Stadtplanung

Hamburg - Herausforderungen aus städtebaulicher Sicht

Das 21. Jahrhundert ist das "Jahrhundert der Städte". Lebte 2005 fast die Hälfte der Weltbevölkerung in Städten, prognostiziert die UNO einen Anstieg bis 2030 auf 60 Prozent.

Dies stellt Städte weltweit vor größte Herausforderungen. Ob steigende Bevölkerungszahlen, wachsender Ressourcenbedarf, Klimawandel oder soziale Spannungen - Städte und Metropolen im 21. Jahrhundert müssen vielfältige, vielschichtige und ähnliche Probleme lösen. Wie sollen Metropolen den Druck der Globalisierung meistern und dabei ihre Traditionen bewahren? Wie schafft es eine Metropole, ökonomisch erfolgreich zu sein und zugleich ein Ort für alle Kulturen und Schichten zu bleiben? Und wie tritt die Metropole der Zukunft mit ihrem Anspruch auf Versorgung mit Ressourcen zugleich dem Klimawandel entgegen?

Zukunft der Metropole

Antworten sucht die Internationale Bauausstellung (IBA) Hamburg. Sie beschäftigt sich mit der Zukunftsfähigkeit der Metropolen und entwickelt bis 2013 gemeinsam mit Bürgern und zahlreichen Partnern städtebauliche Lösungen für Hamburg. Die Ergebnisse sollen dann weltweit als Vorbild für andere Metropolen gelten.

Schauplatz der IBA sind die Elbinseln. Sie liegen inmitten der Hansestadt, umschlungen von zwei Armen der Elbe. Fast 55 000 Menschen aus rund 40 Nationen leben auf diesen 52 Quadratkilometern, vor allem in den Stadtteilen Wilhelmsburg und Veddel. Stadt und Hafen, Marsch und Wasser formen hier einen einzigartigen Lebensraum mit altem Wohnbaubestand, dörflichen Natur-Idyllen, überlasteten Verkehrsachsen, Industriebrachen und einer internationalen Bewohnerschaft. Ein Modell, das als "Stadt in der Stadt" stellvertretend für viele Städte der Welt stehen kann.

Größtes städtebauliches Projekt der IBA Hamburg ist "Wilhelmsburg Mitte". Auf einer rund 30 Hektar großen Fläche entsteht in den kommenden Jahren das neue Zentrum für die Elbinseln - mit einer Mischung aus Wohnen und Arbeiten, Einzelhandel, Verwaltung, Dienstleistung, Hotel- und Freizeitnutzung.

Visionäre Gebäude der Zukunft

Wie das Wohnen in der Zukunft aussehen kann, zeigt die IBA Hamburg nun im Rahmen ihres experimentellen Wohnbauprojekts "Bauausstellung in der Bauausstellung". Vier Baufelder mit einer Grundstücksfläche von mehr als 22 000 Quadratmetern und einem Baupotenzial von mehr als 30 000 Quadratmetern wurden hierfür vor kurzem ausgeschrieben. Zu vier Themenbereichen sollen bis Ende 2012 innovative Bautypologien für das Wohnen der Zukunft in Wilhelmsburg Mitte im attraktiven Umfeld der geplanten internationalen Gartenschau 2013 realisiert werden. Ihre Bauideen können Architekten, Investoren und Bauplaner jetzt in einem Wettbewerb einreichen. Die Realisierung innovativer Ideen und Konzepte, die prämiert werden, wird die IBA Hamburg über Spitzenfinanzierung fördern.

Jedes der vier ausgeschriebenen Themen setzt unterschiedliche Schwerpunkte. So sollen die sogenannten "Water Houses" auf architektonisch experimentelle Weise die Möglichkeiten des Bauens mit und auf dem Wasser demonstrieren. Gesucht werden Prototypen, die zeigen, wie man die Wasserlage als Wohnstandorte nutzen kann und gleichzeitig Umweltbelange oder die Sicherheitsbedürfnisse der Menschen berücksichtigt. Wichtig sind dabei hochwassersichere Bautechnologien und Materialqualitäten, die dauerhaft den Anforderungen einer Wasserlage gewachsen sind. Weiterhin sollen die Häuser zeigen, welche Lebensqualität das Wohnen am Wasser hat. Beispielhaft für experimentelles Bauen auf dem Wasser steht heute schon das IBA-Dock, das als schwimmendes Büro- und Ausstellungszentrum der IBA Hamburg derzeit realisiert wird.

