigenheim ermöglichen, ist die dauerhafte Sicherung dieses Zinsniveaus für die Betroffenen von geradezu existenzieller Bedeutung.

Gleichzeitig ist auch der Preis des Bauspardarlehens günstiger geworden. Denn die - gegenüber anderen Anlageprodukten - teilweise geringeren Guthabenzinsen in der Ansparphase fallen in einem Niedrigzinsumfeld weniger ins Gewicht, weil auch vergleichbar sichere Alternativanlagen kaum noch höhere Renditen versprechen. Anders als bei diesen wächst die Attraktivität des Bausparens aber durch seinen Kernnutzen als langfristiges und zinssicheres Finanzierungsinstrument.

Fokus auf den Kernnutzen Finanzierung

Die Produktstrategie muss darauf ausgerichtet werden. Das heißt nicht nur, bei der Einführung neuer Tarife die Zinsen zu senken, wie es die Branche in den vergangenen Jahren konsequent getan hat. Sondern es gilt auch, Tarifvarianten anzubieten, die auf langfristige Finanzierungen höherer Kreditsummen zugeschnitten sind. So wird es in der neuen Tarifgeneration der LBS Bayern, die im Mai im Markt eingeführt wird, zum Beispiel erstmals eine Variante geben, die lediglich eine Mindestansparung von 30 Prozent der Bausparsumme erfordert und bei der gleichzeitig das Bauspardarlehen nur mit vier Promille der Bausparsumme monatlich zu tilgen ist (Standard sind bisher 40 bis 50 Prozent Mindestansparung und eine monatliche Tilgung von fünf bis sechs Promille der Bausparsumme). Damit werden vor allem jene Kunden angesprochen, die höhere Kreditsummen über einen längeren Zeitraum bei geringerem Eigenkapitaleinsatz finanzieren wollen.

Angesichts höherer Kreditsummen und längerer Darlehenslaufzeiten gewinnt ein weiterer Aspekt an Bedeutung, der Bauspardarlehen von anderen Arten der Immobilienfinanzierung abhebt: die Möglichkeit, jederzeit und kostenfrei Sondertilgungen vornehmen zu können. Je länger die geplante Laufzeit eines Darlehens ist, desto weniger lässt sich voraussagen, wann Sondertilgungen in welcher Höhe vorgenommen werden könnten. Denn oft hängen Spielräume dafür von Bonuszahlungen, Beförderungen oder Erbschaften ab, die sich nicht langfristig prognostizieren lassen.

Das Niedrigzinsumfeld verschiebt also beim Bausparen die Gewichtungen: Es geht noch mehr um Finanzierung als um Eigenkapitalbildung. Und es geht noch mehr um Zinssicherung als um Zinssenkung. Darauf muss das Bausparen ausgerichtet werden. Nie machte kapitalmarktunabhängige Zinssicherung mehr Sinn.

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