Vertriebsstrategien

Cross-Selling im Allfinanzkonzern - Erfahrungen von Wüstenrot

Demografischer Wandel, heterogene Kundensegmente und neue Medien dies sind nur einige der Herausforderungen, denen sich Finanzdienstleister im Privatkundenbereich stellen müssen. Die zunehmende Überalterung der Gesellschaft beeinflusst die Kundenstruktur nachhaltig. Unter den Kunden der Banken und Versicherungen finden sich zunehmend ältere Menschen, die oft mehrere Bank- und Versicherungsbeziehungen haben und in Finanzfragen versiert sind. Diese überwiegend ältere Klientel steigert die Nachfrage nach Produkten aus dem Bereich Altersvorsorge sowie nach der Absicherung im Krankheits- und Pflegefall.

Zunehmende Mobilität, individualisierte Lebensverhältnisse und wachsender Wohlstand sind weitere Einflussgrößen. Durch sie entstehen immer komplexere Bedürfnisse und neue, heterogene Kundensegmente. Diese Segmente gilt es genau zu identifizieren und profitabel anzusprechen. Zudem verändern die neuen Medien das Informations- und Kommunikationsverhalten der Kunden. Im Internet sind Finanzinformationen leicht zugänglich und ermöglichen es, Konditionen verschiedener Anbieter zu vergleichen. Dazu trägt auch die zunehmende Standardisierung der Produkte bei. Dementsprechend wird Onlinebanking im Markt ein immer wichtigeres Thema. Zudem bleiben die Kunden nicht ihr Leben lang bei einem einzigen Institut. Sie betreiben "Smart Shopping": Selbstbewusst und sehr gut über das Preis-Leistungsverhältnis informiert, stellen sie hohe Anforderungen an ihre Finanzdienstleister.

Das derart gewandelte Kundenverhalten wirkt sich auf die Gewichtung der Vertriebskanäle aus. Bei den Versicherern etwa kommt dem Vertrieb über Makler, Bankkooperationen sowie dem Direktvertrieb immer größere Bedeutung zu.

Faktoren für erfolgreiches Überkreuzgeschäft

Wollen sich Unternehmen am Markt erfolgreich behaupten, müssen sie auf diese grundlegenden Veränderungen frühzeitig und angemessen reagieren. Die W&W antwortet darauf mit einer konsequenten Ausrichtung des Konzerns auf Cross-Selling. Für den erfolgreichen Überkreuzverkauf sind drei Faktoren wesentlich: Erstens den Kunden und seine Bedürfnisse genau zu kennen. Zweitens die Bedarfssituation des Kunden auf den Punkt zu bringen. Drittens müssen die Produkte über die richtigen Vertriebskanäle abgeboten werden. Die Herausforderung liegt darin, diese Elemente miteinander zu verzahnen.

Doch zunächst ein Blick darauf, was sich hinter dem Kürzel W&W genau verbirgt: Die Wüstenrot & Württembergische ist eine unabhängige Finanzdienstleistungsgruppe mit Sitz in Stuttgart. Diese ging 1999 aus dem Zusammenschluss der Traditionsunternehmen Wüstenrot Bausparkasse und Württembergische Versicherung hervor. Seit 2005 gehören auch die Karlsruher Versicherungen zur W&W. Die W&W-Gruppe belegt in ihren Kerngeschäftssegmenten eine Marktposition unter den Top 10 in Deutschland. Vorsorgeleistungen aus den Bereichen Bausparen und Baufinanzierung sowie Versicherungen bilden zwei gleich starke Säulen unter dem Dach einer strategischen Management Holding. Diese Kombination ist so in Deutschland einmalig.

Weichenstellung für bessere Potenzialnutzung bei W&W

Die W&W zielt mit ihren Geschäftsfeldern Bausparen und Versicherungen auf nahezu identische Kundensegmente. In den rund sechs Millionen Kunden der Gruppe liegt ein großes Potenzial für Cross-Selling. Diese Chance wurde allerdings noch zu wenig genutzt, denn bis zum Frühjahr 2006 spielte der Vertrieb von Produkten aus dem jeweils anderen Geschäftsfeld kaum eine Rolle. Cross-Selling floss nicht in die Vergütung ein und die Produkte waren für den Überkreuzvertrieb ungeeignet. Eine übergreifende Sicht bestand weder auf die Kunden noch auf das Produktportfolio oder dessen Entwicklung. Ergänzungen zum Vertrieb über die Ausschließlichkeitsorganisationen wurden nicht entwickelt.

Mit dem 2006 eingeschlagenen Reformkurs "W&W 2009" richtet sich die W&W ganz auf den Überkreuzverkauf aus. Sie positioniert sich am Markt als Vorsorge-Spezialist für Vermögensbildung, Wohneigentum, finanzielle Absicherung und Risikoschutz in allen Lebensphasen. Die Gruppe kombiniert die umfassende Vor-sorge-Produktpalette eines Finanzkonzerns mit der Kompetenz von Spezialisten und der Nähe von Beratern vor Ort. Dies hebt sie von der Masse der großen Allfinanz-Anbieter ab, unterscheidet sie aber auch von den kleinen Nischen-Dienstleistern.

Die W&W hat im Rahmen des Modernisierungskurses tiefgreifende Veränderungen auf allen Ebenen in Angriff genommen. Alle Maßnahmen erfolgen unter dem Aspekt, den Kunden und seine Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen. Basis ist hierbei eine umfassende Analyse der Kundenbedürfnisse und Potenziale. Dazu entwickelt die W&W die bestehende konzernweite Kundendatenbank weiter. Diese ermöglicht eine Segmentierung hinsichtlich der Bindung zum Konzern und der Rentabilität.