Das Leben am Wasser hat für Wilhelmsburg historische Bedeutung. Der Stadtteil erlebte 1962 eine der verheerendsten Sturmfluten in der deutschen Geschichte. Weltweit liegen zwei Drittel aller großen Metropolen an oder nahe von Flussmündungen. Angesichts des ansteigenden Meeresspiegels infolge des Klimawandels sowie Sturmfluten, die stärker werden, sind viele Städte heute gefährdet. Besondere Relevanz erlangt diese Entwicklung durch die Tatsache, dass viele Städte zunehmend Lagen am Wasser erschließen, um dort neue Wohn- und Bürogebiete zu entwickeln.

Herausforderung Klimawandel

Zukunftsfähige Wohnformen im Hinblick auf den Klimawandel soll das Modellprojekt der "Smart Material Houses" ermöglichen. Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) müssen die wichtigsten Industrieländer allein zur Abwehr der drastischsten Folgen des Klimawandels bis zum Jahr 2050 ihre CO2-Emissionen um 80 bis 90 Prozent reduzieren. Der Schlüssel zum weltweiten Klimaschutz liegt dabei in den Städten: Obwohl sie nur knapp drei Prozent der Landfläche ausmachen, werden dort knapp 80 Prozent der Ressourcen verbraucht. Erforderlich sind daher neuartige Haustypologien, die die ökologische Gesamtbilanz von Gebäuden optimieren.

Dies soll, so die Vorstellung der IBA Hamburg, erreicht werden, indem die neuesten Technologien und umweltfreundliche Materialien intelligent eingesetzt werden, sodass sie flexibel auf Veränderungen der Umgebung reagieren können. Denkbar ist beispielsweise der Einsatz sogenannter "Phase Change Materials" (PCMs) bei Fassadenelementen und Innenraumbeschichtungen. Sie können mit der Außentemperatur ihren Aggregatzustand ändern und somit eine kühlende aber auch wärmende Wirkung haben.

Kostenbewusstsein und Flexibilität

Antworten auf verschiedene gesellschaftliche Fragestellungen sollen die "Smart Price Houses" geben, indem sie neue Strategien für kostengünstiges Bauen realisieren. Gefragt sind daher Konzepte und Ideen für Fertigbau, Systembau, Vorfertigung und Selbstbau. Mit dieser Neuinterpretation des Fertighauses soll innerstädtischer Wohnraum als Eigentum oder zur Miete für mittlere und untere Einkommensschichten attraktiver werden.

Und schließlich trägt das Konzept der "Hybrid Houses" den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Rechnung. Das klassische Einfamilienhaus hat zunehmend ausgedient. Gefragt sind stattdessen flexible Häuser, die sich je nach Lebensabschnitt den Anforderungen anpassen, also verkleinern, vergrößern oder verändern lassen. So sollte beispielsweise bei der Geburt eines Kindes das Büro in ein Kinderzimmer umgewandelt oder nachträglich eine Wohnung für die Großeltern eingerichtet werden können.

Welche Ideen für die vier neuartigen Bautypologien am Ende schließlich umgesetzt werden, hängt vom Ausgang des Ausschreibungsverfahrens ab. Die Bewerbungsfrist läuft derzeit noch. Im Rahmen von zwei- bis dreistufigen Verfahren werden die besten Konzepte ausgewählt. Vorgesehen ist, die Bauten bis Ende 2012 zu realisieren.

Der Öffentlichkeit werden die Ergebnisse der Ausschreibung im Zwischenpräsentationsjahr 2010 in der Werkschau der IBA Hamburg von Mai bis Oktober vorgestellt. Dann bietet sich Besuchern auch die Möglichkeit, aktuelle Baustellen und erste abgeschlossene Bauprojekte der IBA zu besichtigen. Geplant sind zudem ein umfangreiches Fach- und Führungsprogramm sowie verschiedene Ausstellungen, die sowohl die Bevölkerung als auch die Fachwelt ansprechen sollen. So kann sich die Öffentlichkeit vor Ort ein Bild davon machen, wie die Metropolen der Zukunft aussehen könnten.

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