Im Blickfeld

Führungskräfte in der Pflicht

In den vergangenen Jahren konnte man zunehmend beobachten, dass Personen in Führungspositionen verstärkt Verantwortung für ihr Handeln übernehmen mussten. Das gilt für alle Führungs- und Kontrollebenen eines Unternehmens und wird öffentlich vor allem wahrgenommen, wenn das Handeln zu teilweise spektakulären Schäden oder Krisen geführt hat. Aufsichtsräte müssen sich heute wegen unterlassener Kontroll- oder Hinweispflichten beispielsweise genauso verantworten wie Vorstände und Geschäftsführer für Nachlässigkeiten beim Aufbau geeigneter und angemessener Unternehmensstrukturen.

Das Klima für Verantwortungsträger ist in der letzten Dekade eindeutig rauer geworden. Ursächlich liegt dies zum einen sicherlich daran, dass die Anforderungen an eine einwandfreie und transparente Unternehmensführung anspruchsvoller und vielschichtiger geworden sind. Die Vielzahl an gesetzlichen Änderungen und begleitenden Regularien haben zu einer Konkretisierung der Pflichten für Verantwortungsträger geführt. Zum anderen sind in einer zunehmend globalisierten Welt gerade bei Kapitalgesellschaften die Erwartungen der Anteilseigner hoch. Auf Nachsicht und Gelassenheit bei der Bewertung ihrer Entscheidungen im mitunter hektischen operativen Geschäft können Führungskräfte nicht mehr zählen.

Im Zusammenhang mit Investitionen in große Bau-, Anlagenbau- oder Immobilienprojekte kommt es häufig zu aufsehenerregenden Fällen. Fragt man die Führungskräfte auf der Auftraggeberseite, warum ein solches Projekt derart entglitten ist, kommen stets ähnliche Antworten: die Projektziele seien zu ambitioniert gewesen, man habe leider die technische Komplexität unterschätzt, nicht ausreichend eigenes und kompetentes Personal gehabt und sei zudem oft falsch beraten worden. Darüber hinaus habe man es mitunter mit sehr aggressiv auftretenden Auftragnehmern zu tun gehabt, die jede vertragliche Ungenauigkeit zu ihrem Vorteil auszunutzen versuchten.

Tatsächlich ist ein maßgebliches Problem, dass die Komplexität im Projektgeschäft der Bau- und Immobilienwirtschaft sowie des Anlagenbaus zugenommen hat. Investitionen in Großprojekte sind aber häufig auch eine Prestigefrage. Die neue Firmenzentrale muss von einem Stararchitekten sein, ein neues Werk in Übersee soll ohne ausreichende Regionalkenntnisse realisiert werden, Projektbudgets werden geschönt, um eine Genehmigung zur Realisierung zu erhalten, Aufträge werden mit zweifelhaften Mitteln vergeben, Risiken und Kostensteigerungen werden so lange wie möglich klein geredet.

Gleichzeitig soll die in den vergangenen Jahren verkleinerte Abteilung für Facility Management das Großprojekt quasi nebenbei erledigen. In der Realität des Projekts angekommen treffen die handelnden Personen in der Tat auf sehr professionell agierende Auftragnehmer, die mit ihren Risiken in solchen Projekten aktiv umzugehen gelernt haben.

Hier schließt sich der Kreis zur Verantwortung der Führungskräfte. Es gehört zu ihren wichtigsten Pflichten, geeignete Unternehmensstrukturen auch in der Projektorganisation sicherzustellen, um den Anforderungen bei der Realisierung von Großprojekten gerecht zu werden. Neben der Auswahl des geeigneten Personals gehören hierzu unter anderem auch wesentliche Elemente eines internen Kontrollsystems, insbesondere in Bezug auf Risiko- und Compliance-Management sowie wirksame und zweckmäßige Informations- und Kontrollmechanismen. Gerade das Risikomanagement übernimmt hierbei eine zentrale Funktion. Die fortlaufende Identifikation, Bewertung und Steuerung der Risiken bei Großinvestitionen ist alles andere als einfach und sollte nur durch erfahrene Spezialisten erfolgen.

Die Falscheinschätzung der eigenen Möglichkeiten gehört vor diesem Hintergrund oft zu den gröbsten Managementfehlern. Auch die Tolerierung unzureichender Kommunikations- und Informationswege wird zu Recht als Führungsversagen eingestuft. Zu den wirksamsten Mitteln, um Großprojekte erfolgreich abzuwickeln und einem persönlichen Haftungsdesaster als Verantwortungsträger zu entgehen, gehören hingegen, geordnete Strukturen zu schaffen, ordnungsgemäßes Handeln vorzuleben und sicherzustellen, strukturiert und professionell mit Risiken umzugehen und schließlich präzise, zeitnah und objektiv zu kommunizieren.

Mario Bacher, Partner, und Dr. Axel Freiboth, Manager, Ernst & Young Real Estate GmbH, Eschborn

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