Zudem wird das Produktportfolio vereinfacht und stärker an den finanziellen Bedürfnissen des Kunden in seinen verschiedenen Lebensphasen ausgerichtet. Die vorhandenen Produkte wurden einzelnen Bedarfsfeldern wie beispielsweise "In den eigenen vier Wänden wohnen" oder "Vermögen und Familie absichern" zugeordnet. Standardlösungen für Baufinanzierung, Anlage und Risikoschutz sowie einfache Bausteine für bedarfsgerechte Produktbündel erleichtern den Außendienstpartnern den Verkauf der Produkte des Schwestergeschäftsfelds.

Diese Kernprodukte werden durch erweiterte Leistungen ergänzt. So kann beispielsweise der Teilbedarf "In den eigenen vier Wänden wohnen" zusätzlich durch eine Risiko-Lebensversicherung vervollständigt werden. Spezialistenprodukte, die von Außendienstpartnern mit inhaltlicher Spezialisierung vertrieben werden, runden das Angebot ab. Um Lücken im Portfolio zu schließen, führt der Konzern zusätzliche Produkte aus den Bereichen Vorsorge und Einmalanlage ein.

Neben einem umfassenden Produktangebot ist ein professioneller und sehr Ser-vice-orientierter Vertrieb der Schlüssel zum Erfolg. Angesichts gewandelter Bedürfnisse und des verschärften Wettbewerbs müssen Unternehmen ihren Vertrieb auf die Interessen und Geschäftsmöglichkeiten der Kunden und auf ihre Produkte abstimmen. Entscheidende Reformschritte des Modernisierungsprogramms bei W&W zielen darauf, die Leistung des Vertriebs zu stärken.

Neugestaltung von Produkten, Provisionen und Strukturen

Dreh- und Angelpunkt bleiben dabei die beiden Ausschließlichkeitsorganisationen mit insgesamt 6 000 Außendienstpartnern. Um hier dem bestehenden Kundenpotenzial stärker als bislang zu entsprechen, sind verschiedene Weichen gestellt worden. Produktangebot, Provisionen und Strukturen im Vertrieb richtet der Konzern neu zum verstärkten Cross-Selling aus. Standardprodukte der einen Sparte werden vom jeweiligen Vertrieb des Schwestergeschäftfelds mitverkauft. Dazu arbeiten Fachbetreuer und Generalisten eng zusammen. Geht es bei höherwertigem Geschäft um eine intensivere Beratung, so unterstützen Produktspezialisten den Vertriebspartner. Zum Teil wirken diese auch als Multiplikatoren, um das wechselseitige Geschäft auszuweiten. Desweiteren setzt die W&W auf den Einsatz von Spezialisten wie beispielsweise Vermögensmanagern.

Dem zunehmenden Bedarf der Kunden nach online-fähigen Angeboten begegnet der Vorsorge-Spezialist, indem er einen Direktkanal für Bankprodukte aufbaut und Optionen für weitere Produkte prüft. Das Internet soll dabei die Tätigkeit des Außendienstes unterstützen und ergänzen.

Das von der Karlsruher Versicherung eingebrachte Maklergeschäft fließt in einen separaten Kanal: die neu gegründete Württembergische Vertriebs Service GmbH. Sie soll das Lebens- und Kompositgeschäft in den nächsten Jahren markant steigern. Den Vertrieb über Bankpartner erweitert die W&W sowohl im Bauspar- als auch im Versicherungsgeschäft.

So geht die Wüstenrot Bausparkasse mit der Santander Consumer Bank eine Kooperation ein, die es bislang so in der Branche nicht gibt. Hinzu kommt die exklusive Kooperation mit dem dbb, über den Mitgliedern exklusive Bauspar- und Finanzierungsangebote unterbreitet werden. Die Versicherer festigen die bundesweite Partnerschaft der Karlsruher mit den Volks- und Raiffeisenbanken und erweitern die Zusammenarbeit mit der Südwestbank.

Erreichtes und Erstrebtes

Erste Erfolge hat der Vertrieb von Wüstenrot und Württembergische im Jahr 2006 seit Beginn des Modernisierungskurses bereits erzielt. So setzten die Außendienstpartner 2006 insgesamt rund 230 000 Produkte des jeweiligen Schwestervertriebs ab. Dies ist im Vergleich zum Vorjahr eine Wachstumsrate von mehr als 20 Prozent. Der Konzern strebt an, die Cross-Selling Stückzahlen auf 460 000 Verträge im Jahr 2009 zu verdoppeln.

Die W&W ist mit ihren Maßnahmenbündeln ein gutes Stück vorangekommen. Die Ausgangslage der W&W-Gruppe ist gut. Die Marken "Wüstenrot" und "Württembergische" sind am Markt bekannt und sprechen die gleichen Kundensegmente an. Dabei ist Wüstenrot mit die bekannteste deutsche Bausparmarke, die gestützte Bekanntheit liegt bei 85 Prozent. Die Württembergische erreicht als "Fels in der Brandung" gute 55 Prozent. Die W&W etabliert sich als der Vorsorge-Spezialist durch den inneren Prozess der Veränderung und den neuen Auftritt am Markt.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors auf der 42. Herbsttagung am 24. Oktober 2007 in Wiesbaden.

Bernd Hertweck , Vorstandsvorsitzender, Wüstenrot Bausparkasse, Kornwestheim, und Vorstandsvorsitzender, Verband der Privaten Bausparkassen e.V., Berlin
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